Weltweit eine Seltenheit

Ende Oktober findet in der Türkei die WM im Thaiboxen statt. Mit Luisa Vogel und Raffael Kaufmann sind erstmals auch eine Luzernerin und ein Luzerner dabei. Einzigartig ist auch ihre Trainerin Sonja Jimerson.

Sonja Jimerson (Mitte) mit Luisa Vogel und Raffael Kaufmann. Bild: zvg

Für diejenigen, die sich in der Kampfsportszene bewegen, ist Sonja Jimerson ein bekannter Name. Die 37-Jährige ist je zweifache Schweizer und Europameisterin im Thaiboxen. Seit gut zweieinhalb Jahren betreibt sie ihr eigenes Trainingsgym, das KSR Muay Thai Luzern.

Vom 31. Oktober bis zum 6. November werden zwei ihrer Kämpfer:innen, Luisa Vogel und Raffael Kaufmann, das Center an der Amateur-WM in der Türkei vertreten. Dass sie von einer Frau trainiert werden, macht die Sache noch spezieller. «Mir war das lange gar nicht wirklich bewusst», erzählt Jimerson. Da sie aber immer wieder darauf angesprochen wurde, hat sie sich selbst damit auseinandergesetzt. Eine weibliche Inhaberin, die gleichzeitig Geschäftsführerin und alleiniger Headcoach ist, ist zumindest schweizweit einzigartig, gemäss den Recherchen von Sonja Jimerson wohl gar weltweit eine Seltenheit.

Sparringspartner war chancenlos

Mit ihren Europameistertiteln vermochte sich Sonja Jimerson natürlich bereits über die Landesgrenzen hinaus Respekt zu verschaffen. Gerade im Wettkampfbereich ist der Posten des Coachs eine Männerdomäne. Zu speziellen Situationen kommt es immer wieder. Als sie bei einem Sparringstreffen mit einem Mann zugeteilt wurde, spürte sie, dass er lieber mit einem männlichen Sparringspartner trainieren würde. «Er hat das offen kommuniziert, trainierte dann aber doch mit mir», erinnert sich die Luzernerin. Nach 30 Sekunden entschuldigte er sich für ­seine Zweifel, weil er keine Chance hatte. «Bei solchen Dingen muss ich jeweils schon etwas schmunzeln», lacht sie.

Körperlich wird sie von Männern natürlich oft schon wegen der unterschied­lichen Gewichtsverhältnisse anders gefordert. Da sich Raffael Kaufmann fast im selben Kampfgewicht bewegt wie sie selbst, kann sie den Schlägen von ihm dennoch gut entgegenhalten. Ande-re Thaiboxer sind aber 90 Kilogramm und mehr, sprich gut 30 Kilogramm schwerer als Sonja Jimerson. «Da ist es für mich dann halt auch wie ein richtiges Work-out», sagt sie dazu. Die jahrelange Er­fahrung hilft ihr, dass sie trotzdem mithalten kann.

Da es eine Amateur-WM ist, weiss man nicht, wer teilnehmen wird. Entsprechend ist es schwierig, für Luisa Vogel und Raffael Kaufmann Ziele zu definieren. «Es kann sein, dass sie gegen jemanden kämpfen, der bereits 100 Kämpfe gemacht hat. Es kann aber auch jemand gegenüberstehen, der erst zehnmal im Ring stand», erklärt Jimerson die Schwierigkeit, sich auch auf einen Kampf einzustellen.

Seit kurzer Zeit gilt es für Sonja Jimerson, noch etwas mehr entgegenzuhalten. Seit wenigen Wochen trainiert ein Profikämpfer bei Sonja Jimerson im Gym. Mohammad Mazlumiar war selbst Kickboxtrainier, will sich nun auf die eigene Karriere konzentrieren und hat dafür ins Gym von Sonja Jimerson gewechselt. «Einen Profikämpfer als Frau zu trainieren, ist sicher nochmals spezieller», sagt sie zu der neuen Herausforderung. «Da muss ich auch bei seinen 75 Kilogramm voll dagegenhalten, aber das ist ja auch das, was mir Spass macht», so Jimerson. Mohammad Mazlumiar strebt einen Vertrag bei einem der grossen Verbände an. Sonja Jimerson verfügt über die nötige Erfahrung und die Kontakte, um ihn einerseits als Trainerin, andererseits als Managerin dabei zu unterstützen.

Die Trainerin selbst hatte sich nach einer Verletzung im Jahr 2015 vom Profisport zurückgezogen. Damit abgeschlossen hat sie aber noch nicht ganz. Nach einem Trainingslager auf Hawaii wurde ihr wieder ein Kampfvertrag angeboten. «Im Moment ist es nicht der richtige Zeitpunkt. Aber es ist durchaus möglich, dass ich nochmals ­zurückkehren werde», erklärt sie.

Ein vielseitiges Training

Die wettkampforientierten Kämpfer:innen machen im KSR Luzern den kleineren Teil aus. Für den grossen Teil der aktuell 150 Mitglieder stehen der Spass am Sport und der Fitnessgedanke im Vordergrund. Das Gym hat einen Frauenanteil von fast 50 Prozent. «Es ist ein strenges Training, das ­sowohl Kondition, Kraft, Schnelligkeit, Koordination als auch Beweglichkeit trainiert», erklärt Jimerson. Das Training ist auch nicht für alle wettkampforientiert. Thaiboxen ist übrigens nicht nur für die ganz harten Frauen und Männer. Auf Hobby- und Amateurlevel wird mit Kopf- und Beinschonern trainiert und gekämpft. «Thaiboxen ist auf Amateurlevel weniger gefährlich für Verletzungen als Fussball, das wurde statistisch gar mal belegt», ­versichert die Trainerin. KSR Muay Thai bietet wöchentlich Trainings für Erwachsene und Kinder an. Ein Einstieg ist jederzeit möglich.

Marcel Habegger

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