Ausgereifter Erstling
Toyota hat lange gewartet und präsentiert nun mit dem bz4X sein erstes E-Auto. Das Erstlingswerk wirkt auf der ersten Testfahrt schon sehr ausgereift – und orientiert sich an den bekannten Stärken der Marke.
Als Toyota 1997 den Prius präsentierte, war das Fahren mit Strom noch kein Thema. Der Prius mit seinem Vollhybridsystem war ein echter Pionier. Seither hat sich einiges getan. Die Erkenntnis, dass der Strassenverkehr nachhaltiger werden muss, hat sich gefestigt – und einen Wandel angestossen. Für diesen Wandel hat man sich auf den batterieelektrischen Antrieb als Zukunftstechnologie geeinigt. Verbrennungsmotoren sollen nach einem Beschluss des EU-Parlaments ab 2035 nicht mehr verkauft werden, und der Antrieb mit Wasserstoff dürfte für den Individualverkehr zu komplex sein. Zwar hat Toyota mit dem Mirai bereits ein entsprechendes Auto im Angebot, doch fehlt es noch an Treibstoff und einer Infrastruktur. Das Angebot an Schnellladestationen hingegen wird grösser, und auch das Interesse an batterieelektrischen Autos wächst. Die Weiche scheint also gestellt zu sein – und kaum ein Hersteller kann es sich leisten, nicht auf den anrollenden Zug der E-Mobilität aufzuspringen. Deshalb bringt nun auch Toyota seinen ersten Stromer – und will bis 2035 in Westeuropa komplett CO2-neutral agieren.
Effizienz sorgt für Reichweite
Für den Stromer setzt Toyota auf eine komplett neue Plattform, welche auch bei der hauseigenen Premiummarke Lexus zum Einsatz kommt. Das bringt deutlich bessere Voraussetzungen als die Nutzung der Grundarchitektur eines Modells mit Verbrennungsmotor. Der Akku kann flach im Unterboden verbaut werden – und hat dort dank 2,85 Meter langem Radstand reichlich Platz. Er speichert 71,4 kWh, was in den Varianten mit Frontantrieb bis zu 516 km Reichweite bringt, mit Allradantrieb sind es 470 km (WLTP). Besonderen Wert will Toyota bei der Entwicklung auf die Effizienz gelegt haben; mit einem Normverbrauch von 14,3 kWh/100 km gehört der Fronttriebler tatsächlich zu den Effizientesten seiner Klasse. Für die Allradvarianten gibt Toyota 15,9 kWh/100 km an. Bei den ersten Testfahrten über Land, durch die Stadt und auf der Autobahn blieb die Verbrauchsanzeige dann bei 17,1 kWh/100 km stehen, womit weiterhin rund 400 Kilometer bei vollem Akku möglich wären.
Damit ist der E-Toyota auf jeden Fall alltags- und auch reisetauglich; an einer Schnellladestation mit 150 kW soll der Akku nach 30 Minuten wieder zu 80 Prozent voll sein. Erfreulich ist, dass die Anzeige für die verfügbare Reichweite gut funktioniert. Sie rechnet eher konservativ, muss sich daher kaum nach unten korrigieren und wirkt verlässlich. Das ist allerdings auch notwendig, denn auf weitere Hilfe in Form einer automatisierten Routenplanung mit passenden Ladestopps verzichtet Toyota vorerst leider noch. Hierzu muss man auf Smartphone-Apps zurückgreifen, die sich über Apple CarPlay oder Android Auto nutzen lassen.
Viel Qualität zum fairen Preis
Ansonsten gelingt Toyota mit dem ersten Stromer aber ein Auto, das sehr ausgereift wirkt. Der bz4X überzeugt mit guter Schallisolierung und sehr gutem Federungskomfort. Auch der Sitzkomfort ist grundsätzlich gut. Nur etwas mehr Einstellbereich für das Lenkrad wäre, je nach Körpergrösse, wünschenswert. Das kleine Lenkrad liegt gut in der Hand, versperrt aber teilweise die Sicht auf das Tacho-Display. Zudem würde eine direktere Lenkübersetzung besser zum kleinen Lenker passen.
Solche Details können den positiven Gesamteindruck aber kaum trüben. Der bz4X schafft es, trotz für die Marke komplett neuem Antriebskonzept, die typischen Markenwerte gut zu verkörpern. Er wirkt solide und wirft keine Fragen auf. Über die legendäre Zuverlässigkeit lassen sich noch keine Prognosen abgeben. Doch dass Toyota garantiert, dass die Batterie nach zehn Jahren oder einer Million Kilometern noch mindestens 70 Prozent Kapazität haben soll, stimmt zuversichtlich. Typisch Toyota soll auch das Preis-Leistungs-Verhältnis sein. Den bz4X, der sich mit einer Länge von 4,69 Metern etwas oberhalb des Toyota RAV4 einordnet, gibt’s ab 49 400 Franken. Die Allrad-Version ist ab 56 400 Franken zu haben.
Philipp Aeberli