«Outing sollte unnötig sein»

Christian Sprenger, Präsident der Pride Zentralschweiz, blickt dem Event vom Samstag entgegen und spricht über das Ziel der Veranstaltung und die Bedeutung der gendergerechten Sprache.

Im Jahr 2005 eröffnete der damalige Stadtpräsident Urs W. Studer die Gay-Pride auf dem Löwenplatz. Bild: Eveline Bachmann/Neue LZ

Im Jahr 2005 eröffnete der damalige Stadtpräsident Urs W. Studer die Gay-Pride auf dem Löwenplatz. Bild: Eveline Bachmann/Neue LZ

Präsident Christian Sprenger. Bild: zvg

Präsident Christian Sprenger. Bild: zvg

Christian Sprenger, in der Schweiz kennt man vor allem die Pride in Zürich. Ist die Pride Zentralschweiz dasselbe, findet aber einfach in Luzern statt?

Die beiden Veranstalter haben natürlich dieselben Ideen. Die Pride-Bewegung steht für Gleichberechtigung und- pflichten ein. Wir konzentrieren uns auf die ganze Zentralschweiz und hatten im letzten Jahr beispielsweise Informationsstände in ­Engelberg, Altdorf, Schwyz und Stans.

Wie wurden Sie dort empfangen?

Interessanterweise denken viele, die Zentralschweiz sei sehr konservativ. Natürlich gab es bei den Standaktionen auch kritische Stimmen, aber wir hatten auch sehr viele gute Gespräche.

Was ist Ihnen wichtig? Welche Botschaft wollen Sie an der Pride vermitteln?

Uns geht es um die Sichtbarkeit der LGBT+-Personen, um zu zeigen, dass wir keine Ausserirdischen sind und genau so sind wie andere Leute auch, nur vielleicht etwas anders lieben oder leben. Aber am Ende sind wir alle Menschen. Das wollen wir zeigen.

Manchmal erhält man den Eindruck, es wird fast mehr über die richtige Schreibweise als über die Sache an sich diskutiert. Wie wichtig ist Ihnen das persönlich?

Stimmt, die Diskussion über Dinge wie Genderstern oder -doppelpunkt ist riesig. Wenn wir alle die gleichen Rechte und Pflichten hätten, dann wäre es eigentlich keine grosse Sache, dann würde sich aber die Bezeichnung auch automatisch anpassen. Dadurch, dass es diese Unterschiede gibt, ist aber auch die gendergerechte ­Sprache wichtig, damit Personen, die in der Minderheit sind, auch inkludiert werden.

Mit wie vielen Besuchenden rechnen Sie?

Das ist natürlich schwer abzuschätzen. Vor 17 Jahren gab es in Luzern schon einmal eine Pride. Da waren zwischen 12 000 und 15 000 Personen vor Ort. Ich bin zuversichtlich.

Für wen ist die Pride gedacht, wer darf kommen?

Alle Menschen sind eingeladen. In der LGBT-Community wird der Event natürlich am meisten beworben. Uns ist aber eben auch wichtig, dass andere Leute kommen, denn wir wollen ja nicht einfach einen Event für uns organisieren.

Wie waren die Rückmeldungen während der Vorbereitungen?

Die meisten Leute haben wirklich Freude, dass in Luzern nach 17 Jahren wieder eine Pride stattfindet. Es wird aber auch geschätzt, dass wir uns nicht nur auf Luzern, sondern die gesamte Zentralschweiz konzentrieren.

Wie viele Mitglieder zählt der Verein Pride Zentralschweiz inzwischen?

Der Verein wurde vor zweieinhalb Jahren gegründet und zählt mittlerweile gegen 100 Mitglieder. Wir wollen auch nicht ­lediglich einen Event durchführen, wir wollen regelmässig Anlässe organisieren.

Wann sind Sie mit dem Anlass vom nächsten Samstag zufrieden?

Wenn wir an der Pride viele glückliche Gesichter sehen. Wenn wir Leuten, die sonst eher Mühe bekunden, sich zu öffnen, offen begegnen. Das alleine wäre bereits ein gelungener Event.

Können Sie zum Abschluss noch kurz erklären: Was heisst LGBT+ genau, welche Schreibweise ist denn die richtige?

Meist bekannt ist ja LGBT, also lesbisch, gay, bisexuell und transsexuell, aber da-mit sind noch nicht alle eingeschlossen. Deshalb wird ein Plus oder ein Stern angehängt, um beispielsweise nonbinäre Personen, asexuelle oder aromantische Personen ebenfalls einzubeziehen.

Die Liste an sexuellen Orientierungen, die das + beinhaltet, wäre noch viel länger ...

Ich finde, das ist eben auch das, was einen Menschen ausmacht. Dass ein Mensch nicht einfach binär ist und dass es viele verschiedene Arten von Persönlichkeiten gibt und sich eben jede Person so fühlen und so leben darf, wie sie will.

Die jungen Personen stehen dem Thema eher offener gegenüber, dementsprechend gibt es auch die meisten Outings unter 30 Jahren. Ist diese These korrekt?

Es gibt eine Studie, die besagt, dass sich Leute über 30 zu über 70 Prozent als hetero- oder homosexuell bezeichnen. Unter 30 sind es 50 Prozent, die sich im ganzen Spektrum bewegen. Die junge Generation ist interessierter oder sieht die Vielfalt viel mehr als die ältere Generation.

Es outen sich ja wohl auch eher Personen unter 30 Jahren, homosexuell zu sein.

Ja, das ist wohl meistens früher. Es gibt aber auch viele Personen, die es schon früh fühlen, es sich selbst aber nicht eingestehen oder zeigen können. Es gibt auch bei den Transpersonen viele Leute, die sich erst in höherem Alter dessen bewusst werden, dass sie zu ihrer Orientierung stehen dürfen. Ich persönlich meine sogar: Weshalb ist ein Outing überhaupt nötig?

Wie meinen Sie das?

Ich sage ja auch nicht an einem Tag X: Ich bin heterosexuell. Das ist, was meiner Meinung nach das Ziel sein muss. Dass wir eine Gesellschaft haben, in der ich nicht sagen muss, wie ich bin, sondern einfach so bin, wie ich bin. Ein Outing sollte unnötig sein.

Marcel Habegger

 

Veranstaltungsinfo

Datum: Samstag, 3. September

14 bis 23 Uhr:

Beratung und Info im Bistro des Bourbaki mit Infoständen

Von 19 Uhr bis 20 Uhr:

Ansprachen auf dem Theaterplatz

Redner:innen: Beat Züsli, Stadtpräsident Stadt Luzern, Jill Nussbaumer, Kantonsrätin Zug, Heike Henfling, Talent und Attraction Schindler Aufzüge Ebikon, Udo Rauchfleisch, Psychoanalytiker und Buchautor, Davide Milano, Aktivist

Von 20 bis 21.30 Uhr:

Demonstration, Route: Theaterplatz, Franziskanerplatz, Reussbrücke, Mühlenplatz, Rössligasse, Falkenplatz, Schwanenplatz, Schweizerhofquai, Löwenstrasse, Löwenplatz.

Ab 23 Uhr:

Pride Night Party im Bourbaki

Mehr Infos:

www.pride-zentralschweiz.lgbt 

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