Kampf gegen Vorurteile
Oberklasse-SUV sind gediegen, geräumig und komfortabel. Aber eben auch gross, durstig und schwerfällig: Als Plug-in-Hybrid versucht der BMW X5 gegen die gängigen Vorurteile anzukämpfen. Mit Erfolg? Das klärt der Test.
SUV im Oberklasse-Format spalten die Gemüter: Für die einen sind sie übertrieben gross, sinnlos und schlichtweg nicht mehr zeitgemäss. Für andere wiederum, die ein solches Auto fahren, sind sie die bequemste Form des Reisens und dank Allradantrieb, grosser Anhängelast und genügend Platz für jede Situation das richtige Auto. Ob man so ein Fahrzeug braucht oder nicht – das rechtfertigen schliesslich die Umstände. Fakt ist jedoch: Ein hoher Spritverbrauch ist in der heutigen Zeit schwer zu rechtfertigen; vor allem auch für die Autohersteller. Die müssen den Verbrauch ihrer verkauften Fahrzeuge tief halten, ansonsten drohen hohe Strafzahlungen an den Staat.
Eine «Brückentechnologie»
Einen kompletten Wechsel auf reine E-Autos können und wollen die meisten Hersteller noch nicht wagen. Zu viele Kunden wären dafür wohl noch nicht bereit. Plug-in-Hybride haben sich daher zur idealen «Brückentechnologie» entwickelt. Sie kombinieren einen Elektroantrieb für kürzere Strecken mit einem konventionellen Verbrennungsmotor und wollen so das Beste aus beiden Welten bieten. Deutlich tieferen Verbrauch – und damit auch deutlich geringere CO2-Emissionen – und trotzdem die volle Flexibilität für lange Strecken, wie wir sie vom Benzin- oder Dieselantrieb kennen.
BMW hat diese Antriebskombination schon länger im Angebot; mit der neuesten Generation, wie sie nun im aktuellen X5 zum Einsatz kommt, haben die Bayern das System weiter optimiert und bisherige Schwächen ausgemerzt. Und zwar auf beiden Seiten: Beim Verbrennungsantrieb und beim E-Antrieb. Das macht den Grossen tatsächlich zur interessanten Elektroauto-Alternative, wie der Alltagstest zeigt.
Strom ist Pflicht
Wer darüber nachdenkt, sich ein PHEV (Plug-in-Hybrid Electric Vehicle) anzuschaffen, sollte auf jeden Fall die Möglichkeit haben, den Akku regelmässig zu laden. Sei es zu Hause oder am Arbeitsplatz. Der Fortschritt der Technik zeigt sich bei den Stecker-Hybriden an immer grösserer rein elektrischer Reichweite. Waren es bei den ersten Modellen vielleicht 30 Kilometer nach Werk und in der Realität oft deutlich weniger, steht inzwischen deutlich mehr Strom zur Verfügung: 20,9 kWh nutzbare Akkukapazität sorgen für 87 Kilometer E-Reichweite laut WLTP-Normmessung. Im Test, schon auf verbrauchssteigernden Winterreifen, waren es mindestens 65 Kilometer. Das reicht schon für viele Alltagsfahrten locker aus, zumal der X5 mit bis zu 135 km/h stromern kann und die E-Maschine mit 113 PS genügend Kraft hat, um den mehr als 2,5 Tonnen schweren SUV im Verkehr mitschwimmen zu lassen.
BMW hat sich aber auch der Verbrenner-Seite angenommen. Im Gegensatz zum Vorgänger, der mit einem für diese Klasse nicht wirklich passenden Vierzylindermotor ausgestattet war, ist nun ein BMW-typischer Reihensechszylinder mit Turboaufladung und 286 PS unter der Haube. Der arbeitet kultiviert und geräuscharm, sodass er auch nicht negativ auffällt, wenn er unterstützen muss, weil der Akku leer ist.
Arbeiten beide Antriebe zusammen, geht es dank 394 PS Systemleistung zügig voran. Viel interessanter ist es aber, den komplexen Antrieb beim Spritsparen zu beobachten: Die Elektronik entscheidet bei aktiver Navi-Zielführung selbstständig, ob gerade mit Benzin oder Strom gefahren wird, um den Verbrauch so tief wie möglich zu halten. Im Test kam der X5 schliesslich auf einen Durchschnittsverbrauch von 4,7 l/100 km, da auch eine Langstrecke über 400 Kilometer ohne Lademöglichkeit gefahren wurde. Zu Hause durfte sich das grosse SUV immer fleissig an der Steckdose bedienen; von insgesamt 1100 Kilometern hat der Hybrid mehr als 600 rein elektrisch zurückgelegt. Wer viele Kurzstrecken fährt, dürfte auch den angegebenen Werksverbrauch von 1,7 l/100 km erreichen oder unterbieten. Allerdings braucht man dazu eine Lademöglichkeit – und mindestens 98 700 Franken, um sich den BMW X5 45e xDrive zu kaufen.
Philipp Aeberli