Der Trekkingschuh unter den Autos
Der Land Rover Discovery wurde überarbeitet. Eines hat sich aber nicht geändert: Das grosse SUV ist ein Auto, das weit mehr kann, als man im Alltag braucht. Und genau deswegen ist er ein äusserst angenehmer Begleiter.
Mal angenommen, man dürfte nur ein paar Schuhe im Schrank haben: Für welches würde man sich entscheiden? Für einen Turnschuh, der zwar bequem ist, aber bei Regen oder Schnee schnell für kalte Füsse sorgt? Für einen eleganten Lackschuh, bei dem man zwar bei feierlichen Anlässen brilliert, im Alltag aber schnell den Halt verliert? Oder für luftige Sandalen, die zwar im Sommer perfekt kleiden, im Winter aber absolut nutzlos sind? Am praktikabelsten wäre wohl ein Trekkingschuh – ein echter Allrounder, der aber bei Bedarf auch richtig schmutzig werden darf. Ein Schuh, der für lange Wanderungen genauso taug wie für Gartenarbeit oder einen Ausflug in die Stadt.
Für praktisch alle Situationen
Überträgt man diese Eigenschaften auf ein Auto, so landet man vermutlich beim Land Rover Discovery. Der auf Wunsch siebensitzige Brite ist zwar ähnlich gross wie der Range Rover, aber weniger auf Luxus getrimmt, sondern eher auf Platz und Praktikabilität. Und deswegen gibt es im Alltag kaum eine Situation, welcher der «Disco» nicht gewachsen wäre. Klar, einen Parkplatz in der Stadt zu finden, gestaltet sich mit dem 4,96 Meter langen und 2,07 Meter breiten SUV schwieriger als mit einem Smart. Und auf kurvigen, engen Strassen ist nicht nur die Grösse, sondern auch das Gewicht von gut 2,3 Tonnen deutlich spürbar. Das ist aber interessanterweise weniger störend als viel mehr ein Teil des Gesamtpakets. Denn der grosse Land Rover ist ein hervorragender Gleiter – und gibt seinen Insassen regelrecht das Gefühl, in einer Burg zu sitzen – angenehm hoch auf bequemen Sitzen mit gutem Rundumblick dank grossen Scheiben. Das macht den Offroader, der dank höhenverstellbarer Luftfederung, Differenzialsperre und Geländeuntersetzung abseits befestigter Strassen weit mehr kann, als die meisten Mitbewerber, zum äusserst bequemen Reisebegleiter – auch für lange Autobahnetappen.
Der Innenraum wirkt zweckmässiger als in einem Range Rover, statt Leder gibt es weich gepolsterte Kunststoffflächen und Hartplastik hier und dort. Insgesamt wirkt aber passenderweise alles solide verarbeitet. Highlight ist das grosse Touchscreen-Navi der neuesten Generation, das mit grossem Bildschirm, scharfer Darstellung und einfacher Bedienung in der von Smartphones gewohnten Logik überzeugt.
Richtig in seinem Element ist der Discovery aber nicht auf Pendlerfahrten oder beim gemütlichen Dahingleiten, sondern dann, wenn er richtig anpacken kann. Der Kofferraum fasst selbst mit sieben Sitzplätzen noch 258 Liter; klappt man die hinterste Sitzreihe um, bleiben fünf Sitze und 1137 Liter Ladevolumen. Zum Vergleich: Ein VW Golf kommt mit umgeklappter Rückbank auf 1270 Liter, hat dann aber nur noch zwei Sitzplätze. Legt man alle Sitze um, wird der Discovery fast schon zum Kastenwagen; 2391 Liter Ladevolumen sind es dann.
Sollte selbst das nicht reichen, kann der Brite seine nächste grosse Stärke ausspielen: Elektrisch klappt die Anhängerkupplung aus. Über eine Taste im Kofferraum lässt das Auto Rücklichter, Blinker etc. aufleuchten – praktisch, um die Beleuchtung des Anhängers zu überprüfen. Ziehen darf das SUV maximal 3,5 Tonnen – das reicht nicht nur für Wohnwagen oder Pferdeanhänger, sondern auch für einen Boots- oder Autotransport. Die Assistenzsysteme helfen zudem nicht nur, den Anhänger auf Kurs zu halten, sondern auch beim Rangieren mit Hänger.
Sinnvoll oder nicht?
Für genügend Kraft sorgt im Testwagen ein neuer 3-Liter-Dieselmotor mit Mild-Hybrid-System. Er kommt auf 300 PS und 650 Nm. Laut Werk soll er 8,3 – 8,9 l/100 km verbrauchen. Im Test waren es schlussendlich 8,6 l/100 km, wobei sich der Verbrauch auf der Autobahn auch auf knapp unter 8 l/100 km drücken lässt. Ob das nun vernünftig ist oder nicht, hängt ganz davon ab, ob man die Talente des Discovery auch wirklich braucht – schliesslich ist ein Trekkingschuh auch nicht für jede Gelegenheit geeignet – aber eben für ziemlich viele.
Philipp Aeberli