Kleintheater setzt auf GGG
Judith Rohrbach und Sonja Eisl präsentierten letzte Woche das Kleintheater-Programm 2021/2022. Die Zuschauenden erwarten 170 Veranstaltungen, für alle ist ein Covid-Zertifikat erforderlich.
Beim Festival «Unfrisiert» von 7. bis 13. Februar 2022 widmen sich die Veranstalter nach 2019 ein zweites Mal eine ganze Woche lang mit Theater, Tanz, Performance und Spoken Word haarig direkt, unverblümt und nahbar einem einzigen Thema. Dazu wird in der Ausgabe 2022 die Lust von verschiedenen Seiten beleuchtet. Ein paar Häppchen aus dem Programm: Ein Sexarbeiter berichtet in «Traumboy» (Do., 10. 2./20 Uhr) von seinen Erfahrungen als Prostituierter. Die Tanzproduktion «Romeo, Romeo, Romeo» (Fr., 11.2./20 Uhr /Sa., 12. 2./11 Uhr) will aufzeigen, dass auch im Zeitalter digitaler Partnerfindung der Tanz das Balzritual schlechthin ist. Kaum ohne Humormomente zu bestreiten wird wohl der Crashkurs «Gebärdensprache» (Mi., 9. 2./19 Uhr) sein. Die Teilnehmenden lernen in dem Schnupperkurs «richtig flirten in Gebärdensprache».
Kleintheater zu Hause geniessen
Der Zeit geschuldet ist das «Festival zu digitalem Theater» im April 2022. In dieser durch die Coronapandemie zur Blüte erwachten Disziplin nimmt das Kleintheater gemäss Projektleiterin Fabienne Mathis in der Schweiz eine führende Position ein. Die ganze Bandbreite wird angeboten: Gaming im Theater, Chatten und Virtual-Reality-Brillen-Erlebnisse. Auch das Kleintheater selbst wird virtualisiert und kann somit vom Sofa zu Hause aus besucht werden. Über die ganze Saison verteilt werden unter dem Titel «Digitale Bühne» Streams oder digitale Gastspiele ins Netz gestellt.
Spezielle Spielstätte zum Start
Ganz und gar analog wird der Saisonauftakt am kommenden Freitag sein. Die Theaterperformance «Apocalypse Now (And I Feel Fine)» des Luzerner Autors Christoph Fellmann thematisiert so ziemlich alles Schlimme, was der Menschheit aktuell um die Ohren gehauen wird. Trotz düsterer Thematik wird Humor versprochen. Als Teil eines solchen kann auch die Wahl der Lokalität für die Aufführung gesehen werden: der Park des alten Krematoriums Friedental.
Ebenfalls ausserhalb des Stammhauses geht ein Herzensprojekt der Kleintheater-Macherinnen ab 8. März 2022 über die Bühne. «Die letzten Tage der Kindheit» widmet sich der Parkinsonkrankheit aus dem Blickwinkel einer Tochter, die ihren Vater durch die verschiedenen Stadien begleitet. Interessant am Konzept sind die geplante Integration von echten Parkinson-patienten und die Kooperation mit einem Altersheim als Schauplatz der Performance.
Corona kommt im Stück «Im Bau (AT)» kommende Saison auch auf die Bühne (ab 24. Mai 2022). Marco Sieber übernimmt die Rolle des «Preppers», der die hiesige Menschheit über die Notwendigkeit eines knallharten Sicherheitskonzeptes überzeugen will. Metaphorische Basis für die Soloperformance ist Franz Kafkas 1924 geschriebene Erzählung «Der Bau». Entsprechend werden sich Absurditäten, Unheimlichkeiten und heitere Momente ablösen.
Für den Theatergästenachwuchs
Die Fülle und Bandbreite beeindruckt an diesem Jahresprogramm. Das Kleintheater hat den Coronakater offensichtlich kreativ unbeschadet überstanden, auch finanziell. 28 000 Tickets waren budgetiert, 4500 wurden effektiv verkauft. Bei 109 von 193 geplanten Veranstaltungen hing das Schild «Abgesagt!» an der Tür. Dank Hilfen in der Grössenordnung einer knappen Viertelmillion und Erleichterungen bei der Miete schloss die Bilanz der vergangenen Saison trotzdem mit einem nur leicht bläulichen Auge ab. Tempi passati.
Mit ansteckendem Optimismus schauen die Co-Leiterinnen Sonja Eisl und Judith Rohrbach auf die kommende Saison. GGG ist die Corona-Grundlage für den Einlass, alles andere wäre gemäss den Verantwortlichen weder machbar noch sinnvoll.
Sinnvoll ist dagegen, für Theatergästenachwuchs zu sorgen. Über die ganze Saison verteilt sind Vorstellungen für die Jüngsten geplant: Theater, Konzerte, Kinderdisco, der Kinderclub «Theater-Tiger» und weiteres. Den subtil formulierten Vorwurf der Kleintheater-Intendanz an der Pressekonferenz von vergangener Woche, dass in Luzern dem kommenden Publikum nicht genügend Beachtung geschenkt werde, kann man nur unterstreichen. Dieser Aufgabe widmet sich an der Reuss nur das Kleintheater in dieser Intensität.
Eine traditionelle Aufgabe des Hauses ist auch die Beherbergung der Schweizer Kleinkunst-Szene. Von dieser Szene kommen in der kommenden Saison fast alle, Bänz Friedli sogar mit der Premiere seines neuen Programmes. Dazu unter anderem Helga Schneider, Barbara Hutzenlaub, Michael Elsener, Michael von der Heide, Ohne Rolf und Mike Müller. Letzterer mit seinem neuen Stück «Erbsache», das sich dem Sinn und dem Unsinn des Erbens sowie dessen Auswirkungen auf eigentlich ganz friedliche Familien widmet.
Redaktion
Programm auf www.kleintheater.ch