«Zeichnen ist für mich wie Meditation»

Der kosovarische Künstler Jakup Ferri stellt am Fumetto-Comic-Festival seine Werke erstmals in der Schweiz aus. Das Publikum erwartet eine farbenfrohe Bildwelt voller Geschichten, dargestellt auf Zeichnungen, Gemälden, Teppichen und Stickereien.

Jakup Ferri stellt während des Fumetto im Kunstmuseum aus und hält dort, gemeinsam mit seinem Sohn, auch einen Workshop für Kinder ab. Bild: Ferdi Limani

Jakup Ferri, sind Sie zum ersten Mal in Luzern?

Nein, es ist mein zweites Mal. Ich war bereits im November einmal hier, um das Kunstmuseum zu besichtigen, wo nun meine Ausstellung während des Fumetto stattfindet.

Wie ist Ihr zweiter Eindruck von der Stadt?

Es ist ein sehr schöner Ort, um als Künstler hier zu leben. Luzern erscheint mir so ruhig und relaxt. Und die frische Luft hier ist einfach wunderbar.

Ihre Zeichnungen sind bunt und voller verschiedener Geschöpfe. Menschen, Tiere und Mischwesen machen Gymnastik, fahren mit dem Velo oder sausen auf dem Rollbrett durch die Bilder. Wie kommen Sie auf solche Ideen?

Wenn ich zeichne oder neue Ideen kreiere, ist das für mich wie eine Art Meditation. Ich probiere dabei, alles zu vergessen und mich nicht an äusseren Bildern zu orientieren. Manchmal zeichne ich auch Dinge, bevor ich ihnen begegnet bin. Noch bevor ich wusste, dass ich Vater werde, habe ich zum Beispiel plötzlich angefangen, Kinder zu zeichnen. Inspiration erhalte ich von überall her. Früher bin ich auch viel gereist, unter anderem nach Afrika und Haiti. Diese Trips haben mich auch sehr inspiriert.

Wie haben Sie Ihre Liebe zur Kunst entdeckt?

Mein Vater war Maler. Dadurch wuchs ich in einem Umfeld auf, in dem Kunst allgegenwärtig war. Überall in der Wohnung hingen Kunstwerke, und auch der Freundeskreis meines Vaters bestand aus vielen Künstlern und Poeten.

Sie wollten also in seine Fussstapfen treten?

Als ich 14 Jahre alt war, machte ich mir eines Tages plötzlich grosse Sorgen um meine Zukunft. Ich machte mir selbst den Druck, mich innert weniger Minuten entscheiden zu müssen, was ich später beruflich machen will. Ich schaute in diesem Moment ein Gemälde meines Vaters an und entscheid mich kurzerhand, dass ich auch Maler werden will (lacht).

Wie ist es dann weitergegangen?

Mit dem Material meines Vaters habe ich angefangen zu zeichnen. Ich habe es aber immer heimlich gemacht und meine Werke vor ihm versteckt. Als ich eine Freundin hatte, habe ich dann kurzzeitig mein Interesse an der Kunst wieder verloren und wollte zwischenzeitlich auch noch Sänger werden (lacht). Schlussendlich entschied ich mich dann aber für ein Kunststudium.

Sie sind im Kosovo aufgewachsen. Welche Möglichkeiten hatten Sie da als Künstler?

Grundsätzlich hatten wir sehr schlechte Bedingungen. Es gab keine Kunstmuseen im Kosovo. Deshalb habe ich immer von Paris geträumt. Auch Comics oder Kinderbücher hatten wir keine, die mich hätten inspirieren können. Als dann einmal Harald Szeemann, ein Schweizer Kurator, in den Kosovo kam, war das für mich das Grösste. Der Wille war immer gross, einmal wegzugehen.

Und das haben Sie geschafft?

Ja, ich bin später in den Westen gekommen, und mein Weg als Künstler hat seinen Lauf genommen. Heute lebe ich in den Niederlanden und im Kosovo und reise zwischen diesen beiden Orten hin und her.

Was wollen Sie mit Ihren lebendigen Bildwelten beim Publikum auslösen?

Ich habe keine Mission oder einen Plan; ich will mich selbst begeistern. Für viele Dinge habe ich eine gewisse Sensitivität. Tiere sind mir zum Beispiel sehr wichtig. Ich esse kein Fleisch, und es gab eine Phase, da habe ich mich nicht mal auf einen Lederstuhl gesetzt (lacht). Ich könnte auch keinem Insekt etwas zuleide tun. Solche Geschöpfe tauchen in meinen Zeichnungen immer wieder auf. Nicht weil ich damit etwas mitteilen will, sondern weil ich das bin und das automatisch so entsteht.

Wann ist ein Kunstwerk für Sie ein gutes Kunstwerk?

Ich weiss sofort, wenn mich ein Kunstwerk interessiert. Du trainierst deine ­Augen dafür. Art brut, also Kunst von Laien und Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung, gefällt mir zum Beispiel sehr gut. Diese Menschen kennen keine Kunst aus Museen – sie machen einfach das, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Ich mag es, wenn die Dinge so roh, individuell und einzigartig sind.

Aus Ihren Zeichnungen stellen Sie ja auch Teppiche und Stickereien her. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Ich habe an meinen Ausstellungen gemerkt, dass es mir nicht reicht, einfach die Wände mit Zeichnungen zu behängen. Es hat mir etwas gefehlt. Beim Reisen bin ich in Albanien dann zufällig auf Märkte gestossen, wo viele alte Textilien und Teppiche verkauft wurden. Ich war begeistert davon und bin immer wieder dorthin gereist, um mich mit weiteren Antiquitäten einzudecken. Dabei habe ich Kontakt zu den Frauen aufgebaut, die dort am Markt jeweils neue Teppiche gewebt haben.

Und da ist Ihnen die Idee gekommen?

Ja, ich habe ihnen probehalber den Auftrag gegeben, eine meiner Zeichnungen als Teppich zu weben. Ich war vom Ergebnis begeistert und fasziniert davon, dass aus einer kleinen Zeichnung so ein grosses Objekt entstehen kann. So ist schliesslich eine ganze Kollektion entstanden.

Ist es richtig, dass ihr Sohn bei dieser Kollektion auch mitgewirkt hat?

Ja, als er neun Jahre alt war, hat er gerne das Videospiel «Animal Crossing» gespielt. Da kann man zum Spielbeginn seine eigenen Hüte und T-Shirts kreieren. Per Zufall habe ich ihm beim Spielen zugeschaut und seine Designs entdeckt. Ich fand sie grossartig und habe aus seinen Mustern auch Teppiche produzieren lassen. Am Sonntag werden wir im Kunstmuseum gemeinsam einen Kinderworkshop geben, an dem mein Sohn zeigt, wie er seine Muster mit dem Spiel kreiert hat.

Will er nun auch Künstler werden?

Nein, zum Glück nicht (lacht). Ich wünsche ihm diesen harten Weg nicht. Er findet es zwar cool zu reisen, aber Kunst an sich reizt ihn nicht.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Ich möchte meine Kollektion gerne noch an anderen Orten ausstellen. Ich verkaufe meine Werke nicht gerne, weil die einzelnen Teile zusammengehören und ich sie als Ganzes in vielen weiteren Städten zeigen möchte. Und ein Museum im ­Kosovo würde ich auch gerne mal eröffnen. Aber dafür bin ich laut meiner ­Galeristin jetzt noch zu jung (lacht).

Interview Anna Meyer

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