«Will mit meiner Musik nicht in eine Schublade gesteckt werden»

Die Wahlluzernerin Rahel Giger steht vor ihrer ersten Plattentaufe: Am 4. November tritt sie im Neubad auf und stellt gleichzeitig das zum Album «La Pluma» gehörende Buch vor.

Rahel Giger präsentiert am 4. November ein neues Album und ein neues Buch. Bild: Christa Engstler

Rahel Giger, man kennt Sie aus dem Radio, bei SRF 3 haben Sie jahrelang «World Music Special» moderiert und heute unter anderem die samstägliche Alltagsphilosophie-Sendung «Giigets?», auch machen Sie Musik. Nun bringen Sie Ihr erstes Buch heraus. Sprechen, Singen, Schreiben — was war zuerst?

Gute Frage. Die Musik kam extrem früh. Aber auch das Sprechen, Radio zu spielen. Am meisten präsent während meiner Kindheit war aber schon die Musik.

In welchem Alter etwa?

Sobald ich Lust auf ein Instrument und Gesang und den entsprechenden Unterricht hatte, musste ich das auch umsetzen. Eine Kindheit ohne Musik wäre für mich nicht vorstellbar gewesen.

Und doch sind Sie Radiomoderatorin geworden ...

Erst später. Zuerst habe ich als Lehrerin gearbeitet, und zwar gerade deswegen, weil ich dort Beruf und Musik kombinieren konnte. Ich hatte aber auch eine Band in Graubünden, wo ich aufgewachsen bin. Als Band wurden wir oftmals zu Radiointerviews eingeladen. Und das fand ich damals sehr spannend, was die so tun: neugierig sein, Geschichten erzählen, nachzufragen. Da dachte ich, dass dies eigentlich auch noch etwas für mich wäre.

Nun bringen Sie als Musikerin Ihr erstes ­Album heraus — und gleichzeitig ein Buch. War von Anfang an klar, dass es bei Ihnen diese Kombination geben würde?

Klar war für mich, dass ich meiner Leidenschaft folgen muss. Und dann hat sich das eine nach dem andern ergeben. Das Leben ist viel zu kurz, man hat keine Zeit für ein Parallelleben, und ich hatte gemerkt, dass es so viel in mir gibt, was ich ausdrücken möchte, und dass ich auch schreiben möchte. Zu schreiben habe ich unglaublich genossen. Album und Buch sind inhaltlich auch zusammenhängend. Man kann die Musik hören und gleichzeitig in die Texte des Buches eintauchen. Man kann aber auch nur die Musik hören. Oder nur lesen. Wenn man sich aber auf Musik und Texte einlässt, findet man sich immer wieder darin.

Haben Sie ein Beispiel?

In der Geschichte taucht eine Frau in ihr Leben, denkt über Verlust nach und den Sinn des Lebens, über die prägenden Figuren in ihrem Leben — wie ihre Grosseltern. Auf dem Album gibt es auch ein Lied, in dem die Grossmütter «besungen» werden, mit dem aufgezeigt wird, dass es viel zu wenig Lob für diese Art der Weiblichkeit gibt – eine Weiblichkeit, die in unserer ­Gesellschaft sehr viel bewirkt, dies aber im Stillen tut.

Sie sprechen diese Frau an, die in Ihrem Buch die zentrale Rolle spielt. Wie sind Sie auf diese Figur gekommen?

Natürlich hat es viel von eigenen Erfahrungswerten darin, aber die Entstehung dieser Figur ist in mir drin einfach passiert. Ich gehe nicht an Projekte und habe ein Konzept – meine Geschichten passieren. Aber mir ist die Weiblichkeit wichtig, weil diese heutzutage noch immer nach Sichtbarkeit und Gleichberechtigung schreit.

Sprechen Sie aus Erfahrung?

Ich habe sicherlich ganz viel erlebt, doch hatte ich das Glück, stets einen privilegierten Stand zu haben und so meinen Weg finden zu können.

Bei Ihnen spielt die Stimme in vielerlei Hinsicht eine zentrale Rolle. Es ist aber nicht schönzureden: Die weibliche Stimme ist der männlichen unterlegen.

Ein Blick auf das Weltgeschehen reicht, um das zu unterstreichen: Die Stimme der Frau ist im Hintertreffen.

Wollen Sie mit Ihren Projekten der weib­lichen Stimme also auch Raum verschaffen?

Auf jeden Fall, das liegt mir am Herzen.

Gibt es eine weitere Message, die Sie mit Ihrer Musik rüberbringen möchten?

Menschlichkeit, denn diese geht heutzutage oft vergessen oder gar verloren. Und das Wunder des Lebens – dass man trotz all der Krisensituationen die Hoffnung nicht verliert.

Sie singen in mehreren Sprachen. Warum?

Ich wollte mit meiner Musik von Anfang an nicht in eine gewisse Schublade gesteckt werden, so habe ich das gemacht, als ich ­gemerkt habe, dass es mir guttut. Bei mir waren es die Sprachen, in denen ich mich daheim fühle. Das Buch heisst ja auch «Dahai» und das Album «La Pluma», die Feder. Und eine Feder ist für mich auch so ein Symbol. Seit Jahrtausenden wird damit geschrieben. Und gleichzeitig kann ein Vogel mit einer Feder Grenzen überfliegen. Hinzu kommt, dass der Vogel auch nur eine Sprache hat. Er zwitschert wunderschön und wird von ­allen verstanden. Genau das ist meine Hoffnung, dass die Leute offen genug sind, meine Musik zu hören und sich von ihr mitreissen zu lassen, obwohl nicht alles verstanden wird. Und notfalls kann immer noch im Buch die Bedeutung des Liedes in der Übersetzung nachgelesen werden.

Sie haben auch mit Büne Huber zusammengearbeitet. Wie ist es dazu gekommen?

Ganz einfach: Ich habe erzählt, was ich mache, und ihn gefragt, ob er bereit wäre, mit mir ein ganz altes und traditionelles Schweizer Lied zu performen – «Anneli», eines meiner Lieblingslieder übrigens. Dann meinte er, dass dies auch sein Lieblingslied wäre. Der Rest hat sich ergeben.

Was erwartet das Luzerner Publikum an der Plattentaufe am 4. November?

Ich glaube, dass es ein stimmungsvoller und berührender Abend wird. Und ich erhoffe mir, dass die Musik den Zuhörenden helfen kann, sie durch diese nicht immer einfache Zeit zu tragen.

Interview: Daniela Zeman

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