Wie weiter mit der Päckliflut?

Wie kann die Citylogistik in Luzern nachhaltiger, verkehrsarmer und trotzdem effizient gestaltet werden? Der VCS Luzern suchte letzte Woche mit Experten nach Lösungen.

Aktuell werden in Luzern täglich 6000 Päckli geliefert. Bild: Eveline Beerkircher/«Luzerner Zeitung»

Aktuell werden in Luzern täglich 6000 Päckli geliefert. Bild: Eveline Beerkircher/«Luzerner Zeitung»

Gemäss den Verkehrsperspektiven 2050 des Bundes wird sich der Lieferwagenverkehr bis 2050 um 58 Prozent steigern. In Luzern ist heute jedes neunte Fahrzeug in der Stadt Luzern im Güterverkehr unterwegs. «In Luzern ergibt dies rund 13 Prozent, gesamtschweizerisch sind es 16 Prozent», erklärte David Walter, Projektleiter Mobilität bei der Stadt Luzern, an der Abendveranstaltung «Wie kann die City- Logistik verbessert werden?» des VCS Luzern.

Über 3000 Güterzüge sind im Jahr 2021 in die Stadt gefahren, 98 Prozent des Güterverkehrs werden aber über die Stadt abgewickelt. Gemäss der Post werden täglich 6000 Pakete auf dem Stadtgebiet von 30 Fahrzeugen verteilt. Es wird erwartet, dass in der Schweiz die Paketsendungen um 75 Prozent zunehmen werden.

Was also muss getan werden? Die Bevölkerung möchte keine Emissionen, eine lebenswerte Stadt, kein Lärm und keinen Stau, aber eben auch eine Versorgungssicherheit. Sollen solche Lieferdienste nicht mehr in den Stadtkern fahren dürfen, müssen die Pakete in Zukunft an einer Sammelstelle abgeholt werden? «Die öffentliche Hand versucht, diskriminierungsfreie Angebote zu schaffen, auf einer Strasseninfrastruktur sollen sich Privatpersonen und Logistikdienstleister gleichberechtigt begegnen. Das funktioniert aber nicht», erklärte Maike Scherrer, Professorin an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW und Expertin für nachhaltige Lieferketten. «Verbietet man beispielsweise zu gewissen Zeiten grosse Lastwagen in der Innenstadt, weichen die Unternehmen auf kleinere aus, entsprechend benötigen sie mehr Fahrten, und die Lieferungen werden für uns teurer.»

In ihrem Vortrag berichtete Maike Scherrer über Lösungen, die in anderen Schweizer Städten getestet werden oder im Ausland bereits gefunden wurden.

Erstlieferung klappt immer

Eine Lösung sind Paketboxen. Bei diesen wird nicht mehr vor die Haustüre, sondern an einen zentralen Ort geliefert. «Der Vorteil ist hier, dass man eine garantierte Erstzustellung hat. Heute fährt ein Lieferant manchmal zwei- oder dreimal zu einer Adresse, am Ende fährt der Kunde vielleicht mit seinem Auto zu einer Pick-up-Station», so Scherrer. Das Problem: «Liefert jeder Lieferant jedes Paket einzeln an die Paketbox, bringt dies auch nichts. Paketboxen gibt es bereits von mehreren Anbietern in der Schweiz. In den Städten Basel, Zürich, Bern und Genf stellen die Stadt oder der Kanton neutrale Paketboxen versuchsweise zur Verfügung. «Genutzt werden die Boxen wunderbar, die grösste Frage ist aber, was für ein Betreibermodell nötig ist, damit ein Unternehmen solche Boxen zur Verfügung stellt und betreibt», sagt Scherrer.

Gemeinsame Lieferungen

Eine andere Möglichkeit, die Scherrer letzte Woche ansprach, sind gemeinsame Lieferungen der Anbieter auf den letzten Kilometern. «Wieso muss jeder Logistik- dienstleister eine eigene Fläche haben? Jeder von ihnen sortiert, packt die Dinge in Lastwagen und fährt in die Innenstadt. Allenfalls könnten sie auch gleich miteinander in die Stadt fahren», so die Expertin.

In Düsseldorf ist es beispielsweise ver- boten, dass ein beschrifteter Lastwagen in die Stadt fährt. «So hat man diese Bündelung sehr schnell hingekriegt, denn es gibt keinen Anreiz mehr, selbst ins Zentrum zu fahren», erklärt Scherrer. Verbieten, in die Innenstadt zu liefern, könnte allerdings in der Schweiz schwierig werden. «Da gab es auch schon im Ausland Klagen», erklärte Maike Scherrer auf die Frage von Nationalrat Michael Töngi, ob dies überhaupt rechtlich durchsetzbar sei. «Diejenigen, bei denen es im Ausland funktioniert hat, haben Konzessionen für wenige Jahre vergeben», so Scherrer.

Eine Massnahme aus der Klima- und Energiestrategie ist ein Planungsbericht, der aufzeigen soll, wie die Güterlogistik bis ins Jahr 2040 energieeffizient und ohne fossile Treibstoffe abgewickelt werden soll. Wäre es beispielsweise denkbar, dass die Kutsche mit Pferd in Zukunft nicht nur noch den Kompost abholt, sondern in gewissen Teilen der Stadt Pakete ausliefert? Für David Walter, wäre ein System, ähnlich wie beispielsweise in Zermatt, zumindest prüfungswert.

Kunden müssen umdenken

Sowohl für Maike Scherrer wie auch David Walter gibt es mehrere Herausfor- derungen zu lösen. Eine der grössten ist: Es braucht Logistikdienstleister, die wol- len oder mitmachen müssen. Solange dies nicht der Fall ist, funktioniert es nicht. «In der Schweiz sind Restriktionen nicht in Sichtweite, momentan ist man eher dabei, dass man das Problem erkannt, hat aber erst darüber diskutiert, wie es wäre, wenn man miteinander versuchen würde, eine Lösung zu entwickeln», so Maike Scherrer. «Man muss aber auch wegkommen von der Idee, seine Produkte immer noch schneller erhalten zu wollen. Gibt man den Zulieferern mehr Zeit, besteht auch die grössere Chance, mehrere Lieferungen zu bündeln.»

Marcel Habegger

 

Weitere Artikel zu «Region», die sie interessieren könnten

Region26.02.2024

Adieu, «Anzeiger Luzern»

Vom englischen Königshaus, von einem Podium unter Polizeischutz, Weltstars wie Anne-Sophie Mutter oder Joss Stone bis zum «falschen» Barenboim: Nach vielen…
Stadt Luzern: besseres Rechnungsergebnis
Region26.02.2024

Stadt Luzern: besseres Rechnungsergebnis

Für das Jahr 2023 verzeichnet die Stadt Luzern einen Gewinn von 80 Mio. Franken, obwohl ein Verlust von 31,2 Mio. Franken budgetiert war.
Tourismus Luzern: fast komplette Erholung
Region26.02.2024

Tourismus Luzern: fast komplette Erholung

In der Stadt Luzern haben im Jahr 2023 20,8 Prozent mehr Gäste übernachtet als im Vorjahr und 3,9 Prozent weniger als 2019.