«Mit Impulsen Fenster öffnen»

Ab dem Herbst spielen bei Alzheimer Luzern Menschen mit Demenz Theater. Was auf den ersten Moment sehr unpassend klingt, ist beim zweiten gar nicht mehr so falsch. «Theater 14» öffnet mit den Teilnehmenden ganz viele Schatzkästchen.

Bei «Theater 14» wird mit demjenigen Theater gespielt, was vorhanden ist. Bild: Livio Burtscher

Jürg Lauber und Maria Gallati vom Theaterkoffer Luzern begeben sich mit dem Theaterprojekt «Theater 14» von Alzheimer Luzern jedes Mal aufs Neue auf eine Reise, bei der sie nicht wissen, wo sie hinführt. «Eines weiss ich: Die Teilnehmenden verlassen uns bei solchen Angeboten meistens besser gestimmt, als dass sie zu uns gekommen sind», sagt Jürg Lauber.

An acht Nachmittagen wird Theater gespielt – ausgehend von den Erlebniswelten der teilnehmenden Menschen mit Demenz. Es soll auch ihren Angehörigen ermöglichen, während dieser Zeit andere Dinge erledigen oder auch einfach einen Moment für sich geniessen zu können. Bei Bedarf werden die Teilnehmenden gar abgeholt und wieder zurückgebracht.

Diesen Freitag findet der Schnuppernachmittag statt. Sieben Personen hat Lauber bereits auf der Liste. Wie viele davon dann ab Herbst tatsächlich dabei sein werden, weiss auch er nicht. «Ob sie dann immer noch Lust haben und mitmachen können, werden wir ­sehen», so der Sozialarbeiter. «Alzheimer und andere Demenz auslösende Krankheiten sind so eine fragile Geschichte, da kann plötzlich eine grosse Veränderung des Zustandes eintreten», ­erklärt er.

Die Teilnahme am vom Kanton Luzern und von der Gesundheitsförderung Schweiz unterstützten Theaterprojekt erfordert auch Überzeugungsarbeit – bei den Teilnehmenden und ihren Angehörigen, denn auch von ihnen ist der eine oder die andere etwas unsicher, ob ihr erkrankter Partner oder Partnerin da noch mitmachen könnte. Ist nun dieses Angebot für jemanden, der früher Theater gespielt hat, etwas oder nicht? «Das wird sich herausstellen», sagt Jürg Lauber offen. Die einzelnen Nachmittage sind in sich geschlossen, sprich, man könnte auch wieder aufhören, wenn es nicht das Richtige sein sollte. Jürg Lauber hat bereits mit zahlreichen Angehörigen Gespräche über das Projekt ­geführt. Neben dem Angebot für die Teilnehmenden liegt ihm auch die Pause für die Angehörigen am Herzen. «Wir möchten bei denjenigen mit einem effektiven 24-Stunden-­Betreuungsjob für Entlastung sorgen», sagt er.

Kein Textbuch dabei

Bei «Theater 14» werden natürlich nicht Texte auswendig gelernt, es wird auch keine öffentliche Vorstellung geben, nur den Angehörigen wird am Ende etwas präsentiert. Der Theaterpädagogin Maria Gallati und Jürg Lauber geht es darum, mit den Mitwirkenden freie Ausdrucksformen zu entdecken. «Wir versuchen, eine für sie passende Theatersprache zu finden und prozesshaft mit ihnen etwas Gemeinsames entstehen zu lassen. Es ist ein lustvolles Ausprobieren und Experimentieren, basierend auf den individuellen Ressourcen der Teilnehmenden. Der Weg ist hier das Ziel. Schauen, was da ist, und damit wird gearbeitet. Wir schauen da auch auf die Biografien der Teilnehmenden. Hat jemand beispielsweise früher einmal gejodelt, spielt man einmal Jodelmusik, und plötzlich summt vielleicht jemand mit. Solche Impulse können Fenster öffnen», sagt Lauber. Über Sinnesimpulse versuchen er und Maria Gallati Kreativität zu erzeugen. Oder wie es Jürg Lauber sagt: «über Sinnesimpulse ganz viele Schatzkästchen öffnen». Manchmal gelingt es auf Anhieb, manchmal müssen sie ganz viele verschiedene Dinge ausprobieren. Im letzten Theaterprojekt der beiden war beispielsweise ein Mann mit fortgeschrittener Demenz dabei, der den Alltag im Rollstuhl verbringen musste und sich verbal nicht mehr mitteilen konnte. Im Verlaufe der Theaterarbeit konnte bei ihm durch das Abspielen von alten Schlagermusik-Stücken eine unerwartete Lebensfreude geweckt werden, welche es dem Mann ermöglichte, auf der Bühne mit einer Partnerin wieder ein paar Runden Walzer zu tanzen.

Es gab auch schon Theaterprojekte mit Demenzkranken, bei denen am Ende eine Aufführung resultieren sollte. «Wir haben auch das geschafft», erzählt Lauber. Ein halbes Jahr hatte die Gruppe an diesem Projekt gearbeitet. «Drei Woche vor der Vorführung hatten wir nichts», erinnert er sich. Es auszuhalten, zu warten, Vertrauen zu haben, bedeutete dies damals. Dieses Mal wird er für die Angehörigen am Schluss eine Werkshow geben. Auf dem Weg dazu werden Jürg Lauber und Maria Gallati wieder versuchen, ganz viele Schatzkästchen mit kleinen Erinnerungen zu öffnen.

Marcel Habegger

 

Theater für Menschen mit Alzheimer

Schnuppernachmittag: 8. Juli 2022.

Proben: 7. Oktober, 21. Oktober, 28. Oktober, 4. November, 2. Dezember, 9. Dezember, 16. Dezember,23. Dezember. Zeit: jeweils 14 bis 16.30 Uhr an der Dammstrasse 14, Luzern. Leitung: Maria Gallati und Jürg Lauber, Theaterkoffer Luzern.

Info und Anmeldung: Theaterkoffer Luzern, Tel. 077 512 30 69, E-Mail: info@theaterkoffer.ch

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