Vom Autogewerbe in die Uhrenbranche
Es war alles darauf ausgelegt, dass er den Familienbetrieb übernehmen würde, dann kam es doch ganz anders: Ein Blick auf die Karriere von Beat Schmid, Direktor des Bucherer-Stammhauses am Schwanenplatz.
Was ist Ihre berufliche Ausbildung?
Mein Lehrberuf ist Automechaniker. Dazu kamen eine zweite Ausbildung zum Technischen Kaufmann und die Meisterprüfung als Automechaniker. Es mag altmodisch klingen, aber auch die Offiziersschule und die Weiterbildung zum Hauptmann der Schweizer Armee haben mich beispielsweise in der Führungskompetenz ein schönes Stück weitergebracht. Als ich schliesslich vom Autogewerbe in die Uhren- und Schmuckbranche wechselte, habe ich dann in Idar-Oberstein – dem Herzen der Schmuckbranche in Deutschland – noch eine Gemmologie-Ausbildung erworben. Auch danach habe ich nie aufgehört zu lernen und bin neugierig geblieben: In meinen mittlerweile 40 Jahren Berufstätigkeit habe ich laufend Neues in unzähligen Kursen zu den unterschiedlichsten Themen, in mehreren Sprachaufenthalten und «on the job» erlernt.
Haben Sie Ihre berufliche Laufbahn von Anfang an vor sich gesehen?
Nein, absolut nicht. Ich bin der lebende Beweis, dass die berufliche Laufbahn sich noch komplett ändern kann, wenn man neue Leidenschaften entdeckt.
Was war Ihr erster Berufswunsch als Kind?
Ich bin eigentlich in unserem Familienbetrieb, in einer mittelgrossen VW-/Audi- Garage in Rain, aufgewachsen. Es war ein klassisches KMU. Wir wohnten über dem Betrieb. Und Klein Beat war jede freie Minute im Betrieb. Besonders stolz war ich natürlich, dass mir mein Vater mit zirka neun Jahren die Fahrerlaubnis mit firmeneigenen Fahrzeugen auf dem Betriebsareal erteilte. Für mich war glasklar, dass ich den Familienbetrieb dereinst übernehmen und weiterbringen würde, 1992 war es dann so weit.
Worauf sind Sie in Ihrer Laufbahn besonders stolz?
Da mein beruflicher Fokus als junger Mensch klar darauf ausgerichtet war, den elterlichen Betrieb weiterzuführen, waren Fremdsprachen für mich nicht sehr wichtig. So hatte ich während meiner Ausbildungsjahre und bis Mitte dreissig mit Ausnahme des Pflichtfranzösisch nicht eine Stunde Sprachunterricht. Mit etwa 35 Jahren habe ich erkannt, dass ich da etwas Bedeutendes verpasst hatte. Über mehrere Jahre hinweg habe ich wöchentlich mit viel Disziplin Englisch gelernt. Ohne diesen Einsatz stände ich heute nicht da, wo ich nun bin.
Ist kompetente Unternehmensführung erlernbar?
Ja und nein. Das Grundrüstzeug muss man erlernen. Darüber gibt es viele gute Bücher, Kurse, Lehrgänge, und auch die Führungsausbildung in der Armee ist dabei zu erwähnen. Die Prinzipien des Führungsrhythmus, das Vorgehen bei einer Situationsanalyse oder die Erstellung von Szenarien müssen mal erlernt werden. Die Fähigkeit zur Umsetzung des Gelernten ist dann sehr individuell. Man lernt schlussendlich sehr viel «on the job», mit jedem Erfolg und auch Misserfolg kommt man weiter und entwickelt seine Kompetenzen.
Darf ein Chef/eine Chefin auch Schwächen zeigen?
Ja, unbedingt. Keiner ist perfekt, und Erfolg entsteht immer aus Teamwork. Anzuerkennen, dass einzelne Mitarbeitende im Team in gewissen Disziplinen besser sind oder dass einem gewisse Dinge nicht liegen, macht dich als Vorgesetzter nahbar und menschlich.
Welche sind es bei Ihnen?
Ich bin sicherlich eher ein ungeduldiges Gemüt. Ich weiss auch, dass ich eine leichte Legasthenie habe. Es ist immer gut, wenn mir jemand meine Korrespondenz noch durchschaut. Ich kann gut frei vor Leuten sprechen, aber als Lektor wäre ich definitiv nicht geeignet. Wichtig ist generell, wie man mit seinen Schwächen umgeht.
Wie lauten Ihre wichtigsten Führungsgrundsätze?
Wie bereits erwähnt, sehe ich meine Rolle als Coach. Somit sind für mich Vertrauen schenken, individuell fördern und entwickeln sehr wichtig.
Haben sich Ihre Führungsprinzipien in den letzten Jahren verändert?
Ja, ich denke schon. Ich glaube, etwas ruhiger geworden zu sein.
Was geht Ihnen auf die Nerven?
