Treffpunkt politische Mitte

Beim Podium der «Luzerner Zeitung» gab es letzte Woche kaum Debatten. Die Kandidierenden konzentrierten sich darauf, ihre Meinungsstandorte zu definieren. Eine Frau stach mit ihren Voten hervor.

Die Kandidierenden wurden in zwei Gruppen eingeteilt: in der ersten waren (von links): Reto Wyss, Andrea Kaufmann, Zoé Stehlin, Christa Wenger, Claudia Huser und Armin Hartmann. Bild: Printscreen

Ein einziges Mal brandete beim LZ-Podium zu den Regierungsratswahlen Applaus auf. Kandidatin Michaela Tschuor (Mitte), Gemeindepräsidentin von Wikon, parierte einen persönlichen Angriff aus dem Publikum mit Grösse und Souveränität: Im Kreise der elf Kandidierenden gab es jedoch keine Seitenhiebe, ja kaum Wattebäuschchen wurden in Richtung der Gegner:innen geworfen.

Es war ein rhetorisches Wechselspiel zwischen Moderation (Jérôme Martinu, Chefredaktor «Luzerner Zeitung», und seinem Stellvertreter Christian Meier) und Kandidierenden, nie fuhren sich die Protagonisten in die Parade, auch wenn’s eigentlich nötig gewesen wäre.

Grund war sicher auch, dass die Zeit nicht reichte, alle Kandidierenden vertieft zu befragen. Themen wurden angetippt, meistens mussten Allgemeinplätze aus dem jeweiligen politischen Lager reichen. Am meisten Farbe aufs Podium brachte die Juso-Plus-Kandidatin Zoé Stehlin, die sich als (fast) einzige getraute, Unpopuläres, auch mit Witz, anzusprechen. So brachte sie bei den ökologischen Themen das Wort «Verzicht» ins Spiel und meinte damit unter anderem auch den Fleischkonsum. Wenn man Juso-Positionen kennt, erstaunten die zahmen, gut formulierten Voten, die zwar bekannte Postulate beinhalteten («Mehr Geld für Bildung»), aber nie ins Extreme kippten.

Für solche im linken Lager war eher Chiara Peyer von den Jungen Grünen zuständig. Die klaren Ansagen zu Frauenquoten kann man entgegennehmen, die «diskussionsorientierten Massnahmen» im Umgang mit Fussball-Krawallmachern hätten hingegen eine Reaktion der politischen Konkurrenz verdient. Ein Kontra hätte am anderen Ende des politischen Spektrums auch der parteilose Jürgen Peter entgegennehmen müssen, der irrtümlicherweise erzählte, wasserstoffbetriebene Autos seien effizienter als batteriebetriebene Fahrzeuge. Dass Wasserstoff mit Strom hergestellt wird, kam in seinen Ausführungen nicht vor. Schmunzler generierte Jürgen Peter mit seiner Forderung nach einem Gefängnisschnupperkurs für Fussball-Chaoten und mit der Bemerkung, dass er als 61-Jähriger in Amerika ein «Jungspund» der Politik wäre.

«Cheibe wenig» Solaranlagen

Staatsmännisch gab sich SVP-Mann Armin Hartmann, der als einer der wenigen in seinen Voten auch Sachverhalte erklärte in der Finanz- und Steuerpolitik und nicht nur kommentierte. Geschickt packte er in seinen Positionsbezügen auch Themen ein, die gar nicht abgefragt wurden, so die Asylpolitik. Clever auch sein Lob am aktuellen Regierungsrat, das er immer mit «aber» ergänzte und dem er eigene Gewichtungen anhängte, Beispiel: Umweltpolitik.

