Stadtrat hält sein Wort nicht
Im Vorfeld an die Abstimmung zur Initiative «Lebendiges Inseli statt Blechlawine» wurde dem Volk vom Stadtrat versprochen, die Määs würde auch bei einer Annahme der Initiative auf dem Inseli bleiben, nun muss zumindest der Lunapark doch weg.
Wir könnten auch mit einem Schotterplatz gut leben», hatte Yannick Gauch (Juso), Initiant der Initiative und Grossstadtrat, am 2. September 2017 in der «Luzerner Zeitung» gesagt. Und der damalige Luzerner Stadtschreiber Urs Achermann liess sich in derselben Ausgabe folgendermassen zitieren: «Um eine Oberfläche naturnah zu gestalten, gibt es verschiedene Möglichkeiten – es ist nicht zwingend eine Wiese verlangt.» Mit diesen Aussagen betonten beide, dass die Herbstmesse auch bei einer Annahme der Initiative Platz auf dem Inseli haben würde, dies betonte auch der Stadtrat selbst.
Fünf Jahre später muss die Määs beziehungsweise zumindest der Lunapark weg, obwohl «alle» an der Määs am aktuellen Standort festhalten wollten und es gemäss der Aussage des früheren Stadtschreibers viele Gestaltungsmöglichkeiten gegeben hätte. Wie ist das möglich? Die Stadt schreibt in ihrer Medienmitteilung vom 18. Januar: Aus der Machbarkeitsstudie sei keine Lösung hervorgegangen, die die Akzeptanz aller Beteiligten geniesse.
Eine dieser Varianten wäre gewesen, das Inseli als reine grüne Parkanlage zu gestalten. Die Warenmesse der Määs könnte so zwar weiterhin auf dem Inseli stattfinden. Der Lunapark wäre dort aber nicht mehr möglich, da die grossen Bahnen und Anlagen einen festen Untergrund benötigen. Ein solcher Untergrund auf Kosten des Grünanteils wird bei den beiden anderen Varianten vorgeschlagen.
Eine sieht einen Platz im südlichen Bereich des Inselis vor, auf dem zumindest ein Teil der Anlagen des Lunaparks aufgestellt werden könnte. Bei der dritten Variante soll der ganze Carparkplatz zum Multifunktionsplatz umfunktioniert werden. Doch selbst bei dieser Variante könnten gemäss dem Stadtrat weniger Anlagen als heute aufgestellt werden, da für den Erhalt der Bäume auf dem Inseli zusätzliche Rasenflächen mit Unterpflanzungen erstellt werden müssen.
Die FDP hatte davor gewarnt
Grossstadtrat Fabian Reinhard (FDP) hatte bereits vor der Abstimmung 2017 gewarnt, dass die Bevölkerung getäuscht werde, dass die Juso mit ihrer Aussage, ein Schotterplatz wäre für sie ebenfalls in Ordnung, die Initiative verdrehe und dass die Initiative klar ein grünes Inseli fordere.
Yannick Gauch hatte sich nach der Annahme der Initiative bei den Diskussionen kritisch gegenüber der Variante mit einem grossen Platz geäussert, da diese aus seiner Sicht zu stark dem Status quo entsprochen hätte. Gauch war als Vertreter des Initiativkomitees Teilnehmer an insgesamt drei städtischen Workshops. An diesen Treffen waren unterschiedliche Interessenvertreter:innen anwesend. «Die Variante mit einem teilweise befestigten Grund (Platz Süd) war für mich ein möglicher Kompromiss. Die Entscheidung für die Variante ‹grünes Inseli› haben dann aber nicht wir, sondern der Stadtrat gefällt», erklärt Gauch. Er habe immer betont, dass die Initiant:innen es begrüssen würden, wenn die Määs weiterhin auf dem Inseli stattfinden könne. Dabei hätten sie sich auf die Einschätzung des Stadtrats gestützt, der damals davon ausging, dass die Umgestaltung des Inselis mit der Määs vereinbar sei. «Als Milizpolitiker muss man sich bei solchen Fragen auf die Einschätzungen der Expert:innen verlassen. Von bewusster Täuschung kann also nicht die Rede sein», stellt Gauch klar.
Reinhard: «Es ist ein Widerspruch»
«Warum schreibt der Stadtrat in der Medienmitteilung, dass die ‹damals gemachten Aussagen nicht eingelöst werden können› und nicht machbar seien, schreibt aber gleichzeitig von in der Machbarkeitsstudie untersuchten Varianten, welche den Lunapark nicht vom Inseli verdrängt hätten? Wie erklärt der Stadtrat diesen Widerspruch? Will er nicht oder kann er nicht?», stellt Fabian Reinhard infrage.
