«Wir bauen keinen Pausenplatz»

2,45 Millionen Franken werden in den Architekturwettbewerb gesteckt, der das neue Haus an der Reuss definieren soll. Man erwartet rund 80 Eingaben.

«Wir verstehen uns jetzt besser», sagt Birgit Aufterbeck (r.) zur Zusammenarbeit in der Projektierungsgesellschaft neben Marcel Schwerzmann (l.) und Beat Züsli. Bild: ahy

Wir sind jetzt in der Theater-Sommerpause, im neuen Haus würden wir jetzt spielen.» Birgit Aufterbeck Sieber, Präsidentin der Stiftung Luzerner Theater und Mitglied der Projektierungsgesellschaft, nahm im ersten Satz der Medienkonferenz vom letzten Freitag keine Umschweife. Beim neuen Luzerner Theater geht es nicht nur um ein neues Gebäude, sondern auch um neue Ideen im Konzept, in der künstlerischen Ausrichtung, in der Ausstrahlung und – eben – der Spielzeit.

Als erstes Theater der Schweiz soll Luzern ganzjährig produzieren mit einem spezifisch touristisch ausgerichteten Programm im Hochsommer. Ein Alpjodel-Musical dürfte dabei kaum eine Option darstellen, man darf also gespannt sein. Birgit Aufterbeck verlas die Wunschliste an die in den Startlöchern harrenden, potenziellen Architekten. 600 Plätze soll der grosse Saal bieten, 300 der kleine, dazu ein 150-plätziges Studio. Das Foyer soll Treffpunkt der Theatergäste und der restlichen Bevölkerung sein. Die Gastronomie ist ein Schwerpunkt, das Restaurant soll immer offen sein. Im Fahrwasser des KKL soll auch die Akustik des grossen Saales «gigantisch sein». «Wir wagen den Griff in die Sterne», proklamiert Birgit Aufterbeck.

Wenn es zur Volksabstimmung über das neue Theater kommt, muss die Präsidentin die Ja-Kampagne anführen. Ihre Begeisterung lässt alle Probleme irrelevant erscheinen, die auftauchen könnten. 

 

Ein Neubau, basta!

Dass auf dem Weg zur Eröffnungsfeier noch gröbere Steine liegen, weiss Stadtpräsident Beat Züsli. Nebst lokalen Kritikern gehört die eidgenössische Kommission für Denkmalpflege zu den möglichen Spielverderbern. Sie will einen «ortsverträglichen Erweiterungsbau» unter Erhaltung des bisherigen Hauses. Keine Option für den Stadtrat und die Projektierungsgesellschaft. Das könnte ein Verfahren nach sich ziehen. Ein Neubau muss es für die Verantwortlichen sein, basta! Dessen Ausgestaltung wird mittels eines zweistufigen, anonymisierten Architekturwettbewerbes definiert. In der ersten Runde, in der der Stadtpräsident mit rund 80 Projekten rechnet, geht es vorab um städtebauliche Ideen. Den zweiten Gang und damit die Ausgestaltung der Details bestreiten noch 10 bis 12 Projekte. Im Winter 2022/2023 soll der Sieger feststehen. 23 Expertinnen und Experten sind bis anhin bestimmt, Meinungen zu den Projekten abzugeben – «die Liste ist nicht abschliessend», heisst es. Schlussendlich bestimmen ein Fach- und ein Sachpreisgericht, weitere 21 Namen, über das Schicksal der Eingaben. Angesichts dieser Zahlen relativieren sich die fast 600 000 Franken, die allein für Entschädigungen und Honorare bereitgestellt werden sollen. «Wir bauen ja keinen Pausenplatz», sagt David Keller, Geschäftsführer der Arthur-Waser-Stiftung, die eine Million Franken an den Architekturwettbewerb beisteuert. «Wenn Sie einen Architekten, eine Architektin kennen, sagen Sie der Person, sie soll mitmachen», ergänzte der Mäzenvertreter. Man will nicht nur internationale, sondern auch regionale Kreative für den Wettbewerb motivieren. Ein im Bereich Architektur spezialisierter Journalist raunte aber dazu: «Um so eine Eingabe vorab finanzieren zu können, musst du ein ganz Grosser sein.»

 

Stockender Atem

Das neue Theater an der Reuss darf dem Kanton Luzern nicht ungebührlich das Budget belasten, das hörte man zwischen den Zeilen in den Ausführungen von (Neu-)Regierungspräsident Marcel Schwerzmann. Das neue, kantonale Kulturförderungsgesetz, das 60 Prozent der Betriebsbeiträge zu Lasten des Kantons und 40 Prozent zu Lasten der Stadt formuliert, gibt den Rahmen dafür. War dies einmal gesagt, konnte auch Schwerzmann Lob zum neuen Haus aussprechen, das ein «kulturelles Zusammenrücken» zwischen Stadt und Kanton ermöglichen werde.

An der Medienorientierung waren auch die Vertreter der kulturellen Pole der Projektierungsgesellschaft anwesend. Michael Haefliger, Intendant des Lucerne Festival, und Manuel Kühne, Delegierter von t.Zentralschweiz, der freien Szene also. Haefliger sprach von den «mutigen Visionen», die das neue Haus ermöglichen werde, und erwähnte dabei die Elbphilharmonie in Hamburg. Ab diesem Vergleich stockte einigen im Saal der Atem angesichts der geradezu surrealen Kostenüberschreitungen, die die Hanse-Stadt sich mit diesem Haus eingefangen hat. Da sind die Ansprüche von Manuel Kühne bescheidener. Sein Zitat, «wilder Haufen» – damit ist die freie Szene gemeint – stehe dem Projekt grundsätzlich positiv gegenüber. Man wünsche, auf Augenhöhe mitdiskutieren zu können. Über die Art der Zusammenarbeit sei man sich aber noch nicht im Klaren. Zumindest in der Projektierungsgesellschaft scheint die Zusammenarbeit eine Entwicklung durchgemacht zu haben. Charmant-verschmitzt sagte dazu Birgit Aufterbeck: «Wir verstehen uns jetzt besser.» Bei so einem komplexen und mit Emotionen behafteten Projekt ist das doch schon ein wichtiger Schritt in Richtung rauschender Eröffnungsparty.

Andréas Härry

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