Kriens wächst – nur nicht dort, wo es nötig wäre
Der Krienser Finanzdirektor Roger Erni spricht im Interview über das negative Budget trotz geplanter Steuererhöhung und erklärt, wie die Schulden in Kriens kleiner werden sollen.
Roger Erni, Sie wollen die Steuern im nächsten Jahr um 1/20 erhöhen. Anfang 2021 hat Kriens jedoch Nein gesagt zur Steuererhöhung, Sie wurden dann durch den Kanton doch 1/20 erhöht. Ist es nicht etwas unrealistisch, dass dies der Einwohnerrat oder das Volk nun akzeptiert?
Wir hätten das nicht geplant, wenn wir es nicht für realistisch betrachten würden. Zudem berufen wir uns dabei auf unser Ziel, die Finanzen ins Gleichgewicht zu bringen. Die 2,0 Einheiten benötigen wir, um von dieser Unterfinanzierung wegzukommen. Der 1/20 ist nötig, um die notwendigen Investitionen tätigen zu können. Wenn dieser 1/20 nicht gewährt wird, können wir 2 Millionen Franken weniger investieren. Es kommen nun erneut grosse Schulprojekte mit der Aufstockung beim Schulhaus Roggern, mit Hort und mehr Schulräumen im Obernau und Sanierungen bei den Schulhäusern Feldmühle und Amlehn.
Wie erklären Sie dem Volk das negative Budget trotz geplanter Steuererhöhung? Nach Gleichgewicht sieht das ja nicht aus ...
Das hat damit zu tun, dass wir im April mit einem ausgeglichenen Budget und einer Steuererhöhung von 1/20 dastanden. Im Sozialen haben sich in den Folgemonaten die Kosten um 1 Million Franken und bei der Bildung um 700 000 Franken gegenüber dem Budget erhöht. Zudem wird es für die Gemeinde netto rund 500 000 bis 700 000 Franken Mehrkosten beim Strom zu tragen geben.
Wie sieht es denn für das Jahr 2022 aus?
Für das Jahr 2022 hatten wir ein Defizit von 3,2 Millionen Franken budgetiert. Dank mehr Steuererträgen und normalen Ausgaben werden wir, Stand Ende August, Anfang September 2 bis 2,5 Millionen Franken besser als budgetiert abschliessen.
Was einem Minus von einer halben Million entspricht. Wie sieht Ihr Plan aus, um die Schulden von rund 220 Millionen Franken abzubauen?
Ein Ansatz ist, dass, wenn wir die Steuererhöhung erhalten und die 8 bis 10 Millionen Franken jährlich investieren, die Schulden so aufgrund der Investitionen nicht mehr weiter steigen. Das wollen wir auch mit dem Finanzhaushaltsreglement erreichen. Der zweite Punkt ist, dass wir mit dem Verkauf des Areals Bossmatt die Schulden auf einen Schlag 12 bis 18 Millionen reduzieren, dann wären wir unter 200 Millionen – das ist der Wert, zu dem wir in einem ersten Schritt hinwollen.
Ist Landverkauf nicht etwas kurzfristig gedacht? Zudem fliessen durch den Finanzausgleich mehrere Millionen gleich zurück zum Kanton.
Es ist auch nicht geplant, dass wir anderes Land verkaufen. Es geht lediglich um das Bossmatt-Areal. Das ist schon lange so geplant. Mit dem Zentrumsbau haben wir uns um 20 bis 40 Millionen Franken zusätzlich verschuldet. Es war schon vor dem Bau geplant, mit dem Verkauf der Bossmatt die Schulden zu reduzieren. Dem Volk wurde das auch bereits so angekündigt.
Und dann?
Danach gilt es, zwei oder drei Jahre weiterhin vorsichtig zu budgetieren. Aktuell sieht es 2022 ebenfalls so aus, als könnten wir die Schulden bereits weiter senken.
Sparen wollten Sie auch bei der Kinderbetreuung. Die Familien wurden deutlich stärker zur Kasse gebeten. Diesen Sparkurs für die Stadt Kriens korrigieren Sie jetzt aber bereits wieder. War der Schritt doch zu extrem?
Nein, es gibt vom Kanton eine Empfehlung, dass die Eltern nicht mehr als 30 Prozent der Gesamtkosten bezahlen. Mit der Anpassung stieg der Anteil der Eltern über diese 30 Prozent. Die Tarife sind noch nicht klar, aber der Beitrag der Eltern soll zwischen 20 und 40 Prozent gekürzt werden.
Einwohnerrat Beat Tanner (FDP) hat am Podium letzte Woche gesagt, wenn die Steuerkraft von Kriens weitersinke, komme eine Fusion aufs Parkett. Sehen Sie die Situation auch so kritisch?
Ich erhoffe mir schon, dass wir mit neu-en Einwohner:innen im Schweighof, im Mattenhof und an anderen Wohnlagen wieder mehr als das aktuelle 3000-Franken-Steuerpotenzial pro Einwohner ha-ben werden. Wir haben auf dem Talboden eine Entwicklung durchgemacht, die nicht gesund ist. Wir wachsen immer weiter. Nun haben wir bereits 29 000 Einwohner, das ist mehr als erwartet. Wir haben zuletzt einige Prozent an Steuerpotenzial verloren, obwohl wir um gut 1 Prozent gewachsen sind.
Das lohnt sich ja zumindest beim Finanzausgleich ...
Wir rechnen bis 2024 damit, bis zu 5 Millionen Franken aus dem Finanzausgleich zu erhalten, jetzt haben wir 2,5 Millionen bekommen. Das wird den Druck nehmen bei potenziellen Steuererhöhungen. Jedoch ist das Steuerpotenzial ein Problem, das man verfolgen muss. Wir möchten uns schon weiterentwickeln, im Moment ist aber bei den Kosten, die auf uns zukommen, die Frage, wie das möglich ist.
Da sprechen Sie die sozialen Kosten und die Bildungskosten an ...
Uns geht es gut, wir wachsen, aber die Kosten wachsen eben auch. Kriens ist eine der Gemeinden im Kanton mit den meisten Personen über 80 Jahre. Bei den Ergänzungsleistungen wachsen die Kosten pro Jahr einfach jährlich 2 bis 3 Millionen Franken. Diese wachsenden Kosten sehen viele nicht, aber deshalb braucht es nun die Steuererhöhung um 1/20, damit wir von dieser Unterfinanzierung wegkommen.
Marcel Habegger