Sozialwerk Wärchbrogg am Puls der Zeit

Die Wärchbrogg ist seit Jahren ein Erfolgsrezept. Ein Grund dafür ist, dass es der sozialen Institution gelingt, neben der Integration schnell auf aktuelle Trends zu reagieren.

Im «Quai 4» verzichtet man auf Verpackungen und liegt dabei voll im Trend.

Im «Quai 4» verzichtet man auf Verpackungen und liegt dabei voll im Trend.

Die Werkstatt war das erste von heute drei Standbeinen der Wärchbrogg. Bilder: PD

Die Werkstatt war das erste von heute drei Standbeinen der Wärchbrogg. Bilder: PD

Im Jahr 1962 haben einige betagte Frauen unter der Aufsicht von Sozialarbeiterin Gertrud Schreiber im Auftrag der Luzerner Firma Hestia Weihnachtsschmuck hergestellt. Es war der Tag, an dem die Geschichte der heutigen Wärchbrogg ihren Anfang nahm. 60 Jahre später beschäftigt die soziale Einrichtung gut 180 Mitarbeitende, davon rund 40 Betreuungspersonen und 140 Personen mit zumeist einer psychischen Beeinträchtigung. Fast alle von ihnen beziehen eine IV-Rente und arbeiten in einem 50-Prozent-Pensum.

Soziale Integration zu ermöglichen, gleichzeitig aber mit der Zeit zu gehen, ist einer der Erfolgsfaktoren der Wärchbrogg. Im Tribschenquartier bietet der «Quai 4»-Markt seit der Eröffnung im Jahr 2014 am Alpenquai 4 Bioprodukte aus der Region an und verzichtet im Laden auf Verpackungen. 2019 kam die Filiale an der Baselstrasse 66 sowie das Bistro in der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern hinzu. Weiter werden Bio-Früchte-Abos und Gemüseabos an Private, Grossbetriebe und Verwaltungen geliefert. Selbst während der Pandemie konnte der Umsatz gesteigert werden. Eine Erfolgsgeschichte ist auch der Lieferdienst mit dem E-Bike. Es gibt gar Luzerner:innen, die sich auf diesem Weg täglich die Produkte nach Hause liefern lassen. Im Restaurant im «Quai 4» hat die Wärchbrogg im Mai praktisch jeden zweiten Tag ein Bankett von Firmen und Privaten angemeldet. Gruppenreservationen für Bankette bieten einen strukturierten Rahmen und sind demnach ideal für Personen mit einer psychischen Einschränkung.

 

Fast doppelt so viele Mitarbeitende

Die Wärchbrogg ist aber nicht nur Restaurant und Markt, den Ursprung hat die soziale Institution bei der Werkstatt. Die bildet das dritte Standbein des Betriebs. Für Norbert Bucheli, Geschäftsführer der Wärchbrogg, ist genau das ein wichtiger Teil der Erfolgsgeschichte. «Als es während der Pandemie im Restaurant schwierig war, vermochten es die anderen Bereiche auszugleichen», erklärt er. Vor 20 Jahren waren in der Werkstatt noch 4 Fachpersonen und 48 Mitarbeitende beschäftigt, heute sind es fast doppelt so viele. Bearbeitet werden Aufträge wie Verpacken von Waren, Kontrollarbeiten, Teilemontagen oder Papierverarbeitungen. Gemäss Bucheli stimmt die Entwicklung auch hier. 

 

Bucheli hätte Anstieg erwartet

Die Wärchbrogg hat einen Leistungsauftrag des Kantons, mit dem rund die Hälfte des finanziellen Aufwands gedeckt wird. Zudem erwirtschaftet die Institution mit ihren drei Standbeinen rund 50 Prozent, die für den Betrieb benötigt werden, selbst. Eine Erweiterung wird moderat angestrebt. «Wenn wir mehr Aufträge erhalten, benötigen wir mehr Mitarbeitende und entsprechend mehr Arbeitsagogen», erklärt Bucheli. Die enge Begleitung der Mitarbeitenden ist das A und O für die Bearbeitung der Aufträge. Die ruhige Art der Arbeitspädagogen ist entscheidend. Aktuell sind die Arbeitsplätze zu rund 95 Prozent besetzt. Für Bucheli eher überraschend. «Ich hätte gedacht, dass die Anzahl der Mitarbeitenden aufgrund der Pandemie ansteigen würde.» 

 

Die ersten Lernenden ab Sommer

Im Sommer werden die ersten Lernenden mit einer Beeinträchtigung in den Bereichen Detailhandel und Gastronomie ihre Ausbildung in der Wärchbrogg starten. Mit der Ausbildung will man eine Brücke zum Arbeitsmarkt schlagen und die Lernenden dabei unterstützen, dort Fuss zu fassen. Generell ist man gemäss Norbert Bucheli bestrebt, die Mitarbeitenden, wenn möglich und wenn sie dies wollen, beim Schritt in den ersten Arbeitsmarkt zu unterstützen. Die meisten sind aber mehrere Jahre in der Wärchbrogg tätig. 

 

Die UNO ist nicht zufrieden

Für die Zukunft sind für Norbert Bucheli zwei Bereiche entscheidend: einerseits die Wärchbrogg in ihren sozialen Kernkompetenzen weiterzuentwickeln. «Die Schweiz wurde von der UNO kürzlich kritisiert, dass man bei der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention (UNBRK) noch zu wenig weit ist», erklärt Bucheli. «Wir sind also generell als Schweiz gefordert.» Andererseits gehe es auch in den nächsten Jahren darum, die drei Standbeine Markt, Restaurant und Werkstatt weiter zu fördern.

Marcel Habegger

 

Box: Jubiläumsfeier mit Marcel Hug und Marco Odermatt
Donnerstag, 5. Mai, ab 11.30 Uhr
Ort: Vögeligärtli
Programm:
11.30 Uhr, Begrüssung
11.45 Uhr, Tanzeinlage «Chlini Händ» mit dem Wärchbrogg-Team
12 bis 13 Uhr, Autogrammstunde mit Marcel Hug und Marco Odermatt
12 bis 13.30 Uhr, Gratisgetränke und kleine Geschenke

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