Mit Seewasser gekühlt

Immer mehr Firmen lagern ihre IT-Server-Infrastruktur oder deren Sicherung aus. Mitten in der Stadt Luzern hat EWL das ökologisch nachhaltigste Rechenzentrum der Schweiz eröffnet.

Sehen aus wie die Kleiderkästen in der Badi, aber viel aufwendiger: Marco Reinhard in einem Serverraum des Rechenzentrums. Bild: Andréas Härry

Vier Oscars gewann Regisseur Stanley Kubrick 1968 für seinen Film «2001: Odyssee im Weltraum». Das American Film Institute wählte den Streifen auf Platz eins der besten Science-Fiction-Filme aller Zeiten. Das ist noch nicht genug Huldigung: Jetzt erweist auch EWL dem Kultwerk noch die Ehre. Der Aufenthaltsraum im neuen ­Rechenzentrum in der ehemaligen Zivilschutzanlage nahe der Kanti Alpenquai zitiert mit Farbgebung sowie abgeschrägten Deckenkanten das filmische Meis-terwerk. Umgeben von diesem Raumschiffgroove, können sich Kund:innen des Datacenters tief im Berg von der Arbeit an ihren Servern beim Kaffee erholen.

Sicherheit über alles

600 solche Server-«Racks» (Gestelle), auf den ersten Blick optisch aussehend wie die Kleiderkästen in der Badi, sind auf die ­verschiedenen Kavernen der Zivilschutzanlage verteilt. Der Hallenbadvergleich ist natürlich eine Beleidigung für diese High­techanlage. Von der Temperatur, unterteilt in «Warm- und Kaltbereiche», bis zum Sauerstoffgehalt der Luft ist alles in dieser Infrastruktur aufwendig und optimal angepasst auf die Bedürfnisse der eingelagerten Kundenserver. Sauerstoffgehalt? Ein interessanter Punkt. Um im Falle eines Brandes die Ausbreitung des Feuers zu hemmen, wird dieser von 21 auf 17 Prozent gesenkt. Sicherheit ist generell das grosse Thema der Infrastruktur. Die Zugangskontrollen erfolgen durch biometrische Gesichtserkennung. Wobei Kund:innen des Zentrums ausdrücklich die Erlaubnis haben, jederzeit ihre Server für Wartung und Arbeiten «zu besuchen» nach vorgängiger Registrierung.

Marco Reinhard, Geschäftsführer der EWL Rechenzentrum AG, schliesst praktisch kein Unternehmen aus, das nicht geeignet wäre, Kunde der Anlage zu werden: «Ausser Hyperscaler wie Microsoft passen bei uns alle Firmen hinein, vom Kleinbetrieb bis zur Behörde», erklärt er. Auf 1600 von insgesamt 3600 Quadratmetern der Gesamtanlage werden im Endausbau die IT-Infrastrukturen Platz finden. Von einem «Drittelrack» bis zur feudalen «Private Suite» – ein ganzer Raum allein für den Kunden – gibt es Angebote. Die Stadt Luzern ist bereits in ihrer ehemaligen Zivilschutzanlage domiziliert mit der Sicherung der IT. Die Stadt und der Kanton waren es ja auch, die in den 60er-Jahren die Infrastrukturen erstellt haben. Der Regierungsrat sowie die Schüler:innen der Kanti hätten im Fall der Fälle hier Schutz gefunden. Im Baurecht wurden das Tunnel- und das Kavernensystem jetzt EWL überlassen. 30 Millionen Franken hat das Unternehmen investiert, die Arbeiten im harten Gestein des Wart­egggürtels waren sehr aufwendig.

Die Marktchancen des Unternehmens sieht Marco Reinhard als gegeben: «Das Rechenzentrum-Angebot auf dem Platz Luzern ist aktuell begrenzt», meint er. EWL sieht sich nicht als Preisbrecher in diesem Wachstumsbereich, sondern will sich im mittleren Segment etablieren. Die Chancen stehen gut, kann doch das Datacenter mit einem starken Argument die aktuelle Konkurrenz übertrumpfen: der Nachhaltigkeit. So ist der Betrieb des Rechenzentrums CO2-neutral angelegt. Profitieren kann EWL von der Tatsache, dass die Anlage mitten in der Stadt und neben dem Vierwaldstättersee liegt. Die Serverkavernen werden mit Seewasser aus der Tiefe gekühlt. Mit rund 13 Grad wird das Wasser in die Anlage gepumpt, mit 25 Grad geht es zurück in den See, nachdem über Wärmepumpen nochmals Energie entzogen worden ist. Die Abwärme der Server wird zudem zur Beheizung von Gebäuden in der Umgebung genutzt. Der benötigte Strom der Anlage stammt ebenfalls aus nachhaltiger Produktion. «Viele Firmen haben heutzutage die ökologische Komponente in ihren Strategien drin», weiss Marco Reinhard. «Die IT ist ein wichtiger Faktor in der CO2-Ausstoss-Bilanz eines Unternehmens.»

Relikt der fossilen Ära

«Ich bin mit viel Herzblut dabei», erklärte Marco Reinhard während der Pressekonferenz am vergangenen Dienstag. Reinhard führte durch die Anlage und erzählte detailliert über weitere technische Highlights, so die Schwungradanlage, die der Anlage mittels kinetischer Energie die Zufuhr von elektrischem Strom sichert bei einem überraschenden Netz-Totalausfall. «Diese Anlage überbrückt die rund fünf Sekunden, bis der Dieselgenerator anspringt», erklärte er. Diese grosse Maschine für den äussersten Notfall ist quasi das letzte Relikt aus der fossilen Ära und konsumiert 580 Liter Diesel in der Stunde. Drei Tage autarker Betrieb wären möglich. Wobei auch beim Diesel neue Technologien selbstverständlich sind. Wie bei modernen Autos wird das Abgas mit «Ad-Blue», Flüssigharnstoff, gereinigt. Eine lange Leitung war nötig, um die Abgase abzuführen, der Weg senkrecht geradeaus ins Erholungsgebiet rund um die Villa Schröder ob der Anlage war natürlich nicht möglich. Als Stanley Kubrick seinen eingangs erwähnten Film drehte, flogen Menschen mit einem Computer mit 73 Kilobyte (!) Speicherkapazität Richtung Mond. Im neuen Rechenzentrum kann man mit dieser Leistung vielleicht das Licht im spacigen Aufenthaltsraum ein- und ausschalten.

Andréas Härry

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