Der Stoff der Zukunft?
Mit dem neuen Mirai will Toyota dem Brennstoffzellenantrieb aus dem Nischendasein heraushelfen. Die erste Testfahrt ist vielversprechend – sofern auch das Tankstellennetz weiterwächst.
Batterieelektrische Autos erfreuen sich wachsender Beliebtheit, was nicht nur am wachsenden Fahrzeugangebot, sondern auch an der immer besseren Ladeinfrastruktur liegt.
Beim Antrieb mit Wasserstoff sieht es noch deutlich anders aus: Hier stellt sich noch immer die Huhn-Ei-Frage. Ohne Angebot an Autos mit Wasserstoffantrieb werden auch die Verkaufszahlen nicht wachsen. Und solange noch zu wenige Autos mit Brennstoffzelle unterwegs sind, wird es auch nicht mehr Wasserstofftankstellen geben.
Doch nun gibt es an beiden Enden dieses Problems Besserung zu verzeichnen. Toyota bringt mit der zweiten Generation des Mirai ein überzeugendes Brennstoffzellenauto auf den Markt – und in Rothenburg wurde die sechste öffentliche Wasserstofftankstelle eröffnet.
Mit den ersten gewerblichen Nutzern, die Lastwagen mit Wasserstoff einsetzen, wird auch ein entsprechendes Tankstellennetz rentabel. Unter anderem setzen Galliker, Coop und Emmi auf die neue Technologie. Wasserstoff wird aus Strom und Wasser mittels Elektrolyse gewonnen – und dann mit bis zu 700 Bar in die Tanks der Fahrzeuge gepresst. Dort wird er in der Brennstoffzelle wieder zu Strom umgewandelt, womit ein E-Motor angetrieben wird. Als «Abgas» entsteht lediglich Wasserdampf. Durch die zweimalige Umwandlung wird zwar mehr Strom verbraucht als bei einem vergleichbaren batterieelektrischen Antrieb, doch der grosse Vorteil von Wasserstoff ist, dass die Energie in dieser Form gespeichert werden kann. So kann überschüssiger Strom aus Wind- oder Wasserkraft genutzt werden.
Rund 500 Kilometer Reichweite
In den Tank des neuen Toyota Mirai passen 5,6 Kilogramm Wasserstoff – laut Werk genug für 650 Kilometer Reichweite. Wie nahe die viertürige Limousine dieser Vorgabe kommt, muss sie auf einer ersten Testfahrt beweisen. Von Safenwil, Hauptsitz des Schweizer Importeurs, geht es via Zürich und Albispass nach Rothenburg. Eine abwechslungsreiche Strecke, auf welcher der Mirai vor allem durch seinen Fahrkomfort auffällt. Im Innenraum bleibt es auch auf der Autobahn angenehm ruhig, Lenkung und Fahrwerk sind konsequent auf bequemes Reisen ausgelegt. Dazu passt auch der elektrische Antrieb, der mit elektrotypisch gleichmässigem Durchzug punktet. Seine 174 PS treffen auf rund 1900 Kilogramm Leergewicht, womit die 4,98 Meter lange Limousine kein sportlicher Sprinter ist, für den Schweizer Strassenalltag aber ausreichend motorisiert wirkt.
Nach rund 120 Kilometern Testfahrt fehlt bei der neuen Agrola-Wasserstofftankstelle in Rothenburg gut ein Viertel Tankinhalt – wobei der Wagen beim Start nicht komplett voll getankt war. Die Tankanzeige mit Reichweitenprognose funktioniert durchaus akkurat. Ein wichtiger Punkt, solange die Tankstellen noch nicht an jeder Ecke zu finden sind. Mit einem Durchschnittsverbrauch von rund 1,1 kg/100 km sind um die 500 Kilometer Reichweite im Alltag möglich.
100 Kilometer für 1.40 Franken
1 Kilogramm Wasserstoff kostet derzeit 1.25 Franken – 100 Kilometer also weniger als 1.40 Franken. Zum Vergleich: Mit einem sparsamen Diesel (ca. 4,5 l/100 km) kosten 100 Kilometer mehr als 7 Franken. So spart man Geld, das man beim Kauf des Mirai investieren musste. Doch gemessen an Grösse, gebotenem Komfort und der modernen Technik, ist der Mirai keineswegs zu teuer – er startet bei 59 900 Franken. Das Tanken an sich ist so simpel wie mit konventionellen Treibstoffen. Der Zapfhahn wird am Auto verriegelt; nach einer Dichtigkeitsprüfung pumpt die Säule den Treibstoff mit Hochdruck in den Tank – genauso schnell wie beim Benziner. Gerade für Autofahrer, die sich aufgrund längerer Ladezeiten nicht mit batterieelektrischen Autos anfreunden können, ist der Wasserstoffantrieb also eine spannende Alternative – erst recht, wenn das Tankstellennetz weiterwächst: Neue Standorte in Bern und Geuensee sind in Planung.
Philipp Aeberli