Positives Zwischenzeugnis
Die laufende Saison ist geprägt von Spielverschiebungen und entsprechend unplanbar. Dennoch beweist die Mannschaft von Goran Perkovac, dass mit ihr zu rechnen ist.
Seit knapp einem Jahr prägt Covid-19 das private und gesellschaftliche Leben. Betroffen davon ist nahezu jeder Bereich. Auch der hiesige Handball wurde nicht verschont. Während im Breitensport derzeit der Spielbetrieb komplett ruht, um die Weiterverbreitung der tückischen Krankheit zu verhindern, nimmt der Profibetrieb seinen Fortgang. Bereits mussten sich fünf komplette Teams auf behördliche Anordnung in Quarantäne begeben. Das führte zu zahlreichen Verschiebungen und die Tabelle muss im eigentlichen Sinne nach Verlustpunkten gerechnet werden.
Dennoch, die SHL wie auch die Klubs mit ihren strengen Hygienekonzepten beweisen, dass die Fortführung der Meisterschaft der einzig richtige Entscheid ist. Ebenfalls richtig war auch das Vorgehen im März, einen Abbruch herbeizuführen. Die Blau-Weissen waren dazumal wie heute im Strumpf. Nicht wenige behaupteten, dass der HCKL ins Endspiel vorgedrungen wäre – reine Hypothese. Als Trostpflaster nominierte die SHL den HC Kriens-Luzern für die EHF European League.
Drama Europacup
Entsprechend gross waren Freude und Motivation, sich europäisch messen zu dürfen. Grosses hatte man vor, die Gruppenphase sollte erreicht werden. Für dieses Vorhaben mussten die Krienser zwei Hürden überspringen, keine kleinen, wohlgemerkt. Zum Auftakt trafen die Innerschweizer auf RK Dubrava in der Krauerhalle. Mit zwei Toren Differenz fiel die erste Partie der neuen Saison überhaupt zugunsten des Gastgebers aus. «Wir haben heute gesehen, dass wir nicht chancenlos sind. Aber wir müssen uns klar steigern», prophezeite Neo-Kapitän Adi Blättler nach Spielschluss. Die Aufgabe in der kroatischen Kapitale konnte dann souverän mittels eines konzentrierten Auftritts gemeistert werden.
Schlag auf Schlag ging’s weiter. Der HC Kriens-Luzern stand nun alle drei bis vier Tage im Einsatz. «Rückblickend sind wir mit dem hohen Rhythmus überraschend gut zurechtgekommen», analysiert Trainer Goran Perkovac. Die Losgöttin bescherte dem HCKL für die zweite Qualifikationsrunde das nordmazedonische Spitzenteam HC Metalurg. Trotz Überlegenheit mussten die Luzerner die Heimreise aus Skopje mit einer Zwei-Tore-Niederlage antreten. Dennoch war die Zuversicht gross, den Bock in der Krauerhalle umzustossen. Weil die Innerschweiz über schlichtweg keine geeignete Halle verfügt, musste das Heimspiel in der Zürcher Saalsporthalle ausgetragen werden. Gegen 800 Zuschauer fanden den Weg in die Zwinglistadt und wollten dabei sein, wenn der HC Kriens-Luzern als erste hiesige Mannschaft den Einzug in eine europäische Gruppenphase bewerkstelligt. Auch in diesem Vergleich führte der HCKL die feinere Klinge, kämpfte jedoch mit dem eigenen Nervenkostüm. Beste Möglichkeiten blieben liegen, sichere Tore fielen zum Opfer des glänzenden Schlussmanns oder der Torumrandung. Trotzdem gelang dem HC Kriens-Luzern in der sprichwörtlich letzten Sekunde der vermeintliche Ausgleich zum 22:22. Das Spielleiter-Duo aus Serbien sah den Sachverhalt anders und entschied, dass das Spielgerät die Torlinie erst nach der Sirene passierte.
Während Metalurg den glücklichen Einzug in die Gruppenphase feierte, leckte man sich beim Schweizer Vertreter die Wunden. Wohlgemerkt gab keiner die Schuld am Ausscheiden den Unparteiischen, denn die zahlreichen Fehler mussten und hatten die Blau-Weissen in den eigenen Reihen zu suchen und zu finden. «Wir standen vor einer unglaublichen Chance und konnten sie am Ende leider nicht packen», so Goran Perkovac, der noch lange mit dem bitteren Verdikt haderte. Die Krienser haben sich geschworen, aus den gemachten Fehlern zu lernen und im nächsten Jahr einen weiteren Angriff auf Europa zu starten.