In diesem Themenfeld vertrat Christa Wenger von den Grünen natürlich andere Ideen. So findet sie den Anteil als Solaranlagen im Kanton Luzern immer noch «cheibe wenig». Prägnant waren aber auch ihre Einwürfe zur Steuerpolitik des Kantons, mit denen sie als Einzige argumentativ und aus Sicht der Unternehmungen eine Gegenposition zum aktuellen Modus Vivendi einnahm. Andrea Kaufmann von der Jungen Mitte hatte es in diesem Umfeld schwer, eigene Duftnoten zu setzen. Im Gegensatz zu den linken Jungparteien vertritt sie Positionen, die durchaus «Mainstream» sind. Dass Windräder zur Stromgewinnung «nicht stören» und dass die Bewilligungsverfahren für solche «nerven können», positionierte sie aber klar als vorwärtsgewandt in energiepolitischen Fragen.

Ein lasches Tempo bei PV-Anlagen

Ins gleiche Horn blies – natürlich – auch Claudia Huser von den Grünliberalen. Einsprachen für Windenergieanlagen sollten in einer Instanz erledigt werden können. «Jeder muss seinen Beitrag leisten», ist ihr Motto. Dass in Luzern kein Windrad geplant sei, sei allein dem Flugplatz Emmen «zu verdanken». Das lasche Tempo bei der Installation von Photovoltaikanlagen prangerte sie an. In all ihren Voten drang eine klar bürgerliche Positionierung der Kandidatin durch.

Ylfete Fanaj von der SP war bemüht, linke Positionen mit einem Hauch Zuckerguss für die politische Mitte zu überziehen. Frauenquoten ja, aber nur «wo es wirklich dringend ist». Die Verbilligung der Krankenkassenprämien für schwache Einkommen ist ihr ein grosses Anliegen, aber «jeder Franken muss ein Maximum Gesundheit generieren». Ihr vehementes Eintreten für die Spitalstandorte auf dem Land dürfte Sympathien eingebracht haben. Ihr Votum für Konkordanz, das sie natürlich vor allem geschlechtlich verstand, ebenfalls. Den Bypass, die beschlossene, neue Autobahnquerung von Luzern, bezeichnete sie als «aus der Zeit gefallen».

Durchgangsbahnhof-Marathon

Eine andere Farbgebung im Gesundheitswesen gab Michaela Tschuor (Mitte). Sie sieht die Prämienverbilligung nicht als «das Heilmittel der Stunde», denn dieser Hebel bekämpfe nicht die Ursache der ­hohen Kosten. Wichtig wäre für sie, die ­Administration in diesem Bereich auf Bundesebene abzubauen. Tschuor betonte im Bereich Verkehr die Wichtigkeit von ­Bypass und Durchgangsbahnhof und lancierte damit den amtierenden Regierungsrat Fabian Peter (FDP). Dieser erklärte den aktuellen Stand der Bemühungen in Bern für die Realisierung des Jahrhundertprojekts Durchgangsbahnhof. «Es wird ein Marathon bis 2026», zum Jahr des definitiven Ausführungsentscheides. Engagiert setzte sich Peter gegen Grabenkämpfe in der Verkehrspolitik ein. Auch in anderen Bereichen spürte man die Dossiersicherheit des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsvorstehers. Eine Ausnahme: «Der Genderstern ist nicht meine Priorität», meinte er.

Regierungsrat Reto Wyss (Mitte) konnte aus seiner Funktion als Finanzchef des Kantons natürlich nicht hinausschlüpfen. Er betonte bei vielen Themen, die gemeinhin nach Hilfen des Kantons schreien, die Eigenverantwortlichkeit der Bürgerinnen und Bürger. So im Bereich der Energiegebäudesanierungen oder der Einrichtung von Ladestationen in Mehrfamilienhäusern. «Die Immobilienbesitzer müssen ihren Beitrag leisten.» Auch da wäre eine Intervention des Präsidenten des Hauseigentümerverbandes des Kantons Luzern, Armin Hartmann, prädestiniert gewesen.

Quintessenz des Abends: Die Kandidierenden – zwei Damen und ein Herr ausgenommen – massierten sich ziemlich eng in Richtung politische Mitte mit vereinzelten thematischen Ausreissern. Man hat die Kandidierenden in netten Momenten kennen gelernt, viel mehr aber nicht.

Andréas Härry

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