Von wenig zu etwas mehr

Die Tourismusbranche erholt sich langsam von den letzten zwei Covid-19-Jahren. Neben den fehlenden Gästen leidet der Tourismus vor allem an den abgewanderten Mitarbeiter:innen.

Verwaltungsratspräsident der LTAG, Martin Bütikofer (links), und Direktor Marcel Perren auf einem Balkon des Grand Hotel Europe, Luzern. Bild: Bruno Gisi

Von der grossen Abwanderung sind wir ehrlich gesagt etwas überrascht worden», gestand Martin Bütikofer, Präsident der Luzern Tourismus AG (LTAG), an der Pressekonferenz am Mittwoch im Hotel Europe ein. Man dachte, die Leute würden zu Hause darauf warten, dass die Restaurants und Hotels wieder öffnen dürfen, dies taten sie aber nicht. Stattdessen sind sie in ihre Heimat gereist und nicht mehr zurückgekehrt oder haben die Branche gewechselt. «Ich habe mit Leuten gesprochen, die zwar nun weniger Freude an ihrem neuen Job haben, aber am Freitagabend ins Wochenende starten können und dies höher werten», so Bütikofer.

Die Branche wirbt damit, wie vielseitig und kreativ die Jobs im Tourismus seien, der tendenziell tiefe Lohn und die harte Arbeit halten viele trotzdem davon ab, zu ihrem früheren Beruf zurückzukehren. «Der Lohn ist sicher ein wichtiger Punkt», sagt auch Martin Bütikofer. Nur steckt dabei der Tourismus in einem Dilemma: Werden die Löhne angehoben und steigen die Preise entsprechend, ist dies nicht förderlich im Bestreben, zur alten Stärke bei den Übernachtungszahlen zurückzufinden. «Ich habe im Moment keine strukturelle Lösung», sagt Bütikofer. 

Später an diesem Abend wird beim Referat von Richard Kämpf, Leiter Ressort Tourismuspolitik beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), an der Generalversammlung von Luzern Tourismus die Rekrutierung von neuen Arbeitskräften ebenfalls ein Thema sein. «Da muss man radikal dahinter, um die Attraktivität des Tourismus zu steigern», wird Kämpf sagen. Er denkt dabei beispielsweise an eine Vier-Tage-Arbeitswoche. Der Arbeitskräftemangel ist aktuell so prekär, dass die tiefen Übernachtungszahlen nicht das Hauptproblem scheinen. Manchmal wären die Gäste da, aber niemand, der sie bedient.

Der Städtetourismus hat während der letzten zwei Jahre überdurchschnittlich gelitten. In der Stadt Luzern wurde 2021 gegenüber dem Jahr 2020 ein Plus von 27,8 Prozent und in der Region eine Zunahme von 26,6 Prozent an Logiernächten verzeichnet. «Es hat sich von wenig zu etwas mehr gesteigert», bilanziert Tourismusdirektor Marcel Perren das Jahr 2021. Bei den Schweizer Gästen hat die Stadt Luzern im letzten Jahr mit einem Anteil von 59 Prozent gar einen Rekordwert erreicht. Die tiefen Anteile der asiatischen (6 Prozent) und der bis 2019 wichtigsten ausländischen Gäste aus den USA (9 Prozent) zeigen aber, dass man noch weit weg von der alten Stärke ist. Bisher hatten Gäste der Fernmärkte bei den Übernachtungszahlen einen Anteil von 57 Prozent. Die Verantwortlichen rechnen zwar mit einer stetigen Erholung in den nächsten Jahren, ob Spitzenwerte wie 2019 je wieder erreicht werden, steht aber auch für sie in den Sternen. Klar ist: Die Situation hat sich verändert. «In China wurde eine zollfreie Zone eingerichtet, die es der Bevölkerung ermöglicht, Uhren auch vor Ort einfacher zu erwerben», macht Martin Bütikofer ein Beispiel bezüglich der veränderten Verhältnisse. Ob die asiatischen Gäste also in Zukunft noch mit voll bepackten Taschen aus den Uhrengeschäften am Schwanenplatz stürmen werden, ist ungewiss.

Die im Jahr 2019 noch heiss diskutierten, überfüllten Hotspots in der Innenstadt sind aktuell höchstens lauwarm. Optimistisch rüstet sich Luzern Tourismus aber für bessere Zeiten. Im Juli werden Zählsysteme an den stark frequentierten Plätzen installiert, die Erhebungen sollen für alle zugänglich sein. Zudem wird es auch in Zukunft ein wichtiges Ziel von Luzern Tourismus sein, die Tourismusströme vermehrt auf das ganze Jahr zu verteilen, um die Sommermonate zu entlasten.

Marcel Habegger

 

Box: Wechsel im Verwaltungsrat
Aufgrund der Amtszeitbeschränkung ist René Kamer aus dem Verwaltungsrat der LTAG ausgetreten. Der Unternehmer und frühere Geschäftsführer der Rail Away AG war während neun Jahren Mitglied des Verwaltungsrats und hat diesen als Vizepräsident unterstützt. Als sein Nachfolger wurde an der Generalversammlung Norbert Patt in den Verwaltungsrat gewählt. Er ist seit dem Jahr 2010 als CEO der Bergbahnen Engelberg-Trübsee-Titlis AG tätig.

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