Ausrufezeichen im Schweizer Cup
Während das Abenteuer Europa bereits zur Kategorie Vergangenheit zählt, ist der HCKL betreffend sein zweites Saisonziel – Teilnahme am Cupfinal – mehr als auf Kurs. Zum Auftakt, wie könnte es auch anders sein, durfte der HCKL-Tross im Sechzehntelfinal in die Uhrenstadt reisen und traf auf den B-Ligisten HS Biel. Die Pflicht wurde mehr oder weniger souverän mit 32:25 verrichtet. Mehr aber auch nicht. Im Achtelfinal durfte Blau-Weiss gegen den Ligakonkurrenten aus Basel in der Krauerhalle antreten. Die Partie bleibt als Machtdemonstration in Erinnerung. Mit gleich 18 Toren Differenz schlug die Niederlage dem RTV mächtig aufs Gemüt, da konnte auch die Verstärkung von Routinier Ramseier nicht helfen.
Spannender, ja fast dramatisch ging’s Ende Oktober in der schmucken AXA-Arena zu und her. Während sich der Cupfight nach 30 wie auch 60 absolvierten Minuten resultatmässig ausgeglichen präsentierte, lag Pfadi nach dem ersten Seitenwechsel knapp in Front. Die kompakte wie auch junge HCKL-Truppe liess den Kopf jedoch nicht hängen und griff in die Moralkiste. Die verbleibende Zeit genügte, um das Score dank einer Dublette von Neuzugang Lapajne zu wenden – und den verdienten Einzug in die Runde der letzten vier einzutüten. «Das war eine fast perfekte Leistung von uns», resümierte ein strahlender Goran Perkovac inmitten des Krienser Freudentaumels. «Für uns zählt in diesem Wettbewerb nur der Final», bestätigte auch der überragend haltende Paul Bar die Ambitionen der Seinen.
An der Spitze etabliert
Noch stilsicherer als im Europacup oder Pokal tritt der HC Kriens-Luzern im Meisterschaftsbetrieb auf. Zwölf Siegen stehen zwei absolut vermeidbare Niederlagen sowie ein fast tragisch zu wertendes Remis gegen GC Amicitia gegenüber. Das Schlusslicht der Liga entführte einen Zähler aus der Krauerhalle. Es sollte der einzige Zähler sein, den sich die blasse Zürcher Equipe gutschreiben lassen konnte. Der einzig positive Aspekt ist darin zu finden, dass die Krienser Mannschaft den berühmten schwarzen Tag bereits eingezogen hat für diese Spielzeit. Dass das Remis gegen den Traditionsverein als ein Ausrutscher gewertet werden kann, verdeutlichen die vielen ansprechenden Leistungen. Nicht umsonst hat sich der HC Kriens-Luzern als zweite Kraft hinter den Kadetten etabliert.
Spätestens mit dem Bezug der Pilatus-Arena soll das Epizentrum des Schweizer Handballs in der nach oben offenen Begeisterungsskala in Luzern zu finden sein. Unlängst wurde der Vertrag mit Erfolgstrainer Perkovac um drei weitere Jahre verlängert. Der ehemalige Borba-Meisterspieler versteht es mit seinem Trainerstab ausgezeichnet, die talentierten Jungen einzubauen – und trotzdem an der Tabellenspitze den Takt vorzugeben. «Wenn wir unsere Leistung abrufen, bekundet in der Schweiz jede Mannschaft Probleme gegen uns», so der HCKL-Cheftrainer.
Entwicklung macht Lust auf mehr
Geschuldet ist der aktuelle Zustand auch der Defensive. Mit Aljaz Lavric verfügt der HCKL in der Liga über den mit Abstand besten Verteidiger am Kreis. Der sympathische Hüne sorgt mit seinen tentakelartigen Interventionen oftmals für einen Angriffsstopp und harmoniert mit dem immer besser werdenden Filip Gavranovic oder Publikumsliebling Gino Gavranovic schlichtweg hervorragend. Auch in der Offensive sind die Krienser nun breiter aufgestellt. Janus Lapajne sorgte mit seiner Klasse auch dafür, dass die Verantwortung nicht mehr nur durch Topscorer Hleb Harbuz getragen wird.
Freude bereitet auch die Entwicklung der Jungen im Kader von Blau-Weiss. Neuzugang Levin Wanner überzeugt in seiner ersten NLA-Saison auf der Flügelposition. Ammar Idriz gelingt es immer mehr, seine in der Tat unbestrittenen Fähigkeiten in Tore umzumünzen. Oder Tim Rellstab, der schlichtweg alles mitbringt, um international durchzustarten. Der Zürcher Shooter wird im kommenden Frühling seine Ausbildung als Schreiner beenden und voll auf die Karte Handball setzen. Ebenfalls konstant Fortschritte erzielt Moritz Oertli, der sich trotz seines jugendlichen Alters als Teamstütze etablieren konnte. «Wir dürfen derzeit sehr zufrieden sein», bilanziert Perkovac wenige Wochen vor Jahresende. «Dennoch wird uns die Arbeit auch nach Silvester nicht ausgehen», so der Stadtluzerner, «schliesslich wollen wir unsere Ziele in dieser Saison erreichen und an unserer langjährigen Strategie festhalten.» Nicht unweit der Krauerhalle würde man es wie folgt umschreiben: «Feste feiern und Pokale gewinnen.» Nur mit dem Unterschied, dass es sich beim HCKL nicht um Wunschdenken handelt.
Dany Frank