Simpel und einfach
Die Volvo-Tochtermarke Polestar will mit ihrem ersten Volumenmodell, dem Polestar 2, gegen das erfolgreiche Model 3 von Tesla antreten. Im Alltagstest überzeugt der Stromer mit problemloser Handhabung.
Neue Automodelle wollen, so zumindest die Werbung, faszinieren. Sie wollen mit ihrem Design begeistern, mit sportlichen Fahreigenschaften betören und mit unzähligen Funktionen beeindrucken. Schliesslich soll sich der potenzielle Kunde auf den ersten Blick verlieben. Diesbezüglich ist der Polestar 2 durchaus gut aufgestellt: Er bietet ein einzigartiges Design, das sich zwischen SUV und Limousine einordnet. Aussen wie innen wirkt der in Schweden gezeichnete und in China gebaute Elektrowagen elegant, aber nicht verschnörkelt – typisch skandinavische Formensprache eben.
Den Unterbau und den Antrieb teilt sich der Polestar mit der E-Version des Volvo XC40. Der Akku mit 78 kWh Speicherkapazität sitzt im Unterboden, an jeder Achse sorgt ein E-Motor für Vortrieb. So kommt die getestete Topversion auf 408 PS und beschleunigt in nur 4,7 Sekunden auf 100 km/h. Damit fühlt sich der Polestar überraschend leichtfüssig an, obwohl er mehr als 2,1 Tonnen auf die Waage bringt. Die Leichtfüssigkeit bleibt auch in Kurven erhalten. Hier helfen die leichtgängige Lenkung und das optionale Sportfahrwerk vom schwedischen Spezialisten Öhlins. Es lässt sich nach Kundenwunsch einstellen; über Drehrädchen unter der Haube und hinter der Kofferraumverkleidung ist die Dämpferhärte in 18 Stufen verstellbar. Zugegeben, das ist deutlich komplexer als eine einfache Verstellung über eine Taste im Innenraum und sollte von einem Profi in der Werkstatt erledigt werden. Doch die Idee dahinter ist durchaus sinnvoll: Der Kunde soll einmal seine bevorzugte Abstimmung finden und einstellen lassen; danach muss er sich nicht mehr darum kümmern.
Vereinfachtes Leben
Dass sich der Fahrer um möglichst wenig kümmern muss, passt genau ins Konzept dieses Autos – und sorgt dafür, dass man sich nicht nur auf einer kurzen Probefahrt verlieben soll, sondern sich auch langfristig wohlfühlt im Polestar.
Das beginnt schon vor der Fahrt. Dass der Schlüssel zum Ver- und Entriegeln in der Tasche bleiben kann, ist heutzutage beinahe eine Selbstverständlichkeit. Polestar geht aber noch einen Schritt weiter: Setzt man sich auf den Fahrersitz, ist das Auto bereit zur Losfahrt. Fuss auf die Bremse, Automatik-Wählhebel auf «D», und los kann es gehen. Ein «Zündschloss» oder Startknopf entfällt komplett.
Ebenfalls verzichtet hat Polestar auf die Entwicklung einer eigenen Software für das Bedien- und Navigationssystem. Stattdessen wird ein Android-Betriebssystem, wie man es von Smartphones und Tablets kennt, genutzt. So kann das System nicht nur mit Updates über das Mobilfunknetz auf dem Laufenden gehalten werden, sondern auch mit Apps auf die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Musik gibt es per Internetradio oder Spotify, die Navigation geschieht über Google Maps mit aktuellsten Verkehrsdaten, verblüffend genau prognostizierter Ankunftszeit und zielsicherer Stauumfahrung. Vor allem aber ist die Bedienung so einfach und schnörkellos, wie man sie vom Smartphone kennt. Auch das macht das Leben im Alltag leichter.
Für den Alltag geeignet ist der Polestar 2 also auf jeden Fall – auch wenn einmal eine längere Fahrt ansteht. Im Test lag der Verbrauch bei 21,6 kWh/100 km; damit wären mit einer Akkuladung rund 360 Kilometer möglich. Der Hersteller verspricht bis zu 480 Kilometer, was allerdings nur mit sehr geringem Tempo machbar erscheint. Geladen ist der Akku an einer Schnellladestation bestenfalls nach 40 Minuten (80 Prozent).
Die Preise für den Polestar 2 mit Frontantrieb starten bei 43 900 Franken (erhältlich ab Oktober). Das getestete Topmodell mit Allradantrieb kostet 6000 Franken mehr.
Philipp Aeberli