Mehr als nur ein Gangwechsel
Die Handschaltung wird immer seltener im Auto. Mit E-Antrieb wird das Schalten ohnehin überflüssig, und auch beim Verbrenner schätzen immer mehr Käufer:innen den Komfort einer Automatik. Doch: So schnell wird der Schalthebel nicht verschwinden.
Es war einst der Schrecken aller Fahrschüler:innen – und für Autoenthusiasten ein Zeichen guter Fahrzeugbeherrschung: der gefühlvolle Umgang mit Gas, Kupplung und Schalthebel. Bis vor einigen Jahren war die Handschaltung zudem die erste Wahl für einen Sportwagen, weil Automatikgetriebe das Auto nicht nur durstiger, sondern auch träger machten. Doch die Technik hat sich rasant weiterentwickelt. Das Automatikgetriebe, sei es klassisch mit Drehmomentwandler oder auch als inzwischen weit verbreitetes Doppelkupplungsgetriebe, wurde immer günstiger in der Produktion, gleichzeitig schneller und effizienter. So braucht ein Wagen mit Automatik heute in der Regel weniger Sprit als ein Handschalter. Und bei Elektroautos, die in der Regel über eine fixe Übersetzung verfügen, stellt sich die Frage nach der Art des Getriebes ohnehin nicht mehr. So werden immer weniger Autos mit Handschaltung ausgeliefert. Hersteller wie Mercedes oder VW haben bereits angekündigt, den Schalthebel bald ganz abzuschaffen, und auch für die Fahrprüfung ist es nicht mehr nötig, den Umgang mit Kupplung und Schalter zu beherrschen. Klingt also gewissermassen nach einem Todesurteil für die klassische Handschaltung.
Ein Schaltgetriebe fürs Gefühl
Doch: Gleichzeitig hat sich die Handschaltung in den letzten Jahren gewissermassen zum Statussymbol für Autoenthusiasten gemausert. Genauso, wie Schallplatten und mechanische Uhren ihren Retro-Charme ausüben, wurde auch das Kuppeln und Schalten zu einer Art Kulturgut – das von einigen Herstellern weiterhin gepflegt wird. So hat Toyota jüngst Patente für ein Schaltgetriebe für E-Antriebe eingereicht. Das Interessante daran: Es handelt sich dabei nicht wirklich um ein Getriebe, welches Gänge wechselt. Viel eher wird die klassische Handschaltung im E-Auto simuliert, um dem Fahrer das Gefühl zu geben, einen Wagen mit Schaltgetriebe zu fahren – inklusive Kupplungspedal und Schalthebel. Man mag sich fragen: Warum?, und findet die Antwort am schnellsten in einem Auto mit Schaltgetriebe.
Einer der Hersteller, welche dem Handschaltgetriebe noch treu bleiben wollen, ist Porsche. Im Gegensatz zu den meisten anderen Sportwagen wird der 911 weiterhin mit manuellem Getriebe angeboten. Im Fall des 911 GT3 mit Touring-Paket handelt es sich um eine präzise zu bedienende 6-Gang-Schaltung. Im Vergleich zur Version mit Doppelkupplungsautomatik dauert der Sprint auf 100 km/h 0,5 Sekunden länger (3,9 statt 3,4 Sekunden). Der Verbrauch bleibt mit 12,9 l/100 km laut WLTP gleich hoch, und auf das elektronisch geregelte Sperrdifferenzial an der Hinterachse muss man verzichten; stattdessen kommt eine simplere mechanische Sperre zum Einsatz. Den Fakten zufolge gibt es also keinen Grund, die Schaltarbeit selbst zu übernehmen. Doch gerade in Kombination mit dem einzigartigen Saugmotor mit 4 Litern Hubraum in der sportlichsten 911er-Version, der Drehzahlen von bis zu 9000 Umdrehungen verkraftet, schafft die Schaltung eine zusätzliche Verbindung zwischen Fahrer und Auto. Der Fahrer wird mehr gefordert – und ist in keinem Moment versucht, sich von Smartphone, Radio oder sonstigen Störfaktoren ablenken zu lassen. Zum bewussteren Fahren gehört nun auch das Koordinieren der richtigen Drehzahl, um gleichermassen effizient und agil unterwegs zu sein. Trotz Hochdrehzahl-Konzept nimmt der Motor schon ab gut 1500 Umdrehungen sauber Gas an und beschleunigt gleichmässig – womit man auch problemlos schaltfaul und spritsparender dahinrollen kann. Der vom Werk angegebene Verbrauch lässt sich immerhin locker um 3 Liter unterbieten. Und das Fahren im 911 mit Schaltgetriebe kommt der Idee, welche Toyota nun patentieren liess, in gewisser Weise nahe: Schalten nur dann, wenn man es auch will, zum Beispiel auf einer Passstrasse, oder auch auf einer Rennstrecke. Nur gibt es beim echten Handschalter keinen Plan B auf Knopfdruck. Wer materialschonend und geschmeidig unterwegs sein will, sollte das Handwerk beherrschen. Doch wie man schon in der Fahrschule lernte: Übung macht auch hier den Meister.
Philipp Aeberli