Hoffnungsträger in attraktivem Kleid
Mit dem Tonale hat nun auch Alfa Romeo einen kompakten SUV im Angebot – und der ist dringend nötig, um die Verkaufszahlen anzukurbeln. Erste Testfahrt im nun erhältlichen Benziner.
Während vor allem die deutschen Konzerne ihr Modellportfolio immer weiter ausbauen und mit immer neuen Varianten und Weiterentwicklungen auf Kundenfang gehen, setzt Alfa Romeo auf Konstanz. Nach der Limousine Giulia (2016) und dem SUV Stelvio (2017), welche sich eine Fahrzeugplattform teilen, gab es keine Neuheiten mehr. Das ist nicht nur Strategie, sondern liegt auch an den Voraussetzungen: Es fehlt an Budget. Das zeigt sich auch, wenn es um wichtige, aber kostenintensive Themen wie alternative Antriebe, Konnektivität und Fahrerassistenz geht. Um zu entwickeln, muss Alfa Romeo Geld verdienen. Und das geht nur über mehr Verkäufe. Diese sind aber in den letzten Jahren markant gesunken: Setzten die Italiener 2001 noch mehr als 200 000 Autos in Europa ab, waren es 2021 noch 25 964. Das ist ungefähr so viel, wie VW allein in der Schweiz verkaufte. Alfa Romeo braucht dringend ein Volumenmodell – was gleichbedeutend ist mit einem kompakten SUV. Der wurde 2019 als Tonale Concept auf dem Genfer Automobilsalon in Aussicht gestellt und im Februar 2022 als Serienversion präsentiert. Nun rollen die ersten Exemplare zu den Kunden – zuerst mit Benzin-Mildhybrid. Die interessantere Plug-in-Hybrid-Version, ein Novum für die Marke, samt Allradantrieb und 275 PS lässt noch bis im Spätsommer auf sich warten. Rund 60 km sollen damit elektrisch möglich sein. Eine Version mit reinem E-Antrieb, wie sie die wichtigsten Konkurrenten BMW und Mercedes mit iX1 und EQA anbieten, ist nicht geplant.
Frisches Design auf bekannter Basis
Das Design zitiert die Markenhistorie geschickt. So sind die Felgen im Fünf-Loch-Design genauso im Angebot wie der trapezförmige Kühlergrill. Auch im Innenraum wird die Vergangenheit zitiert: Erstmals ist die Tacho-Einheit digital, sie zeigt aber auf Wunsch klassische Rundinstrumente, wie man sie in den frühen Giulietta-Modellen vorfand. Beim Design überzeugt der Tonale auf Anhieb. Etwas schwieriger wird es bei der Technik. Hier können die deutschen Konkurrenten dank ausgeklügelter Plattformstrategie und Skaleneffekten auf deutlich mehr Ressourcen zurückgreifen, während man in Turin mit einfacheren Mitteln auskommen muss. Zwar ist Alfa Romeo als Teil der Stellantis-Gruppe in einen grossen Konzern eingebettet, doch die neuen Plattformen der Gruppe stehen frühestens ab 2023 bereit. Der Tonale basiert noch auf der SCCS-Plattform aus der FCA-Zeit, wie sie schon der Jeep Compass ab 2007 nutzte. Ein Nachteil, der sich bei der Integration von E-Antrieben zeigt, aber auch bei Gewicht, Fahrassistenz und fehlenden Details, wie einem Head-up-Display. Natürlich hat man sich Mühe gegeben, die Plattform zu modifizieren. So bietet der Tonale eine vernünftige Auswahl an Fahrassistenzsystemen wie eine Notbremsfunktion, einen Stauassistenten oder einen adaptiven Tempomaten samt aktiver Spurführung. Das Infotainment wurde neu aufgebaut und bietet übersichtliche Menüführung und flüssige Bedienung sowie die Möglichkeit für Over-the-Air-Updates. Materialanmutung und Verarbeitung im hübsch gestalteten Innenraum wirken nicht überragend, aber dem Einstandspreis von 41 900 Franken absolut angemessen. Überraschend gut ist dafür das Raumangebot, sowohl auf den Rücksitzen wie auch im Kofferraum (500 bis 1550 Liter). Zum Marktstart bietet Alfa Romeo einen 1,5-Liter-Benziner in zwei Leistungsstufen an, jeweils mit Vorderradantrieb und Doppelkupplungsgetriebe. Um den 1600 kg schweren SUV in Fahrt zu bringen, ist die stärkere Version mit 160 PS dem 130-PS-Motor auf jeden Fall vorzuziehen, auch wenn die direkt übersetzte, aber etwas gefühllose Lenkung für angenehme Handlichkeit sorgt. Das Fahrwerk bleibt auf der sanften Seite und federt Unebenheiten angenehm weg – so zumindest der erste Eindruck nach einer kurzen Testfahrt auf dem Testgelände des Herstellers. Ob der Tonale auch auf Schweizer Strassen funktioniert, muss er bei einem ausführlicheren Test beweisen. Vor allem aber muss er Geld verdienen, um die Marke voranzubringen. Philipp Aeberli