«Jeder will seine Zeichnung zeigen»

Letzte Woche fand im Zentrum Höchweid das zweite Ebiker Gewerbefrühstück statt. Der ehemalige Super-League-Schiedsrichter Bruno Grossen brachte den gut 80 Anwesenden auf unterhaltsame Weise die Perspektive der Schiedsrichter etwas näher.

Von links: Thomas Abächerli, Präsident Gewerbeverband Ebikon und Umgebung, Referent Bruno Grossen und Alex Mathis, Geschäftsführer Gemeinde Ebikon. Bilder: Marcel Habegger

Von links: Thomas Abächerli, Präsident Gewerbeverband Ebikon und Umgebung, Referent Bruno Grossen und Alex Mathis, Geschäftsführer Gemeinde Ebikon. Bilder: Marcel Habegger

Ivan Buck (links), Direktor Wirtschaftsförderung Luzern, mit Gemeindepräsident Daniel Gasser.

Ivan Buck (links), Direktor Wirtschaftsförderung Luzern, mit Gemeindepräsident Daniel Gasser.

Genau vor 14 Jahren, am 29. März 2008, war der damals dominierende FC Basel zu Gast im alten Stadion Allmend in Luzern. Mit diesem Spiel, in dem Mauro Lustrinelli für den FCL in der 62. Minute ein Traumtor erzielte, eröffnete Bruno Grossen am Mittwoch sein Referat. «Bei solch einem Spiel dabei zu sein, ist ein riesiges Geschenk», erzählte Grossen, der 2010 als Schiedsrichter zurücktrat und danach bis 2018 Ausbildungschef der Spitzenschiedsrichter beim Schweizerischen Fussballverband war. «Als in jenem packenden Spiel der Treffer der Luzerner fiel, musste ich mich zurückhalten, um keine Emotionen zu zeigen», erinnerte er sich. Nicht weil er für den FCL war, sondern weil er ein Fussballfan war und ist und weil er damals für so grosse Spiele lebte. «Die leidenschaftlichsten Fussballfans im Stadion sind vielleicht die Schiedsrichter, nur drücken sie keinem Team den Daumen», so Grossen.

Der Berner Oberländer musste lernen, mit Kritik umzugehen. Als Schiedsrichter gehörte es dazu, Pfiffe zu ernten. Während Corona erlebte er dies aber auch als Gesamtschulleiter der Gemeinde Reichenbach im Kanton Bern. «Dass man als Schulleiter einen Shitstorm erhält, weil man eine vom Kanton auferlegte Maskenpflicht an der Schule durchsetzt, fand ich doch befremdlich», sagte er an diesen Morgen in Ebikon. Ralph Späni, Rektor und Leiter Bildung in Ebikon, der im Publikum sass, hatte in Ebikon Ähnliches erlebt. 

 

Es gibt auch die anderen Szenen

Grossen liess die Gewerbetreibenden auch in die Katakomben des Fussballstadions blicken. «Es ist nicht alles ganz so, wie es von aussen wirkt», sagte er. So komme es vor oder nach der Partie mit Spielern durchaus zu kurzen persönlichen Gesprächen. Einer, den er dabei herauspickte, war Gerardo Seoane. Er war ein Spieler, den man auch gerne anhörte, wenn er Kritik anbrachte – dann gab es natürlich die anderen, die andauernd reklamierten. Doch wie hält man es aus, wenn 20 000 Zuschauer:innen pfeifen und noch mehrere Spieler auf einen einreden? Der Berner Oberländer zog Parallelen zur Erziehung seiner Kinder. «Was sagt man, wenn ein Kind mit einer Zeichnung zu einem kommt? Man sagt: ‹Das ist aber eine schöne Zeichnung.›» Genauso sei es bei den Fussballern: «Auch hier will jeder seine Zeichnung bzw. seine Meinung mitteilen. Dann akzeptiere ich diese Meinung, gebe aber zu verstehen, dass ich eine andere habe.»

 

Auch Humor gehört dazu

Beim Video Assistant Referee (VAR), der Videokontrolle, die heute den Schiedsrichtern zur Verfügung steht, war Bruno Grossen zweigeteilt. «Einerseits hätte ich ihn gerne zu meiner aktiven Zeit gehabt, andererseits bin ich auch froh, dass es ihn noch nicht gab. Hätte ich nicht lernen müssen, mit diesen Unsicherheiten auf dem Platz zu leben, hätte ich wohl nicht so eine innere Stärke entwickelt.»

Bei engen Entscheidungen habe er teilweise auch Humor walten lassen, denn «alles kann man nicht sehen», erklärte Grossen. Und er räumte dabei noch gleich mit einem Klischee auf: «Oft hört man: Der Schiedsrichter stand ja gleich daneben.» Die Nähe mache die Sache aber manchmal noch schwieriger. «Ideal ist eine Distanz von 10 bis 12 Metern.» Der Schiedsrichter muss aber ein Fussballkenner oder eine Fussballkennerin sein, «man muss vorausschauend denken, sonst ist man immer einen Schritt zu spät».

 

Transfer in die Wirtschaft

Grossen schlug einen idealen Bogen zur Wirtschaft, auch da hätten die Führungspersonen Konflikte zu lösen. «Wir wollten mit diesem Referat eine neue Perspektive aufzeigen, und das ist gelungen», freute sich Alex Mathis, Geschäftsführer der Gemeinde Ebikon. «Es zeigte sich einmal mehr, wie wichtig es ist, mit den Mitarbeitenden das Gespräch zu suchen und auch Lob auszusprechen.»

Marcel Habegger

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