In 15 Minuten in der Luft
Am Flugplatz Emmen betreut die Flugsicherung die militärischen wie auch die zivilen Flugbewegungen. Der Tower-Chef gibt Einblicke in die täglichen Aufgaben, aber auch in die Handhabung von Krisenfällen.
Ein ruhiger Sommernachmittag. Auf dem Flugfeld in Emmen ist nur Vogelgezwitscher hörbar, die Luftwaffe macht grad Flugpause. Der Laie würde davon ausgehen, dass im Kontrollturm ein einsamer Mensch gerade den Espresso geniesst. Weit gefehlt. Sieben Personen sind an den Bildschirmen am Arbeiten, es können bei Bedarf auch neun sein. «Der Luftraum Emmen, Buochs und Alpnach ist der komplexeste in der ganzen Schweiz», sagt Pascal Berwert, Chef Air Traffic Control (ATC) – Flugverkehrskontrolle dieses Flugsektors. Alles, was sich in der Luft bis zu einer Maximalhöhe von 3900 Metern über Meer im Verantwortungsgebiet von Emmen befindet, muss mit dem Turm Kontakt aufnehmen. Das sind sowohl zivile wie auch militärische Luftfahrzeuge (siehe Box). 21 000 Flugbewegungen jährlich bewegen sich dabei unter 150 Metern über Grund, also meist Starts und Landungen. Das Kontrollgebiet lediglich querender Flieger wird statistisch nicht erfasst. Dazu zählen auch höher zirkulierende, die Schweiz überfliegende, meist Linienflugzeuge, die für Emmen sichtbar sind auf dem Radar, sich aber nicht melden. In der Schweiz gibt es elf solche Sektoren, davon drei grosse: Zürich, Genf und Emmen, der grob die Kantone LU, ZG, NW und OW umfasst.
Ende Juli rund um die Uhr
Die normalen Betriebszeiten des Towers sind von Montag bis Freitag von morgens 7.10 Uhr bis 12.05 Uhr und von 13.10 Uhr bis 17 Uhr. «Ausserhalb dieser Zeiten wird der Luftraum de facto deaktiviert», erklärt Pascal Berwert. «Die Flieger können durchfliegen und setzen nur sogenannte Blind Calls (Blindmeldungen) ab.» Ende Juli ist Emmen rund um die Uhr und die ganze Woche aktiv. Da ist der Flugplatz beauftragt, den Luftpolizeidienst während neun Tagen zu gewährleisten. Die meiste Zeit des Jahres wird dieser vom Flugplatz Payerne unterhalten. «Wir müssen gewährleisten, dass die Flieger innerhalb von 15 Minuten nach Alarm in der Luft sind.» Zwei «scharf» bewaffnete F/A-18-Jets sind in dieser Zeit in Emmen stationiert.
Dass ein privatwirtschaftliches Unternehmen für die militärische Sicherheit des Landes mit zuständig ist, provoziert natürlich die Frage: Was passiert, wenn zum Beispiel ein Streik, wie 2018 anÂgedroht, die Funktionsfähigkeit von Skyguide beeinträchtigt? «In den VereinÂbarungen mit unserem staatlichen ÂAuftraggeber ist die Friedenspflicht jetzt verankert, zudem sind wir hier in Emmen alles Militärs», beruhigt Pascal Berwert, der im Luftwaffenstab als Oberst eingeteilt ist. «Auch alle meine Leute können militärisch eingezogen werden im Krisenfall, damit wir unseren Auftrag jederzeit erfüllen können.» Ein Krisenfall anderer Art geschah vor drei Wochen. Ein Netzwerkfehler ist im Skyguide-Rechenzentrum in Genf aufgetreten, nichts ging mehr im Schweizer Luftraum. «Flugsicherung ist immer ein Denken in Varianten und Redundanzen», sagt Pascal Berwert. Man habe sich damals überlegt, dass das Militär, dessen Software in Emmen nicht vom Ausfall betroffen war, die Luftkontrolle hätte übernehmen können. Dies sei aber angesichts der benötigten Anlaufzeit nicht umgesetzt worden.
Paradigmawechsel
Ein Thema, das sich ebenfalls aufdrängt: Die F-35 kommt nach Emmen. «Dieses tolle Flugzeug, das alles kann, ist ein Paradigmawechsel für die Flugwaffe, weniger für uns», so Berwert. Man werde neue Technologien einführen müssen für die Kommunikation, aber nicht in der Flugsicherung. Der neue Jet ist ein Tarnkappenflugzeug und ist für einen Radar nur auf kurze Distanzen sichtbar. «Der Flieger hat aber eine Vorrichtung, womit er sich sichtbar machen kann, wenn der Pilot das will», erläutert Berwert. Die Arbeit für die kommenden Jahre ist somit gesichert – an ruhigen Sommertagen und «lauten» Momenten, wenn Emmen die Luftsicherheit des Landes gewährleistet.
Andréas Härry
Box: 100 Jahre Flugsicherung in der Schweiz
Am 23. Februar 1922 wurde die Marconi Radio Station AG mit Sitz im Hauptpostgebäude beim Bahnhof Bern gegründet. Am 1. Januar 1931 beauftragte das Eidgenössische Luftamt (heute Uvek) die sich heute Radio Schweiz AG nennende Organisation mit der Flugsicherung in der Schweiz. 1988 wurde das Aufgabengebiet auf den Flugverkehr fokussiert unter dem Namen Swisscontrol. 2001 wurde die bisher getrennte zivile und militärische Flugsicherung unter dem neuen Namen Skyguide in einer privatrechtlichen Aktiengesellschaft vereinigt. Als einzige FlugÂsicherung in Europa verwaltet Skyguide den gesamten Luftraum eines Landes.