Eingepackte Autobahn

Nicht gegen, sondern für das Bypass-Projekt will sich Kriens einsetzen. Allerdings soll mit dem Bau des Autobahn-Grossprojektes nicht die alte städtebauliche Wunde vergrössert werden.

Der neue Krienser Stadtrat beim Ortstermin an der Arsenalstrasse über der A2 im März. Bild: PD

Die politische Konstellation ist historisch: In Kriens, wo die politischen Meinungen ansonsten traditionell heftig aufeinanderprallen, gibt es ein Thema, bei dem von Beginn an grosse Geschlossenheit herrschte: die Komplett-Einhausung der Autobahn parallel zur Realisierung des Grossprojektes Bypass. Mehrere Male erteilte das Krienser Stadtparlament dem Stadtrat einstimmig Aufträge, um sich für eine Verbesserung des Autobahn-Grossprojektes Bypass einzusetzen.

 

Projekt Bypass: Ja, aber …

Das Gesamtprojekt Bypass soll den Autotransitverkehr auf der Strecke zwischen Hamburg und Rom grossräumiger an Luzern vorbeiführen. In dessen Kern entsteht ein zweites Tunnelsystem zwischen der ehemaligen KVA Ibach und dem Sonnenberg-Südportal. Damit wird geschickt ein Flaschenhals im internationalen Transitverkehr beseitigt. Gleichzeitig schafft der Bypass im Reussport- und im bestehenden Sonnenbergtunnel Platz für den lokalen und regionalen Verkehr. Transit- und Regionalverkehr werden am Südportal des Sonnenbergtunnels wieder zusammengeführt. Es entsteht ein Grossbauwerk mit total acht Autobahnspuren mitten im Wohngebiet. Von dieser neu 70 Meter breiten Grosshofbrücke wird der Verkehr auf sechs Autobahnspuren weitergeführt.

 

Steine aus dem Weg räumen

«Kriens trägt die Last bezüglich Verkehr, Lärm und Abgasimmissionen als Standortgemeinde seit den Fünfzigerjahren», sagt die Krienser Stadtpräsidentin Christine Kaufmann-Wolf. «Und Kriens wird das auch weiterhin tun. Deshalb unterstützen wir auch die Ziele, die hinter der Bypass-Planung stehen.» Denn mehr Stabilität des Verkehrssystems führe zu mehr Zuverlässigkeit des gesamten Strassennetzes für alle Verkehrsteilnehmenden in der Stadt und der Agglomeration – «das nützt letztlich der Bevölkerung und dem Gewerbe der ganzen Zentralschweiz». Deshalb hat sich Kriens im gesamten Planungsprozess auch stets konstruktiv-kritisch eingebracht: «Unser Ziel ist es, der Bypass-Realisierung Steine aus dem Weg zu räumen.»

Der grösste Stein: In Kriens führt die Autobahn, die zu grossen Teilen dem Nord-Süd-Transitverkehr dient, offen über mehr als einen Kilometer durch dicht besiedeltes Gebiet – in der kantonalen Richtplanung als Entwicklungsschwerpunkt definiert. Ein eigentlich unhaltbarer Zustand, dürften sich doch die Verkehrszahlen dort bis ins Jahr 2030 auf 110 000 Fahrzeuge pro Tag im Vergleich zu heute fast verdoppelt haben. «Die Verkehrsströme und die Mobilitätsbedürfnisse haben sich seit dem Bau dieser Autobahn fundamental geändert», betont Kaufmann-Wolf. «Wenn nun jetzt ein solches Grossprojekt realisiert wird, muss man auch die Chance nutzen, die negativen Auswirkungen auf den Lebensraum entlang dieses Projektes zu minimieren.» Kriens befürchtet durch den Ausbau der Autobahn mehr Lärm, mehr Abgase und nicht zuletzt auch mehr Verkehr in den Quartieren. Dazu bringt die zehnjährige Bauzeit weitere Herausforderungen mit sich.

 

Stadtreparatur in Kriens

In der gesamten Projektentwicklung haben die Krienser Behörden mit Rückendeckung des Stadtparlamentes auf diese beiden Ziele hingewirkt: Kompletteindeckung (Einhausung) der Autobahn sowie maximale Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung während der Bauzeit. Der Bund als Auftraggeber kam mit einer ersten Anpassung des Projektes durch die Verlängerung des Tunnelportals bei den Grosshof-Brücken bereits ein Stück entgegen und anerkennt damit die Problematik. Jetzt fordert Kriens, dass die Autobahn zwischen Sonnenbergtunnel und den vor 20 Jahren bereits überdeckten Teilstücken unter den Schweighof-Quartieren bis zum Pilatusmarkt (Tunnels Schlund und Spier) komplett überdacht und «eingehaust» wird. Deshalb hat Kriens die Vision «Chance Bypass: oben Stadtpark – unten Autobahn» entwickelt. «Um es nochmals klarzumachen: Wir sind nicht gegen, sondern klar für den Bypass. Aber wir finden, dass man jetzt die Chance hat, mit dem Autobahnbau gleichzeitig ein Stück Lebensraum für die Menschen hier zu schaffen», ist Kaufmann-Wolf überzeugt.

Die Vision «Chance Bypass» dient als Denkansatz für die Weiterentwicklung des Bypass-Projektes. Und sie soll Grundlage sein für städtebauliche Überlegungen. Parallel dazu hat Kriens im laufenden Planauflageverfahren für den Autobahnbau eine formelle Einsprache eingereicht. Das Beschreiten dieses Rechtsweges hat weder die Verhinderung noch die Verzögerung der Projektumsetzung, sondern die Projektoptimierung zum Ziel. Damit lässt Christine Kaufmann-Wolf auch durchblicken, dass Kriens bereit ist für konstruktive Gespräche für eine regional verträgliche Lösung. 

 

Neue Köpfe – gleiches Ziel

Seit der formellen Abgabe der Einsprache ist in Kriens viel passiert. Der Stadtrat wurde nach den Gesamterneuerungswahlen komplett ausgetauscht: «Der neue Stadtrat steht voll und ganz hinter dem wichtigen Ziel, das Autobahnprojekt als Chance zur Stadtentwicklung zu nutzen», sagt Kaufmann-Wolf. Jetzt wolle man mit dem Planungsbericht auch das Parlament abholen. Das Parlament soll nun die Stossrichtung beraten und dem Stadtrat zuhanden der anstehenden Gespräche und der Verhandlungen auf der juristischen Ebene das Mandat erteilen. Das Stadtparlament gibt mit der Debatte über den Planungsbericht für dieses Engagement nun die Stossrichtung vor. Und das überparteiliche Komitee «Bypass – so nicht!», das sich aus dem Einwohnerrat herausgebildet hat, darf sich in 
seiner Stossrichtung bestätigt fühlen: Kriens ist nicht gegen den Bypass als Gesamtidee. Aber Kriens ist gegen ein reines Autobahn-Grossprojekt, das zu Lasten und damit gegen den Willen der Krienser Bevölkerung gebaut wird.

PD

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