Mit grossem Liebesfinale
Ein alter Shakespeare-Stoff erlebt auf Tribschen eine schweizerische Wiedergeburt. Das Theaterstück bereitet seinem Publikum lüpfige und sorgfältig gemachte Unterhaltung.
Wenn ledige Männer aus dem Krieg zurück an den Herd marschieren, steht als dringendes erstes Traktandum die Akquisition einer Frau oder, charmanter ausgedrückt, eine Heirat auf der Tagesordnung. So startet die Shakespeare-Komödie «Much Ado About Nothing» aus dem Jahr 1613, in florentinischem Umfeld angesiedelt. Der Schweizer Drehbuchautor und Schriftsteller Charles Lewinsky transferierte die literarische Grundlage nach Luzern, in die Zeit der Reisläufer: Söldner, die sich in den Diensten verschiedener europäischer Herrscher als Soldaten verdingten. Im konkreten Bühnenfall auf Tribschen prahlen die Heimkehrenden von ihren Heldentaten oder lästern über Kameraden, denen es in fremder Uniform dreckig ging. Das blutige Thema wird schnell ad acta gelegt, denn junge Damen der Stadt wecken Gelüste. Vorab Junker Claudio (Patrick Slanzi) ist von der Tochter des Säckelmeisters der Stadt, Leonard (Urs Kafadar), innert Sekunden angetan. Zum Glück erwidert die schöne Hero (Meret Blum) den Minnesang des Soldaten in überschwänglicher Weise, so wird zackig Tacheles geredet: Die Heirat wird angesagt.
Schelmischer Plan
Anders ergeht es Junker Benedikt. Sein Verhältnis zur Nichte des Säckelmeisters Beatrice entspricht dem von Hunden und Katzen im gleichen Haushalt. Man geht sich fürchterlich auf den Keks, aber ohne den Sparringspartner beziehungsweise die Sparringspartnerin wäre es halb so lustig. Benedikt verwünscht die Heirat («Welches Kalb geht freiwillig zum Metzger?»), Beatrice überzieht den Soldaten mit Sarkasmus. An einer Maskerade werden Gerüchte gestreut, auch Zwist initiiert. Das Glück von Claudio und Hero soll sabotiert werden, die junge Verliebte der Untreue überführt werden. Diener Konrad (Thomas Achermann) kümmert sich um den schelmischen Plan, inszeniert eine verfängliche Balkonszene. Am Tag der Heirat lässt der vermeintlich gehörnte Bräutigam Claudio die Bombe platzen. Vor versammelter Gesellschaft crasht er die Party, Hero schreit ihre Unschuld heraus, sinkt zu Boden. Das Gerücht ihres Todes wird gestreut. Doch im kleinen Kreis wird an der Rehabilitierung der wieder Erholten gearbeitet. Die Drahtzieher werden an der fiktiven Beerdigung von Hero überführt. Die Holde schmeisst sich quicklebendig in die Arme des verdattert-erfreuten Claudio. Auch Beatrice und Benedikt erkennen, dass ihr gegenseitiges, rhetorisches Angiften nur der Deckmantel für die grosse Liebe war.
Liebesfinale aller Orten!
Dem Uralt-Stoff von Shakespeare wird durch die Behandlung von Lewinsky ein grosser Teil des Staubes weggeblasen, die Dialektdialoge sind frisch und frech. Die Flughöhe der eng getakteten Pointen erinnert im besten Sinne an die Lacher aus «Fascht e Familie», der inzwischen verklärt-kultigen Sitcom des Schweizer Fernsehens aus den Neunzigern. Man hat das Gefühl, Lewinsky zitiert sich da teilweise selbst. Oder er fährt Reminiszenzen: Nachtwächter Holzöpfel (Rolf Steffen) und Stellvertreter Schledorn (Astrid Bättig) «reiten» mit Kokosnussgeräusch über die Bühne, Monty Python grüsst herzlich. Regisseur Ueli Blum weiss mit dem straffen Text bestens umzugehen, hält seine Frau- und Mannschaft auf der Bühne immer in Bewegung, toleriert keine Längen, weiss die schlicht, aber effektvoll ausgeleuchtete Kulisse der Villa Schröder auf Tribschen vielseitig und kreativ zu nutzen. Ein Highlight und auch stückprägend ist die Musik von Markus Schönholzer, oftmals Bänkellieder, grossartig-stimmungsvoll interpretiert von Trix Meier. Aus dem homogenen, hochklassigen, aufwendig und sehr farbig ausgestatteten Ensemble (Kostüme: Anna Maria Glaudemans) stechen die beiden Liebespaare heraus. Meret Blum als Hero muss dabei den grössten darstellerischen Bogen spannen: von der vor Glück platzenden Frischverliebten bis zur zu Tode betrübten Verlassenen. Ihre Fähigkeiten als Vertikaltuch-Artistin werden clever ins Stück integriert. An der deklarierten Beerdigung aufersteht Hero aus ihrem Schlaf und lässt sich am Tuch anmutig entlang der Fassade der Villa hinabgleiten: sehr schön gemacht. Franziska Stutz als Beatrice setzt mit Bräsigkeit und Temperament humorige Highlights. Patrick Slanzi als Claudio ist in den friedlichen Momenten des Stücks der Charmeur des Abends, Guido Widmer als Benedikt unterhält bestens durch seine witzige Naivität im Ausdruck.
Spektakel ohne Räuspern
Ein Spezialapplaus geht ans Ensemble für deren Wasserfestigkeit. An der Premiere öffnete Petrus gegen Schluss «alle Schleusen» für ein paar Minuten, im Publikum gab’s knisternde Unruhe durch das Überziehen der offerierten Pelerinen, so quasi gemäss dem Titel des Stücks «Viel Lärm um nichts». Auf der Bühne ging das Spektakel ohne Räuspern weiter. Diese Anekdote passt zu dieser auch theaterhandwerklich sorgfältig gemachten Produktion, die zu den überzeugendsten Realisationen der Freilichtspiele gezählt werden darf.
Andréas Härry
Mehr Informationen: «Viel Lärm um nichts», 7. Juni bis 17. Juli auf Tribschen, Luzern, Tickets: www.freilichtspiele-luzern.ch