Sympathisch, wenig packend
«Luzern im Coronajahr» ist eine vierteilige SRF-Dokumentation. In der ersten Sendung waren schöne Bilder und sympathische Menschen zu sehen, aber keine neuen Erkenntnisse.
Der Schluss der ersten Folge der SRF-Dok am Freitag war als Cliffhänger angelegt. Die Zitate aus der kommenden Folge des Vierteilers wirkten aber so spannend wie der Trailer für den Krimi, den man schon viermal gesehen hat. Corona wirkt als Thrill-Erzeuger nicht mehr, weil wir alle davon betroffen sind. Jede und jeder hat eine Corona-Biografie. So glänzen die porträtierten Menschen in dieser Dokumentation aus Luzern nicht durch die Originalität oder Tragik ihrer Erlebnisse, sondern als sympathische Persönlichkeiten in interessanten Berufen.
So der «heimliche Stadtpräsident von Luzern» – Zitat eines Passanten – Robert Casagrande. Der jovial-charmante König des hiesigen Souvenirhandels ist jetzt, dank SRF, auch der Restschweiz bekannt. Leider konnte Casagrande in Folge 1 nicht viel mehr als die bekannte Covid-Geschäftslogik seiner Branche erklären. Der spannendere Teil kommt hoffentlich in kommenden Folgen, wenn der Unternehmer die Chance bekommt, sein Gewerbe auch in Historie, Zahlen und Arbeitsplätzen zu erklären.
Keine Viren vom Affen
Dass es der Hotellerie dreckig geht, ist keine Schlagzeile. So war es die Wahl des porträtierten Hotels, die für Interesse sorgte. Statt der üblichen, von lokalen Medien beäugten grossen Häuser kam ein sympathischer Nischenplayer zu Wort, das Hotel Beau Séjour an der Haldenstrasse. Die Geschäftsführer Manuel Berger und Walter «Willy» Willimann, selbst an vorderster Front im Service und als Werbetafeln-Maler im Einsatz, konnten zwar ebenfalls keine neuen Erkenntnisse zur Pandemie beisteuern. Die Zusehenden erhielten aber Einblick in den Corona-Alltag eines KMU-Betriebes, bei dem Details von den Chefs bearbeitet werden müssen. «Der Kuschelaffe soll keine Viren weitergeben können», war das Zitat der Sendung, als im «Beau Séjour» die überall platzierten Hausmaskottchen eingesammelt wurden. «Statt eines Yoga-Retreats in Österreich machen wir Ferien in der Schweiz», war die erfreulichste Kundenaussage vom Sommer 2020, als man fest daran glaubte, das Gröbste sei vorbei.
Auch in Willisau, bei der Firma Hunziker, hoffte man zu dieser Zeit noch auf einen «guten Herbst und Winter». CEO Roland Küng managt 70 Angestellte, 200 000 m² Zeltblachen und 8000 Stühle. Tote Hose in Büros und Lager. Interessanteste Nachricht: Die sich in Normalzeiten nichts schenkenden Konkurrenten der Zeltbaubranche vereinigen sich zu einem Verband.
Richtige Lebenseinstellung
Schöne, aber etwas zäh dahinfliessende Bildfolgen von Luzern sowie lange Kameraschwenks über Regenpfützen und von der Drohne senken den Takt dieser Doku auf die vielleicht gesuchte Corona-Lethargie. Potenzial für mehr zeigen die Off-Texte: «Wo sich sonst Einheimische und Touristen drängeln, nichts als Leere», «wo keine Events stattfinden, braucht es auch keine Festzelte», «wenn es eine Konstante gibt im Corona-Jahr, dann ist es seine Unplanbarkeit» und weitere sind keine grossen Würfe aus dem Covid-19-Vocabulaire. Lässig, die eingesetzte Musik ist auch luzernerisch, von Heidi Happy, alias Priska Zemp, aus Dagmersellen.
Die spannendsten Informationen dieser ersten Dok-Folge lieferte die Musikerin Claudia Kienzler. Ihr in aktueller Zeit fast verwegener Plan: das bis 2018 aktive «Broadway-Variété» in der ältesten Schaubude der Schweiz als «Variété Caleidoskop» neu zu lancieren. Für dieses Projekt hat sie die richtige Lebenseinstellung: «Mich macht es freier, mit wenig zu können, als viel haben zu müssen.» Drei Angestellte renovieren aktuell auf dem NF 49 am Seetalplatz in Emmenbrücke das mobile Restaurant für 60 Gäste. Zukunftsaussichten in Folge 1 der Doku: ungewiss. Das, was mit Claudia Kienzler passieren könnte, ist effektiv der einzige Cliffhänger dieser insgesamt sympathischen, bis jetzt aber noch kaum packenden SRF-Doku.
Andréas Härry
Nächste Folge: Freitag, 23. April, 21 Uhr, SRF 1