«Man muss sich selbst bleiben»

Die höchste Luzernerin ist seit einem halben Jahr in ihrer Funktion. Judith Schmutz hat Spass an ihrem Amt, das von ihr Ausgewogenheit gegen aussen und Strenge im Ratsbetrieb abverlangt.

Sie muss ihre Meinung als Präsidentin des Kantonsrats aktuell etwas zurückstellen: Judith Schmutz von den Grünen. Bild: zvg

Judith Schmutz, wie gefällt Ihnen der Job vor dem Kantonsrat?

Sehr gut! Vor allem seit der «Halbzeit». Es braucht ein paar Sessionen, bis man drin ist, man weiss, wie es läuft – oder zumindest glaubt, zu wissen, wie das Ganze funktioniert. Ein supertolles, aber auch strenges Amt.

Was sind Highlights?

Man lernt sehr viele neue Leute kennen, ist viel unterwegs, muss sich anpassungsfähig zeigen. Es ist wunderschön, dass man an Anlässe eingeladen wird, zu denen man sonst keinen Zugang hätte.

Nachteil: Man darf nicht immer sagen, was man denkt.

Genau, dies macht zum Teil auch Interviews schwierig, weil man die ideologische oder parteipolitische Meinung weniger kundtun darf. Man spricht mehr in einem Gesamtbild über den Kanton Luzern. Dennoch bleiben die Diskussionen spannend: Die meisten wissen, aus welcher politischen Ecke ich stamme. Einen Maulkorb muss ich nicht anziehen.

Ab Juni 2024 ist dann wieder alles erlaubt …

… und darauf freue ich mich sehr! Es gibt Themen, die mir heftig unter den Nägeln brennen, zu denen ich mehr sagen möchte, als mir aktuell möglich ist.

Wie satt haben Sie die Sprüche zu Ihrem ­Alter, die sie als jüngste Vorsteherin des ­Kantonsrats aller Zeiten über sich ergehen lassen müssen?

In allen Interviews vor und gerade nach der Wahl war der Fokus in Interviews stark auf meinem Alter, meiner vermeintlich fehlenden Erfahrung. Wobei ich immer ­betonte: Jede und jeder, der Kantonsratspräsident:in wird, macht dies zum ersten Mal. Dieses Amt, das Alter und die Dauer im Kantonsrat haben nichts miteinander zu tun.

Sie haben die Strenge des Amtes angesprochen: In welcher Situation spüren Sie diese am meisten?

Sieben Stunden lang eine Sitzung des Kantonsrats zu führen, immer bereit zu sein zu reagieren, genau hinhören, das ist nicht ohne. Ein weiterer Punkt ist, den ­verschiedenen Ansprüchen an eine Par­lamentssitzung gerecht zu werden. Die Redezeiten sind zwar fest vorgeschrieben, aber es gibt doch bei einigen Punkten ein grosses Ermessen.

Wobei: Sie gelten als streng.

(Lacht.) Ist das zu Ihnen durchgedrungen? Ja, diese Rückmeldung bekomme ich natürlich auch. Es gibt Ratsmitglieder, die können damit besser umgehen als andere. Ich versuche, alle im Rat gleich zu behandeln, aber da gibt es objektive und subjektive Betrachtungsweisen. Man verkörpert eine Persönlichkeit vorne im Saal, ein Schauspiel durchzuziehen, würde nicht funktionieren. Erlebe ich ein Geplänkel, das nichts mit dem Ratsbetrieb zu tun hat, ­greife ich vielleicht schneller ein, als dies Vorgänger:innen taten.

Wir sind ins Jahr 2024 eingetreten: In welchem Zustand ist der Kanton Luzern?

Unser Kanton ist auf einem guten Weg des Wandels. In gewissen Bereichen haben wir sogar eine Vorreiterrolle eingenommen. Das Wichtigste: Man spricht miteinander, geht in kleinen Schritten vorwärts.

Sie gelten als «konsensorientiert» …

… wobei das nicht heisst, dass ich nicht gerne grössere Schritte sehen würde, so beispielsweise in der Landwirtschafts- und der Verkehrspolitik. Hier haben wir seit Jahren verbissene Fronten. Da muss von beiden Seiten etwas kommen. Ich erwarte nicht, dass sich nur eine Partei kompromissbereit zeigen muss. Beispiel: Wir müssen einerseits nicht jeden Parkplatz in der Stadt aufheben und andererseits ermöglichen wollen, dass alle abends um sechs staufrei durch die Stadt fahren können.

Können Sie in Ihrer aktuellen Funktion da eine Brückenbauerin sein?

Im Ratsbetrieb ist dies eher schwierig, aber an den vielen Anlässen, zu denen ich eingeladen werde, kann ich Diskussionen anregen. So finde ich es wichtig, wenn ­linke Vertreter:innen vermehrt an Wirtschaftsanlässen zugegen sind und umgekehrt Bürgerliche an Events mit eher linker Ausrichtung, dies fördert den Austausch auch auf einer informellen Basis.

Mit verschiedenen Meinungen umzugehen, das haben Sie zu Hause gelernt: Ihr Vater ist FDP-Mitglied.

Der Grundstein für mein Interesse an Politik ist am Familientisch gelegt worden. Ich habe gelernt, dass man seine Meinung kundtun soll und eine Stimme abgibt. Meine parteipolitische Ausrichtung bekam ich durch mein Austauschjahr, als ich gemerkt hatte, dass es nicht allen Menschen gleich gut geht. Das bewog mich zum Eintritt in eine Jungpartei.

Sie sind einige Jahre dabei im Politbetrieb: Haben Sie immer noch die «Kämpferlaune» der Anfänge?

Auf jeden Fall, ich habe die Energie dafür! Aber natürlich merke ich, dass man – je nach politischer Denkweise – trotz enorm viel Arbeit und Engagement nur einen ­bescheidenen Output erreicht. Da braucht es teilweise eine erhöhte Frustrations­toleranz. (Lacht.) Wichtig ist, dass unsere Wähler:innen von aussen wahrneh-men können, dass wir in der Politik dranbleiben.

Apropos Wahrnehmung: Finden Sie die Luzerner Politik genug und gut abgebildet in den Medien?

Auf jeden Fall. Ich sehe das als Zeichen der Wertschätzung, dass Journalist:innen während der Sessionen umfassend berichten. Wobei vorab plus/minus über die­selben Themen berichtet wird, was die Leserschaft vor allem interessiert. Sozial-, Arbeits- und Gesundheitsthemen haben es da schwerer – ausgenommen das Spital Wolhusen.

Welche Schlagzeile möchten Sie Ende 2024 lesen?

«Der Kanton Luzern ist klimapolitisch auf Kurs!»

Interview: Andréas Härry

 

 

Zur Person:

Judith Schmutz von den Grünen wurde im Juni 2023 zur «höchsten Luzernerin» gewählt. Die 26-Jährige ist die jüngste Parlamentarierin, die je in dieses Amt gewählt wurde. 2019 schaffte sie erstmals den Sprung in den Kantonsrat und wurde im April mit dem besten Resultat auf der Liste der Grünen des Wahlkreises Hochdorf wiedergewählt. Judith Schmutz ist hauptberuflich Juristin.

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