Ich pflege eine offene Fehlerkultur. Wie bereits erwähnt, ist kein Mensch perfekt, entsprechend passieren halt auch mal Fehler. Mitarbeitenden dürfen Fehler unterlaufen. Wenn es dann passiert, soll aber transparent gemeldet werden, und man kann korrigieren und daraus lernen. Fehler aus Gleichgültigkeit oder Vertuschen ärgern mich aber schon.
Worüber können Sie herzlich lachen?
Wir lachen viel im täglichen Berufsleben. Mein Motto ist, dass wir diszipliniert arbeiten sollen – aber immer mit einem Augenzwinkern. Man soll sich auch nicht so wichtig nehmen und somit darf und soll man auch mal über sich selbst lachen.
Was sagen Ihre Mitarbeitenden über Sie?
Da fragen Sie grundsätzlich die falsche Person. Ich sehe meine Rolle und Aufgabe als «Spielertrainer» eines Teams und nicht als Chef. Selbstverständlich stehe ich schützend vor meinen Mitarbeitenden, wenn es hart auf hart kommt, und trage die Gesamtverantwortung. Ich gönne ihnen aber den Platz an der Sonne, wenn es Lob zu verteilen gibt. Ich schenke meinen Mitarbeitenden viel Vertrauen, führe mein Team mit viel Eigenverantwortung und versuche, die Mitglieder individuell zu fördern. Ich hoffe, dass meine Mitarbeitenden dies auch so sehen. Bekanntlich entsteht ja die Botschaft beim Empfänger.
Wie reagieren Sie auf Kritik?
Nun, Kritik muss ja nicht immer negativ sein, und konstruktive Kritik beflügelt und motiviert. Aber gehen wir mal davon aus, dass die Kritik nicht so formuliert ist. Ja, wenn sich solche Kritik einstellt, da ist man sicherlich zuerst enttäuscht, weil man ein anderes Resultat erhofft hat. Ich gehe dann in die Reflexion und versuche, mich in die Situation des Gegenübers zu versetzen. Wichtig ist, dass man versucht, die Lehren daraus zu ziehen und besser zu werden.
Welchen Stellenwert haben für Sie soziale Netzwerke beruflich und privat?
In der aktuellen Situation der Pandemie hat es sich doch deutlich gezeigt, dass die sozialen Kontakte sehr wichtig sind. In meiner beruflichen Position habe ich täglich sehr viele Kontakte, welche ich auch gerne pflege. Ich arbeite nicht gern isoliert im Büro. Ich bin mir aber sehr bewusst, dass diese Kontakte klar mit meiner Funktion in Verbindung stehen. Daher ist es für mich sehr wichtig, dass wir auch privat unsere Freundschaften hegen und pflegen.
Welches berufliche Erlebnis hat Sie am stärksten geprägt?
Stellen Sie sich vor, Sie machen ein Jahr eine Weltreise und müssten dann erklären, welcher der schönste Tag war. In 40 Jahren Berufsleben gibt es sehr viele prägende Erlebnisse! Spontan kommen mir folgende Ereignisse in den Sinn, die meinen beruflichen Werdegang doch wesentlich beeinflusst haben: der Verkauf des eigenen Betriebs an eine Garagengruppe und Jahre später der Wechsel vom Autogewerbe in die Uhren- und Schmuckwelt.
Gibt es im Unternehmen spezielle Massnahmen zur Teamentwicklung?
Die Bucherer Academy ist ein Tool, welches allen Mitarbeitenden offensteht. Auch haben wir in den vergangenen Jahren viel in die Team- und Führungsausbildung investiert, individuelle Trainings oder auch in der Gruppe. Es gibt auch Laufbahngespräche und Karriereplanungen. Dies sind Werkzeuge, welche wir laufend weiterentwickeln.
Stellen Sie sich vor, Sie würden nochmals am Anfang Ihrer Karriere stehen: Würden Sie nochmals dasselbe erlernen oder studieren oder wäre es etwas anderes?
Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden mit meiner Laufbahn, und so, wie sich diese entwickelt hat, ist sie auch nicht planbar. Was ich in unserer heutigen, globalen Welt sicher anders machen würde, ist, dass ich den Sprachen von Anfang an eine wichtige Bedeutung zumessen und auch gerne ein paar Jahre im Ausland arbeiten würde. Ich bin überzeugt, das wäre eine wertvolle Erfahrung.
Wann und wo können Sie abschalten?
Am besten auf langen Wanderungen mit meiner Frau Cornelia an unseren gemeinsamen freien Tagen. Da kann man sich über die verschiedensten Themen unterhalten oder auch mal nichts sprechen und einfach die Zeit zusammen geniessen.
An meinen freien Tagen, an denen Cornelia arbeitet, gehe ich in mein «Budeli» und fröne meinem Hobby. Ich restauriere Autos aus den 60er- und 70er-Jahren. Da tauche ich in mein vergangenes, früheres Leben ein und schalte komplett ab.
Elma Softic/Marcel Habegger