Sightseeing der speziellen Art
Sandra Stöckli ist seit einem Jahr Leiterin Super-/Verbrauchermarkt bei der Migros Luzern. Im Interview erklärt sie unter anderem, wie sich ihre Karriere schon im Kindesalter in den Ferien abgezeichnet hat.
Was ist Ihre berufliche Ausbildung?
Meine berufliche Laufbahn startete ich mit einer kaufmännischen Lehre. Danach habe ich den Betriebswirtschafter HF und den eidgenössisch diplomierten Marketingleiter absolviert. Um mich bei den digitalen Themen fit zu machen, habe ich kürzlich das CAS Digital Masterclass an der HWZ abgeschlossen. Meine wichtigsten Lehrmeister/innen waren jedoch immer die Menschen, mit denen ich gestalten durfte und die vielen spannenden Aufgaben der letzten Jahre.
Haben Sie Ihre berufliche Laufbahn von Anfang an vor sich gesehen?
Nein, überhaupt nicht. Für mich war stets wichtig, dass ich etwas bewegen, gestalten und entwickeln konnte. Und dass mir das, was ich tue, Freude bereitet. So hat mich mein Weg zuerst in die Finanzwelt, dann in die Industrie und zu guter Letzt in den Detailhandel geführt. Also kein ganz klassischer Karriereweg.
Was war Ihr erster Berufswunsch als Kind?
Flugbegleiterin. Ich stellte mir vor, dass ich so alle Länder auf dieser Erde entdecken könnte. Die Reisefreude ist bis heute geblieben. Bereits als Kind wollte ich allerdings in den Ferien immer Supermärkte besuchen, weil ich es spannend fand, zu sehen, was die Menschen im jeweiligen Land essen. Somit waren die Weichen für die Zukunft doch unbewusst schon früh gestellt.
Worauf sind Sie in Ihrer Laufbahn besonders stolz?
Für all die Möglichkeiten, die ich erhalten habe, zusammen mit tollen Menschen einen Unterschied zu machen, zu verbessern und zu entwickeln. Zudem auf die Mitarbeitenden, die ich begleiten durfte – und dabei ebenfalls enorm viel gelernt habe.
Ist kompetente Unternehmensführung erlernbar?
Grundlagen, Werkzeuge und Prinzipien sind sicher gut erlernbar. Um erfolgreich zu sein, braucht es zudem eine gute Empathie, gesunden Menschenverstand, Risikobereitschaft, Flexibilität und ein gutes Gespür für die Kunden und den Markt. Das sind Eigenschaften, mit denen man teilweise geboren wird oder sich mit Erfahrung aneignen kann.
Was geht Ihnen auf die Nerven?
Endlose Diskussionen, weshalb etwas nicht funktioniert ohne Fokus auf Lösungen. Themen, welche nicht wirklich durchdacht wurden und dann entsprechend unnötig infolge schlechter Planung bei der Umsetzung scheitern.
Darf ein Chef/eine Chefin auch Schwächen zeigen?
Unbedingt. Jemand, der keine Schwächen zeigt, ist für mich nicht authentisch und glaubwürdig. Wichtig ist, dass man sich insbesondere auf seine Stärken fokussiert, sich seiner Schwächen bewusst ist und sich so organisiert, dass man seine Ziele erreicht.
Welche sind es bei Ihnen?
Da müssten Sie meine Mitarbeitenden fragen. Aber ich bin sicher nicht ein besonders geduldiger Mensch.
Worüber können Sie herzlich lachen?
Über eine gute Geschichte, mich selber oder Alltagssituationen, die gerade so gar nicht nach Plan verlaufen.
Was sagen Ihre Mitarbeitenden über Sie?
Aus all den Feedbacks, welche ich in den letzten Jahren erhalten habe, würde ich Folgendes sagen: Dass mich so schnell nichts aus der Ruhe bringt, engagiert, entscheidungsfreudig, kreativ, strukturiert, direkt auf den Punkt. Und dass ich «den Fünfer» auch einmal gerade lassen kann und entsprechend stets nach vorne schaue.
Wie reagieren Sie auf Kritik?
Konstruktive Kritik und direktes, ehrliches Feedback meiner Mitarbeitenden oder Kollegen ist für mich enorm wertvoll, leider aber auch zu selten. Ich habe mich aber auch vom Gedanken verabschiedet, dass ich es allen immer recht machen kann.
Welchen Stellenwert haben für Sie soziale Netzwerke, beruflich und privat?
Diese sind für mich beruflich und privat hilfreich und eine wichtige Plattform für Informationen, Austausch und Inspiration. Bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitenden heute nicht mehr wegzudenken. Wichtig bleibt aber für mich auch weiterhin der persönliche und physische Kontakt. Das ist mir gerade auch in den letzten Monaten sehr bewusst geworden, wo der Austausch insbesondere digital stattgefunden hat. Es braucht eine gute Balance.
Welches berufliche Erlebnis hat Sie am stärksten geprägt?
Ich kann hier kein einzelnes Erlebnis nennen. Am meisten geprägt haben mich die Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzte, mit denen ich zusammenarbeiten, lernen und mich entwickeln durfte. Und speziell auch die Situationen und Menschen, die mich gefordert und aus der Reserve geholt haben.
Wie lauten Ihre wichtigsten Führungsgrundsätze?
Wichtig ist, dass ich für meine Mitarbeitenden nachvollziehbar und greifbar als Mensch bin. Das gelingt durch Offenheit, Transparenz und Klarheit. Wichtig ist auch ein wertschätzender, respektvoller Umgang und ein Dialog auf Augenhöhe. Im gemeinsamen Tun ist Freude, Begeisterung und Eigenverantwortung für den Erfolg ein entscheidender Faktor.
Haben sich Ihre Führungsprinzipien in den letzten Jahren verändert?
Ja, und diese werden sich auch in den nächsten Jahren noch verändern, zumal sich auch die Arbeitswelt laufend entwickelt. Heute ist mir wichtig, die Menschen viel mehr einzubinden, ihre Meinungen und Sichtweisen zusammenzubringen und sie eigenverantwortlich arbeiten zu lassen.
Stellen Sie sich vor, Sie würden nochmals am Anfang Ihrer Karriere stehen: Würden Sie nochmals dasselbe erlernen oder studieren oder wäre es etwas anderes?
Mein Weg war bis heute so spannend, dass ich fast alles gleich machen würde. Wenn ich aber nochmals zurückkönnte, würde ich ein paar Jahre im Ausland arbeiten. Durch andere Kulturen und Märkte lernt man innert kürzester Zeit enorm viel.
Wann und wo können Sie wirklich abschalten?
Am besten gelingt mir dies in der Natur oder beim Yoga. Seit ein paar Jahren meditiere ich auch regelmässig, allerdings gelingt es mir noch nicht immer, wirklich abzuschalten. Oder bei einem guten Essen mit meinen Freunden und spannenden Gesprächen über Gott, die Welt und die Migros.
Elma Softic / Marcel Habegger