«Jede Situation ist individuell»
Diese Woche geben Fachleute Tipps zur beruflichen Weiterbildung. Personalberater Michael Wey erklärt im Interview, was bei Weiterbildungen beachtet werden sollte und wieso es auch zu viele sein können.
Micheal Wey, was lernt man bei Ihrem Workshop am 18. März?
Ziel ist, dass die Teilnehmenden sehen, welcher Weg in ihrem spezifischen Fall Sinn macht, um sich weiterzubilden. Dabei steht immer die Frage im Zentrum, wie das Gelernte im Job eingesetzt werden kann, um im Berufsleben weiterzukommen. Ich stehe ihnen dabei beratend zur Seite – es handelt sich aber natürlich um subjektive Empfehlungen, die meiner persönlichen Meinung entsprechen.
Welche Aus- und Weiterbildungen empfehlen Sie, um auf dem künftigen Arbeitsmarkt bestehen zu können?
Alle haben ihren eigenen Weg und ihre persönliche Geschichte. Deshalb muss jede Situation individuell betrachtet werden. Grundsätzlich sollte man sich vor jeder Weiterbildung aber fragen, wieso man sie machen will und wie das Gelernte auf dem Arbeitsmarkt eingesetzt werden kann. Dafür muss man einerseits die Nachfrage auf dem Markt kennen und andererseits prüfen, wie die Weiterbildung mit Berufserfahrung kombiniert werden kann.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Wenn ein Schreiner die klassische Handelsschule macht, um ins Rechnungswesen zu wechseln, wird er es schwer haben, eine Stelle zu finden, weil es viele Mitbewerber mit Berufserfahrung gibt. Wenn er allerdings innerhalb des Schreinerberufs eine kaufmännische Tätigkeit aufnimmt und die Weiterbildung mit Praxiserfahrung kombiniert, erhöht er seine Chancen. Ist der Markt wie zum Beispiel im Informatikbereich hingegen ausgetrocknet und die Nachfrage nach Fachleuten gross, kann eine Weiterbildung ausreichen, um als Quereinsteiger zu starten. Deshalb braucht es immer beides: die Auseinandersetzung mit dem Markt und wie das Gelernte mit der Praxis kombiniert werden kann.
Gibt es eine Empfehlung, nach wie vielen Jahren eine Weiterbildung gemacht werden sollte?
Diese Frage ist grundsätzlich sehr branchenabhängig. Auch hier liegt der Fokus darauf, wie die Weiterbildung mit Berufserfahrung kombiniert werden kann. Jungen Leuten, die den Bachelor machen, empfehlen wir beispielsweise, vor dem Masterstudium immer zuerst Arbeitserfahrung zu sammeln. Sonst schliessen sie mit 23 Jahren den Master ab, haben aber Schwierigkeiten, eine Stelle zu finden, weil ihnen der Praxisbezug fehlt.
Nehmen wir als Beispiel den kaufmännischen Bereich. Haben Sie da konkrete Ratschläge, wann eine Weiterbildung Sinn macht?
Im kaufmännischen Bereich empfehle ich, drei bis fünf Jahre nach dem Grundabschluss eine Weiterbildung zu machen, um sich auf einen Fachbereich zu spezialisieren. Dabei sollte man zuerst für sich entscheiden, welcher der drei Bereiche Verkauf, Marketing und Finanzen einen am meisten anspricht. Wenn man in eine Führungsposition möchte oder sich weiterspezialisieren will, besteht später die Möglichkeit, ein eidgenössisches Diplom anzuhängen.
Können es auch zu viele Weiterbildungen sein?
Ja, Weiterbildungen können zu viel und auch zu hoch sein. Wenn jemand zum Beispiel eine Führungsweiterbildung macht, danach aber eine Stelle auf Sachbearbeiter-Stufe sucht, ist das ein Widerspruch und wirft beim potenziellen Arbeitgeber Fragen auf. Genauso verhält es sich, wenn ganz viele Weiterbildungen absolviert wurden, das Gelernte im Beruf aber nicht angewendet wird. Dann stellt sich bei einer Bewerbung automatisch die Frage, ob die Person nur für Theoretisches geeignet ist.
Viel diskutiert wird die Frage, wie lange es Sinn mache, in einem Betrieb zu bleiben. Sollte man sich beispielsweise nach sechs Jahren dringend eine neue Stelle suchen?
Das kommt sehr aufs Alter an. Zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr empfiehlt es sich, durchschnittlich drei bis vier Jahre im selben Betrieb zu bleiben. So kann man an unterschiedlichen Orten Berufserfahrung sammeln, zählt aber nicht zu den sogenannten Jobhoppern, die alle zwei Jahre ihre Stelle wechseln und dann Mühe haben, sich gegen Mitbewerber durchzusetzen, die mehr Beständigkeit zeigen. Im Alter zwischen 30 und 40 ist es ratsam, fünf bis zehn Jahre bei einem Arbeitgeber zu bleiben. Ab 50 Jahren wird die Situation dann schwieriger: Da empfiehlt es sich nach Möglichkeit, keine grossen Wechsel mehr zu machen, weil jüngeren Mitbewerbern oft der Vorrang gegeben wird.
Spüren Sie als Personalberater bei Ihren Mandanten aktuell eine grössere Verunsicherung als vor der Pandemie?
Ja, die ist definitiv grösser. Und zwar auf beiden Seiten: Sowohl Stellensuchende als auch Arbeitgeber sind momentan stark verunsichert, weil wegen der Pandemie bei temporären Jobs sowie bei Festanstellungen weniger Leute eingestellt werden. Natürlich ist das nicht in allen Branchen der Fall: Es gibt auch einzelne Fachbereiche, in denen Arbeitskräfte stark gesucht sind. Generell ist es so, dass die Auswahl an Fachleuten auf dem Arbeitsmarkt kleiner geworden ist als vor der Pandemie.
Wie erklären Sie sich das?
Auch bei gut ausgebildeten Fachleuten ist die Verunsicherung gross. Anstatt den Job zu wechseln und nicht zu wissen, ob die neue Stelle beständig ist, setzt man lieber auf Sicherheit und bleibt beim alten Arbeitgeber. Dies führt dazu, dass der Arbeitsmarkt austrocknet und es schwieriger ist, neue Fachleute einzustellen.
Sind Sie einer der «glücklichen Gewinner» dieser Pandemie? Hat sich die Anzahl Ihrer Mandate durch die Krise erhöht?
Nein, wir gehören definitiv zu den Verlierern. Die Mandate sind zurückgegangen, weil weniger Unternehmen Leute einstellen. Und wir brauchen bei den einzelnen Mandaten mehr Zeit, bis die passenden Kandidaten gefunden sind, weil es weniger Fachleute auf dem Markt gibt. Es liegt in der Sache der Natur, dass wir als Personalberater bei Krisen verlieren und erst gewinnen, wenn wieder der Aufschwung kommt.
Marcel Habegger
Box: Weitere Programmpunkte
Wechsel in soziale Berufe, Mi, 17. März, 18.30 bis 19.30 Uhr
Wie positioniere ich mich auf dem Arbeitsmarkt?, Mi, 17. März, 20 bis 21 Uhr
Mit Resilienz Krisen meistern, Do, 18. März, 18.30 bis 19.30 Uhr
Strukturwandel Arbeitsmarkt: Wie bleibe ich am Ball? Do, 18. März, 20 bis 21 Uhr (mit Michael Wey)
Die Teilnahme ist kostenlos. Um den Zugangslink für die Onlineveranstaltung zu erhalten, muss man sich vorher anmelden: www.beruf.lu.ch.