Sticht der Trumpf erneut?
Die städtische FDP hat seit letztem Sommer einen neuen Trumpf im Ärmel: Geht den Bürgerlichen die Vorlage der Linken zu weit, unterbreiten sie dem Volk zusätzlich eine weitere Variante.
Halten die Linken im städtischen Parlament zusammen, haben die Bürgerlichen bei Abstimmungen das knappe Nachsehen. Beim Parkplatzreglement lehnten die Bürgerlichen im letzten Jahr die Vorlage des Parlaments ab und legten dem Volk mittels eines konstruktiven Referendums zusätzlich eine moderatere Version vor, welche vom Volk letztendlich auch mehr Stimmen erhielt. «Man kann schon sagen, dass wir das konstruktive Referendum beim Parkplatzkompromiss für uns entdeckt haben», sagt FDP-Fraktionspräsident Marco Baumann. «Es gibt uns die Möglichkeit, dem Volk einen leicht abgeänderten Vorschlag zu unterbreiten, bei dem wir eher das Gefühl haben, dass er angenommen wird», führt er weiter aus.
Referendum war absehbar
Diesen Trumpf haben sie an der letzten Ratsdebatte Mitte Februar sehr zum Unmut der Linken über die Klima- und Energiestrategie praktisch in letzter Minute erneut gezogen. «Man kann ein konstruktives Referendum erst ergreifen, wenn man eine Vorlage hat, wozu man einen Gegenvorschlag unterbreiten kann», begründet Baumann, weshalb die Bürgerlichen den Gegenvorschlag nicht schon früher aufs Parkett gebracht hatten. «Alles, was wir gestrichen oder abgeändert haben, hatten wir bereits bei den Beratungen kritisiert, man konnte also damit rechnen, dass dieser Schritt kommen wird», erklärt er. Und er relativiert: «Viele Punkte gehen für uns ja auch in Ordnung, aber es gibt auch Dinge, die für uns zu weit gehen oder gar unrealistisch sind», so Baumann.
Er denkt dabei beispielsweise an die Verbote von nicht erneuerbarem Strom und dass bei der Annahme der vom Parlament vorgeschlagenen Energiestrategie ab 2040 keine Autos mehr mit fossilem Brennstoff auf Stadtgebiet erlaubt wären. «Diese Verbote gehen uns zu weit, denn sie erschaffen ein riesiges Bürokratiemonster, ohne einen grossen Mehrwert zu bieten. Mit der von uns definierten Klimastrategie sollten wir auch ohne Verbote genügend Anreize haben, damit wir im Jahr 2040 netto null bei den CO2-Emissionen erreichen können», sagt er. Zudem sei nicht mal sicher, ob die Stadt die Kompetenz habe, fossile Antriebe bei Autos zu verbieten. «Einerseits macht ein solches Verbot auf einem so kleinen Raum wie der Stadt Luzern kaum Sinn, andererseits hatten wir Angst, dass das Volk die Klimastrategie so ablehnen würde», erklärt Baumann. Auch die Aufhebung der Hälfte der öffentlich zugänglichen Parkplätze wäre nach der FDP und der Mitte zu einschneidend und vor dem Hintergrund der stark wachsenden Elektromobilität auch nicht effizient.
Für die Steuerung der Verkehrsmenge in der Stadt Luzern sehen die Parteien vor, das Aufkommen auf dem Stand von 2020 zu plafonieren – dies im Gegensatz zum ursprünglichen Vorschlag, das Aufkommen um 15 Prozent gegenüber 2010 zu reduzieren.
«Sie sind gegen den Mieterschutz»
Kritik ernten die Bürgerlichen auch vom Mieterverband, denn zu den Punkten, welche die FDP und Die Mitte aus der Klimastrategie strichen, gehört auch der Punkt, der Mieter:innen vor Leerkündigungen bei Sanierungen schützen soll. «Um die Vorlage ‹mehrheitstauglich› zu machen, werden die 85 Prozent Mieter:innen in Luzern von der FDP und Der Mitte im Regen stehen gelassen», sagt Daniel Gähwiler, Co-Geschäftsleiter des Mieterinnen- und Mieterverbands LU, NW, OW und UR. «Es geht bei diesem Punkt darum, dass Eigentümer:innen bei Leerkündigungen, die nicht begründet werden können, nicht von Fördergeldern für die Sanierung profitieren können», erklärt Marco Baumann. Nüchtern betrachtet gibt es heute bereits sehr wenige Leerkündigungen, und der Artikel hätte eine sehr kleine Bedeutung», argumentiert Baumann. Wenn es in der Vergangenheit zu Leerkündigungen gekommen sei, seien diese in der Regel auch genügend begründet gewesen.
Auch die Grünen sind über das Handeln der FDP und Der Mitte enttäuscht. «Mit dem Ergreifen des Referendums wird die dringend benötigte Klima- und Energiestrategie Stadt Luzern abgeschwächt und die Abstimmung wie auch der Start der Umsetzung verzögert», schreiben sie in einer Mitteilung. Das Vorgehen unter Federführung der FDP sei aus ihrer Sicht nicht partnerschaftlich und beweise ihre fehlende Bereitschaft, echt und breit Verantwortung zu übernehmen. «Mit dieser künstlichen Verzögerung stellen sie sich klar gegen eine möglichst rasche Umsetzung von klimawirksamen Massnahmen in Richtung netto null CO2», sagt Co-Präsident Elias Steiner.
Ob die FDP und Die Mitte tatsächlich lediglich für eine Verzögerung sorgen oder ob der Vorschlag des Parlaments abgelehnt wird und das Volk erneut die moderatere Lösung der Bürgerlichen annimmt oder gar beide Vorlagen ablehnt, wird sich zeigen. Spannend wird die Abstimmung auf jeden Fall werden: Sind die Bürgerlichen dem Volk trotz Minderheit im Rat erneut näher, oder ist der Vorschlag des Parlaments das, was die Luzerner:innen wollen? Die 800 Stimmen, welche die Bürgerlichen benötigen, damit über das konstruktive Referendum abgestimmt wird, sind wohl lediglich eine Formsache. Die verschiedenen Varianten kommen wohl im September vors Volk.
Marcel Habegger