Vom «Spirit of 48» zum «Spirit of 21»

IHZ-Direktor Adrian Derungs. Bild: PD

Wir brauchen ihn, den «Spirit of 48». Diesen Begriff hat der Schweizer Historiker Joseph Jung geprägt, jüngst in seinem Werk zur Schweiz im 19. Jahrhundert. Jung schreibt diese Haltung jenen wirtschaftsliberalen Pionieren zu, die nach 1848 die Schweiz zu dem gemacht haben, was sie heute ist: ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Erfolgsmodell.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Grundstein zum heutigen Wohlstand, zum demokratischen Selbstverständnis und zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Landes gelegt. Der «Spirit of 48» wurde von jenen Pionieren gelebt, die nach 1848 unternehmerische Risiken eingingen, sich politisch engagierten, kluge Ideen entwickelten und diese auch umsetzten. Die damaligen Pioniere mit dem «Spirit of 48» glaubten zuversichtlich an den Fortschritt. Sie waren mit dieser Haltung mitverantwortlich, dass sich die kleine Schweiz zur grossen Marke in den Bereichen Maschinen- und Elektrotechnik, Käse und Schokolade sowie Tourismus und Finanzdienstleistungen entwickeln konnte. 

Dieser «Spirit of 48» lag auch in der neuen Bundesverfassung verankert. Die in wenigen Wochen erarbeitete Verfassung von 1848 löste die veralteten Strukturen des Staatenbundes der Kantone ab. Es gelang der erste Wurf eines modernen Bundesstaates, der eine sinnvolle Aufteilung der Kompetenzen nicht nur zwischen Staat und Privatwirtschaft etablierte, sondern auch zwischen Bund und Kantonen. 

Politik, Wirtschaft und Wissenschaft kannten damals eine gemeinsame Richtung: vorwärts! Dies in Verbindung mit Fortschrittsglauben und dem Drang zum Aufbruch in eine bessere Zukunft. Der «Spirit of 48» stiess so einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel an, der Industrie, Gewerbe, Handel, aber auch Kultur, Wissenschaft und Tourismus umfasste. 
Wie steht es heute um den «Spirit of 48»? Ich habe manchmal den Eindruck, dass unsere Haltung zum Fortschritt in der Tendenz konservativer als noch vor rund 170 Jahren ausfällt – trotz Digitalisierung, Internet und Smartphones. 

Wir reagieren auf Herausforderungen mit dem vermeintlichen Festhalten am Bestehenden: Alles soll so bleiben, wie es nie war. Doch weder Wohlstand noch Fortschritt lassen sich «bewahren». Fortschrittsfeindlichkeit ist ein schlechter Ratgeber für das zukünftige Wohlergehen unserer Gesellschaft. 

Deshalb bin ich überzeugt, dass wir auf die Herausforderungen unserer Zeit – sei es Klimawandel, Wirtschaftskrise oder Pandemie – mit einem an diese Herausforderungen angepassten «Spirit of 21» agieren dürfen. Das ist zum Glück kein hehrer Wunsch, sondern Realität. Die Schweiz ist weiterhin ein Land von Pionieren und Innovatoren. So sind wir im vergangenen Jahr von der Weltorganisation für geistiges Eigentum zum zehnten Mal in Folge zum innovativsten Land der Welt gekürt worden. 

Menschen, Organisationen und Unternehmen, die diesen «Spirit of 21» leben, haben unsere Anerkennung verdient. Deshalb verleiht die IHZ in diesem Jahr bereits zum 35. Mal den IHZ-Innovationspreis – bis Ende April 2021 läuft die Anmeldefrist für Innovationsprojekte aus der Zentralschweiz. Der Innovationspreis geht an Unternehmen, die mit ihrem «Spirit of 21» die Zukunft der Zentralschweizer Wirtschaft und Gesellschaft prägen. Der «Spirit of 21» existiert – geben wir ihm weiter einen guten Nährboden und lassen wir uns inspirieren!

Adrian Derungs

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