«Nichts mit Abschiedstournee»
Pepe Lienhard kommt am 16. Mai mit einem neu zusammengestellten Musikprogramm ins KKL Luzern. Der 76-Jährige spricht im Interview über sein Publikum, Geld, Schnaps, Avatare und darüber, weshalb es keine Biografie über ihn geben wird.
«Music was my first love» ist der Titel Ihrer Konzerttournee nach dem weltberühmten gleichnamigen Lied. Wer darf den Part von John Miles singen?
Das haben wir aufgeteilt: Die tiefen Parts interpretiert unser kanadischer Sänger Kent Stetler, die Kopfstimmpassagen Dorothea Lorene. So kommt die Nummer als Duett daher. Dazu unser Chor und die Big Band, volle Kanne! Der Song passt hervorragend zu mir. Musik ist meine erste – und meine Frau natürlich die grosse Liebe.
Was darf das Publikum sonst an diesem Abend erleben? Ein Best-of?
In meinem Alter kann ein Konzert nur eine Retrospektive sein. Wir spielen ein breites Spektrum von Genres, natürlich klassischen Big-Band-Sound, aber auch Originelles wie die «Bohemian Rhapsody» von Queen, die auf der letzten Tournee bereits ein Riesenerfolg war. Pino Gasparini, seit 50 Jahren dabei, singt natürlich ein paar nostalgische Titel. Die «Swiss Lady» kommt auch wieder – in einer neuen englischen Big-Band-Version. Einen Udo-Jürgens-Titel haben wir neu arrangiert im Count-Basie-Stil, der ist super geworden.
Wie wird bei Ihnen entschieden, was aufs Konzertprogramm kommt?
Wir haben eine Demokratur. Jeder darf mitreden, am Schluss entscheidet einer! (Lacht.) Ich bin mit all meinen Musikern bestens befreundet, natürlich nehme ich deren Ideen auf. So hat unser Schlagzeuger vorgebracht, die Sendemelodie von «Wetten, dass …?» ins Programm zu nehmen. Die haben wir damals eingespielt, und sie wird heute noch verwendet, komponiert von Barry Trop, einem Amerikaner, der damals Musiker bei uns war und später für Disney arbeitete.
Sie schreiben alle Arrangements für Ihre Big Band selbst?
Früher habe ich das effektiv gemacht. Aber irgendwann hatte ich genug «Tüpfli» aufs Papier gemalt. Heute machen dies Mitglieder der Band, natürlich in Absprache mit mir.
19 Musiker, 7 Sänger:innen, ein Riesenaufwand. Sie sind der letzte Mohikaner der Qualitätsunterhaltungsmusik …
... oder der Dinosaurier! Ich bin zu alt, um etwas Neues anzufangen. Solange es funktioniert, das Publikum uns schätzt und ich gerade auf der Bühne stehen kann, werde ich Musik machen. Ich orientiere mich nicht an Künstlern, die mit 58 schon abtreten.
Für den frühzeitigen Abgang haben Sie wahrscheinlich ein zu seriöses Leben geführt oder frühzeitig aufgehört, ein unseriöses zu führen.
Das Zweite ist richtig formuliert. Als ich 1979 das überaus erfolgreiche Sextett aufgelöst hatte, sprach ich einen Neujahrsvorsatz – den einzigen, den ich je eingehalten habe: «Ich gründe eine grosse Big Band und höre auf, Schnäpse zu trinken.» Die gehen an die Substanz. Ein Priester bin ich deswegen nicht geworden, ein Glas «Roter» macht mir nach wie vor Freude.
Sie sind 76 Jahre alt, Sie müssten nicht mehr arbeiten.
Die Leute haben da ein falsches Bild, nur weil wir im Fernsehen und in den Medien präsent sind. Das heisst noch lange nicht, dass ich viel Geld besitze. Um reich zu werden, ist eine Big Band leider das Allerdümmste, was man machen kann. Mein Antrieb ist aber gute Musik, gespielt von den besten Musikern. Das ist alles nicht billig. Ich habe vier Semester Jus studiert. Wenn es ums Geld gegangen wäre, hätte ich in die Industrie gehen müssen. Aber ich will definitiv nicht jammern.
Wenn Sie in Ihr Publikum schauen: Sehen Sie auch junge Leute?
Seien wir ehrlich: Natürlich ist ein Grossteil unserer Gäste über 50. Wenn die Grossmutter eines 25-Jährigen schwärmt vom Pepe, ist das für diesen ein guter Grund, nicht zu kommen (lacht). Wenn junge Leute uns live erleben, hören wir eigentlich nur: «Hi, ist das geile Musik!» Als Türöffner für uns wirken auch Robbie Williams, der eine Big-Band-CD gemacht hat, oder Michael Bublé. Zudem haben wir eine
tolle Medienpräsenz und sind auf Social Media aktiv.
Abba macht jetzt Konzerte mit Avataren. Wäre das nichts für Sie, nochmals mit Frank Sinatra, Whitney Houston, Quincy Jones oder Udo Jürgens auf der Bühne zu stehen?
Das empfinde ich als Anbiederung an die moderne Welt. Ich hatte die Chance, mit diesen grossartigen Persönlichkeiten Musik zu machen. Das sind super Erinnerungen. Es kommen ja auch immer wieder neue Herausforderungen, zum Beispiel mit The Manhattan Transfer, kurz vor dem Lockdown im KKL. Nein, mit Avataren aufzutreten, ist wohl nicht mein Ding.
Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Musikgenres?
Die Zeit der grossen Fernsehsendungen mit Big Band ist vorbei, alles nur noch Play-back. Was das Schweizer Fernsehen im Dezember 2021 mit uns gemacht hat anlässlich meines Geburtstags in der Sendung «Hello again!», war fantastisch, wir haben es sehr genossen. Das wird es aber kaum mehr geben. Auch wenn wir mal einsam in der Wüste stehen werden, wir ziehen unser Ding durch, solange die Leute Freude haben. Also: nichts mit Abschiedstournee!
Wenn Sie unbeschränkt Budget hätten und niemand dürfte Nein sagen: Mit wem möchten Sie neu auf der Bühne stehen?
Barbra Streisand. Ich habe sie live in London und Zürich gesehen. Wobei da kräftig Budget vorhanden sein muss. Nebst ihrer Gage muss ja auch ein Symphonieorchester her. Nein, sie macht sehr wenig, und dazu nimmt sie ihre Musiker. Nicht wie Frank Sinatra, der nach Monaco kam und sagte, er nehme die anwesende Band, wenn sie gut sei. Das war unsere Chance.
Ihre Erlebnisse sollten Sie in einer Biografie verarbeiten ...
Zum 50., zum 60., zum 70. Geburtstag kamen sie immer wieder, diese Ghostwriter. Nein, es gibt so viele unnötige Biografien. Ich gebe viele Interviews, alles über mich ist längst bekannt. Wenn ich mal gestorben bin, kann einer ein Buch schreiben, aber ich versuche, lebendig zu bleiben. Die richtig guten Storys kann man eh nicht drucken.
Andréas Härry
Konzerthinweis: Pepe Lienhard mit Big Band im KKL Luzern, Montag, 16. Mai, 19.30 Uhr. Tickets: www.ticketcorner.ch