Gemäss Baudirektorin Manuela Jost gab es mehrere Gründe, die den Stadtrat dazu veranlasst haben, auf den Lunapark auf dem Inseli ab 2027 zu verzichten und einen anderen Standort zu suchen. «Einer dieser Gründe ist, dass bei einem gesamten Erhalt der Määs auf dem Inseli in einem Bereich keine Bäume gepflanzt werden können, weil die grossen Fahrgeschäfte einen festen Untergrund und Ein- und Ausfahrten im heutigen Umfang benötigen», sagt sie. «Der Spielraum für eine Neugestaltung wäre dann sehr klein: Beispielsweise können aufgrund der neu geltenden Gewässerraumabstände zukünftig Buvetten und Spielplatz nicht mehr so nah am Wasser sein wie heute. Eine Buvette könnte theoretisch auf einem Schotterplatz platziert werden, ein Spielplatz jedoch nicht», erklärt Manuela Jost. Diese grossen Einschränkungen und zusätzlich die Erkenntnis, dass der Lunapark so oder so während zehn Jahren Bauphase des Durchgangsbahnhofs nicht auf dem Inseli stattfinden könne, hätten den Stadtrat dazu bewogen, sich für die Variante «grünes Inseli» zu entscheiden. «Der Entscheid fiel uns nicht leicht. Aber das Volk hat sich für ein grünes Inseli entschieden, und wir sind überzeugt, dass dies mit dieser Variante am besten umsetzbar ist», sagt Manuela Jost.
Nur 864 Stimmen Differenz
Nur stellt sich die Frage: Hätte das Volk auch so gestimmt, wenn von Beginn an klar gewesen wäre, dass die Määs, wie sie zuletzt durchgeführt wurde, nicht auf dem Inseli bleiben kann? Die Luzerner:innen haben der Initiative mit 51,6 Prozent beziehungsweise 13 840 zu 12 976 Stimmen sehr knapp mit einer Differenz von 864 Stimmen zugestimmt. Gut möglich, dass einige anders abgestimmt hätten.
Die FDP Stadt Luzern hat eine entsprechende Interpellation eingereicht, in der sie vom Stadtrat unter anderem wissen will, ob eine neue Abstimmung nötig sei, wenn der Stadtrat sein Wort nicht halten könne, wie gross die Gefahr einer Stimmrechtsbeschwerde sei und welche Erfolgschancen eine solche haben würde. Fordert die FDP selbst eine neue Abstimmung? «Wir warten nun die Antworten der Interpellation ab. Ich hoffe schon, dass der Stadtrat noch zur Vernunft kommen wird», sagt Fabian Reinhard.
Klar ist, dass der Stadtrat sich für die Määs aussprach, obwohl er 2017 noch gar nicht wusste, ob sich eine Määs und die Umsetzung der Initiative vereinbaren lassen würden. «Was wir unterschätzt haben, sind die sehr grossen Auswirkungen, welche der Verbleib des Lunaparks bedeutet. Seit der Abstimmung hat sich einiges geändert, was den Spielraum für eine Neugestaltung stark einschränkt», sagt Manuela Jost und erwähnt, dass das Thema Stadtklima stark an Bedeutung gewonnen habe. «Wir müssen zu den Bäumen Sorge tragen und können sie nicht einfach fällen. Dies führt dazu, dass der Lunapark auf dem Inseli so oder so verkleinert werden müsste», erklärt sie. Bei dieser Aussage wird der Verein Baumfreunde Luzern hellhörig werden. Der Verein hatte bereits kritisiert, dass beim Bau der Velostation an der Bahnhofstrasse rund 14 Kastanienbäume weichen müssten. Über die Velostation stimmen die Luzerner:innen am 13. Februar ab.
Der Stadtrat wird nun gefordert sein, das angekratzte Vertrauen wiederherzustellen. Auch bei der Initiative Reuss-Oase (Abstimmung voraussichtlich im Mai), bei der es um eine Aufwertung des Reussufers gehen wird, werden Gestaltungspläne im Zentrum stehen. So ist darin beispielsweise die Aufwertung des Geissmattparks enthalten. Für die Anwohner:innen wird bei der Stimmabgabe entscheidend sein, welche Änderungen beim Park vorgesehen sind.
Marcel Habegger