«Ich nehme das mit, was ich hinterlasse»

Am Montag stellte das Luzerner Theater sein Programm 2020/21 vor, das letzte von Benedikt von Peter. Mit dem «Anzeiger» zog er eine erste Bilanz zu Luzern und sprach unter anderem über ein Kind, das sein Zeitmanagement bestimmen wird.

Benedikt von Peter ist neben Luzern nun auch am Theater Basel engagiert. Seit einer Woche wohnt er in der Rheinstadt. Bild: Andréas Härry (Archiv)

Benedikt von Peter, können Sie der aktuellen Covid-19-Situation etwas Positives abgewinnen?
Ja, ein Zugewinn an Managementfähigkeiten, würde ich sagen (lacht). Die Verlautbarungen aus Bern kamen ja sehr spät. Es ist ziemlich extrem, was wir jetzt kurz vor Saisonbeginn alles auf die Beine stellen müssen, immer mit Blick auf die Tatsache, dass alles was wir machen, immer noch Kunst bleiben soll.

Sie sind Intendant in Luzern und neu auch in Basel. Wo ist die Situation leichter zu bewältigen?
In Luzern. Ich arbeite ja aktuell mit drei Gruppen: das Vorgängerteam in Basel, mein neues Team dort und meine Leute in Luzern. Da ist es natürlich einfacher, wenn man in der Arbeit schon aufeinander aufgebaut hat, sich kennt – und dann in so etwas hineinschlittert. Das wirkt stabilisierend.

Nehmen Sie sich jede Produktion persönlich vor, um sie auf Covid-19-Richtlinien zu trimmen?
Nein, ich habe die Corona-Policy definiert, die natürlich für jede Sparte adaptiert umgesetzt werden muss. Es ist Sache der Regieteams, diese anzuwenden. Jetzt hoffe ich, dass die Produktionen als Gruppe, und nicht nur der arme Regieassistent, schauen, dass man in den Leitplanken bleibt und trotzdem noch Kunst möglich ist.

Es könnte sein, dass ja bald wieder andere Vorgaben kommen.
Ja, darum haben wir rollende Szenarien. Das Szenario «Part-Shutdown», das kennen wir jetzt, das ist relativ ausdruckslos (lacht). Das Szenario normal spielen, das haben wir ja geplant. Alles was dazwischen ist, entscheiden wir situativ, auch basierend auf anderen Faktoren: Wie reagieren die Zuschauer, kommen diese überhaupt?

Pflücken wir zwei Produktionen der kommenden Saison raus, die nicht im Stammhaus stattfinden: Bizets Oper «Carmen».
Das ist eine neue Version von Peter Brooke, die er in Paris gemacht und auch schon oft gespielt wurde. Nur die vier Hauptcharaktere der Oper stehen auf der Bühne, eine Verdichtung der psychologischen Beziehungen somit. Schauplatz ist das «Rote Haus» auf dem EWL-Gebäude, in industriellem Umfeld. Wir schlagen mit dieser letzten Opern-Produktion einen Bogen zu unserer allerersten Produktion «Rigoletto» in der Viscosistadt 2016.

Vier Darsteller, wo bleiben da die berühmten Chöre?
Wie in der Ballett-Adaption «Carmen-Suite» werden Chornummern durch das Orchester übernommen. Mir gefällt an dieser «Carmen» das Weggehen von der etwas sexistisch geprägten Verführerin zum Blickwinkel des «José». Dazu das Kammeroper-Umfeld des «Roten Hauses» wo die Darsteller den Zuschauern quasi auf dem Schoss sitzen.

Im Schauspielbereich stolpert man über die Produktion «Happy End auf der Allmend», die in der Swissporarena aufgeführt wird und ein berühmtes FCL-Spiel auferstehen lässt.
Das ist schon oft gemacht worden vom Schweizer Regisseur und Fussballfan Massimo Furlan. Der spielt effektiv einen ganzen Fussballmatch mit einem Kollegen nach, man muss sich das mal vorstellen! In unserem Fall das 5:0 des FC Luzern im Barrage-Spiel gegen Lugano 2009, das den Ligaerhalt bedeutete. Um die ganze Stimmung von damals nachzustellen, suchte Massimo den Kontakt zu den hiesigen Fangruppen. Auch der Livekommentar von damals wurde neu eingesprochen. Verrückt.

Es ist zu früh, eine Bilanz zu ziehen, dennoch die Frage: Was nehmen Sie aus Ihrer Zeit in Luzern mit?
(Denkt lange nach.) Es mag von aussen nicht so wahrgenommen worden sein, aber ich bin in Luzern in einen Fahrbereich hineingeraten, wo heftig was los war (Anm. der Redaktion: Salle Modulable). Aber es hat für mich damals gestimmt. Ich musste mir diese Zuneigung nicht einmal erarbeiten. Im Zentrum stand immer der Mensch. Ich habe ein Haus übernommen, das emotional schon gemittet war, wir haben dasselbe jetzt auch strukturell hinbekommen. Wir haben Dinge, auch künstlerische, sowie Kooperationen erarbeitet, die nachhaltig wirken. Was ich mitnehme, ist eigentlich das, was ich hinterlasse.
   
Was wollen Sie in Zukunft nicht mehr?
Das hat nichts mit Luzern an sich zu tun, aber ich möchte nicht mehr hinter diesen Anspruch zurückstehen: Auch bei grössten Managementfragen steht man zusammen. Ich habe bei grossen Luzerner Firmen gesehen, dass dies geht. Ich will nicht mit Leuten zusammenarbeiten, die keine Lust auf «Team» haben.

 Das neue Luzerner Theater soll ein reines Gastspieltheater werden, zumindest soll die Option geprüft werden.
Wer sagt das?

Politiker aus dem bürgerlichen Lager. Das Stadttheater Winterthur wird als Beispiel genannt.
Dazu muss man wissen, dass die künstlerischen Budgets in Winterthur ganz toll sind, teilweise viel höher als in Luzern. Zudem geht so etwas einher mit einem Verlust an Identität. Ist das noch unser Theater? Macht man noch Dinge, die nur in Luzern möglich sind? Gastspielproduktionen, die Einnahmen erzielen, die man so möchte, sind zudem rar. Dazu kommen die vielen Arbeitsplätze in den Gewerken des Luzerner Theaters, die wegfallen. Arbeitslose kosten auch Geld.

Wohnen Sie eigentlich schon in Basel?
Ja, seit einer Woche. Der Hintergrund dazu ist, dass meine Frau und ich ein Kind bekommen im August. Es gibt ja vor der Geburt so Stufen, die man erklimmen muss, mit Hebamme und Weiteres organisieren. Das wollen wir alles an einem Ort konzentrieren. So hiess es im Januar plötzlich: Wohnung in Basel organisieren! Unser Kind hat das Zeitmanagement schon jetzt in der Hand.
Andréas Härry

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