Fahrzeug oder Spielzeug?
Der Honda e hatte die Sympathien von Beginn an auf seiner Seite: Der niedliche Kleinwagen mit E-Antrieb erntete bei seinen ersten Messeauftritten viel Lob für das gelungene Design. Kann er auch auf der Strasse überzeugen?
Das Design ist oftmals ein entscheidender Faktor beim Autokauf. Hat man sich erst einmal in die Optik eines Modells verliebt, verkommen andere Argumente gerne zur Nebensache.
Der Honda e überzeugte vom ersten Augenblick an, wenn es um die Optik geht. Eine seriennahe Studie debütierte 2017 auf der IAA in Frankfurt – und begeisterte mit seinem niedlichen Retro-Design, das an den ersten Civic von 1972 erinnert. Die Freude war entsprechend gross, als Honda den «e» 2019 in der Serienversion präsentierte – ohne grosse Veränderungen. Sogar die kamerabasierten Aussenspiegel und das Interieur mit drei grossen Displays haben es in die Serie geschafft. Nun steht der kleine Elektro-Honda mit Kultpotenzial bei den Händlern und muss beweisen, dass er mehr kann, als nur mit seinem Äusseren zu verführen.
Zu Hause in der Stadt
Als Haupteinsatzgebiet für den kleinen Flitzer sieht Honda die Stadt. Hier überzeugt er auf jeden Fall mit seinen knappen Abmessungen: Der Vierplätzer ist nur 3,89 Meter lang, 1,75 Meter breit und hat einen Wendekreisradius von lediglich 4 Metern. Damit passt er in jede Parklücke und schlängelt sich auch problemlos durch enge Gassen. Auch, weil Honda konventionelle Aussenspiegel durch kleine Kameras ersetzt hat. Das spart ein paar Zentimeter Breite – und funktioniert hier deutlich besser als im Audi e-tron. Die Kameraspiegel des Hondas vermitteln ein gutes Gefühl für Distanzen und erfordern keine grosse Eingewöhnung.
Etwas Routine verlangt dafür die Bedienung. Das Infotainment-System mit einem grossen Tacho-Display und zwei Breitbild-Touchscreens, die sich über das komplette Armaturenbrett ausbreiten, wirkt auf den ersten Blick hochmodern. Doch: Die Software, die darauf dargestellt wird, wirkt längst nicht so futuristisch. Einige Funktionen sind umständlich in Menüs versteckt, der Touchscreen reagiert längst nicht so schnell, wie man es von Tablet und Smartphone kennt, und die Darstellung wirkt teilweise eher altbacken.
Dieser Eindruck passt auch zum Rest des Cockpits: Zwar bieten die grossen Monitore und die horizontale Holzeinlage auf dem Armaturenbrett einen sehr schönen ersten Eindruck, doch findet man viel Hartplastik, das sich eher billig anfühlt. In einem Kleinstwagen, der mindestens 39 900 Franken kostet (in der getesteten «Advance»-Version mit stärkerem Antrieb gar mindestens 43 600 Franken), erwartet man vielleicht etwas mehr Finesse. Mit seinem spritzigen Antrieb mit 154 PS und 315 Nm an der Hinterachse fühlt sich der kleine Japaner in der Stadt dafür sehr flott und wendig an. Auf Knopfdruck wird die Rekuperation verstärkt. So bremst der Wagen stark ab, wenn das Gas gelupft wird, und lässt sich mit nur einem Pedal fahren. Beim Verlangsamen wird so die Batterie geladen, statt dass die Bremse bemüht wird. Das senkt den Verbrauch und steigert die Reichweite – ein wichtiger Punkt bei diesem kleinen Stromer.
Mehr wäre mehr
Honda gibt für den «e» eine Reichweite von bis zu 282 Kilometern im Stadtzyklus an. Im gemischten Fahrprofil sollen es 211 Kilometer sein. In der Theorie ist das für ein kleines Stadtauto auch ausreichend. In der Praxis auf Winterreifen und bei Aussentemperaturen von um die fünf Grad sah es aber deutlich anders aus: Bei voll geladenem Akku verkündete der Bordcomputer 135 Kilometer Reichweite. Immerhin sind die Berechnungen des Computers akkurat, doch ist der Aktionsradius, vor allem gemessen am hohen Kaufpreis, schon sehr eingeschränkt. Vor allem erstaunt das, weil der Honda mit 35,5 kWh über eine ordentliche Batteriekapazität verfügt. Doch ist der Verbrauch mit 21 bis 26 kWh/100 km leider sehr hoch. Zum Vergleich: Ein deutlich grösserer und stärker motorisierter Tesla Model3 kommt unter ähnlichen Bedingungen mit 15 bis 19 kWh/100 km aus.
Philipp Aeberli