Gesellschaftliche Hürden

Die Hochschule Luzern lotet im Wesemlin-Quartier aus, wie in einem partizipativen Prozess Hauseigentümer zum Umstieg auf erneuerbare Energien motiviert werden können. Initiant und Projektleiter Alex Willener erklärt die Hintergründe.

Im «Wäsmeli» leben viele Eigentümer in ihren Häusern. Daher ist das Quartier für das Forschungsprojekt prädestiniert. Bild: Bruno Gisi

Im «Wäsmeli» leben viele Eigentümer in ihren Häusern. Daher ist das Quartier für das Forschungsprojekt prädestiniert. Bild: Bruno Gisi

Professor Alex Willener. Bild: PD

Professor Alex Willener. Bild: PD

Alex Willener, wie heizt ein Stadtquartier im Jahr 2035?
Realistisch ist, wenn über die Hälfte der Häuser bis dahin mit erneuerbarer Energie heizen. Ich sehe den Fakt, dass es Eigentümerinnen und Eigentümern momentan schwerfällt, Entscheide zu fällen. Ich nenne in Präsentationen als Ideal die Insel Samsø in Dänemark, die nicht nur selbstversorgend mit erneuerbarer Energie ist, sondern sogar Solarstrom exportiert.

Auf dem Weg zur Selbstversorgung spielen die Politik, die gesellschaftliche Akzeptanz und die Technik ihre Rollen. Wo orten Sie die grössten Hindernisse?
In unserem interdisziplinären Team haben wir von den Technikern die klare Aussage, dass die technischen Möglichkeiten diesbezüglich vorhanden sind. Natürlich gibt es noch Entwicklungsbedarf, so im Energiespeicherbereich. Die Hindernisse finden sich auf der gesellschaftlichen Seite. Die Menschen brauchen ökonomische Anreize, aber auch umfassende Beratungsmöglichkeiten, um Entscheide treffen zu können. Jedes Haus in einem Bestand hat eine andere Situation, für welche die Möglichkeiten individuell evaluiert werden müssen.

Sie persönlich nähern sich aus soziokultureller Sicht der Heizthematik. Was ist für Ihre Wissenschaft spannend an diesem Thema?
In unserem Institut haben wir viele Erfahrungen gemacht mit Quartier- und Gemeindeentwicklungsprozessen. Unser Ziel ist es, zusammen mit der Bevölkerung eine zielgerichtete Veränderung herbeizuführen und lokales Engagement zu zeigen. Das brachte mich auf die Idee, es auch mit einem Energiethema zu probieren, mit soziokulturellen Methoden einen Beitrag zur Energiewende zu leisten.

Haben Sie nicht die Befürchtung, dass sich die ganze Diskussion schlussendlich nur auf das Geld reduziert?
Leute, die nicht vorab ökologisch gesinnt sind, muss man ökonomisch abholen. Am Anfang muss man Geld in die Hand nehmen, keine Frage. Dieses kommt über die Laufzeit der neuen Technologie wieder zurück. Natürlich stossen wir bei gemachten Meinungen auch an Grenzen. Wir arbeiten vorab mit Menschen, die sich motivieren lassen.

Was für soziokulturelle Mechanismen brauchen Sie für diese Motivation?
Eigentlich ist es simpel: Es braucht den Dialog zwischen Fachleuten und der Bewohnerschaft. Wir machen dies mit Workshops, wie denjenigen vom Samstag im «Wäsmeli». Da fragen wir nach der Bereitschaft zu investieren, holen Ideen ab und bringen Informationen von Fachleuten. Wir haben letzten Herbst in der Gartenheimsiedlung in Luzern einen Probelauf gemacht, die Hälfte aller Häuser war vertreten. Da kamen Superideen. So fragte jemand, ob man nicht die Abwärme des Tunnels des Durchgangsbahnhofs für das obenliegende Quartier nutzen könnte. Wir zählen auch auf die guten Ideen der Laien.

Wie kamen Sie aufs «Wäsmeli» für dieses Forschungsprojekt?
Ich selbst wohne im Quartier, das vereinfacht vieles. Zudem haben wir hier eine Struktur, dass viele Eigentümer ihr Haus selbst bewohnen. Hätten wir ein Neustadt- oder Hirschmattquartier genommen, wären viel mehr institutionelle Eigentümer am Tisch mit entsprechend höheren Hürden. Zudem war dem Kanton, der das Projekt mitfanziert, das «Wäsmeli» sympathisch, weil es strukturell einer kleineren Landgemeinde entspricht. So ist eine Übertragbarkeit der Erkenntnisse möglich.

Wie ist die Resonanz auf diesen ersten Workshop im Quartier?
Von 250 Liegenschaften sind 70 bis 80 Personen anwesend. Ein schönes Resultat, das sicher noch besser wäre, wenn nicht gleichzeitig die Schweiz gegen Wales gespielt hätte. 

Stehen institutionelle Eigentümer nicht im Fokus?
Es ist in einem zweiten Schritt geplant, auch mit Institutionellen zu arbeiten. Natürlich sind diese mit ihren grossen Portfolios nicht prioritär an Klimaschutz interessiert. Hier gilt es, an die Verantwortung der Pensionskassen und Versicherungen zu appellieren. Auch die müssen sich Nachhaltigkeitsziele setzen.

Glauben Sie, dass diese kuschelige Art des Vorgehens, mit Workshops und Information, reichen wird, um Klimaziele zu erreichen?
Klar, die staatliche Ebene gehört auch dazu. Der Kanton Luzern hat jetzt seine Klimastrategie in die Vernehmlassung gegeben, da sind viele Instrumente vorhanden. Aber schlussendlich sind auch dies nur sanfte Massnahmen, man versucht es mit Förderung und Aufklärung. Wir stossen in der Schweiz immer bald an Grenzen die CO2-Abstimmung vom Sonntag ist dafür symptomatisch, die Notlage ist noch zu klein, und ein kalter Frühling hebt das Bewusstsein nicht unbedingt.

Haben Sie an Ihrem eigenen Haus Massnahmen ergriffen?
Wir sind mehrere Eigentümer und haben die Erdgasheizung auf «erneuerbar» umgestellt. Genau heute wird das Gerüst aufgestellt für die Montage einer Fotovoltaikanlage. Dieser selbst erlebte Prozess, vom Einigkeitherstellen unter den Eigentümern bis zum Finden der richtigen, ausführenden Unternehmungen, hat mich unter anderem zum Forschungsprojekt angetrieben.

Was fehlte Ihnen bei Ihrer Sanierung?
Es gibt viele Beratungsstellen, aber nichts «aus einem Guss». So haben wir jetzt für das Forschungsprojekt ein Team zusammengestellt mit Praxispartnern, Ingenieurbüros, Solarfirmen, dazu die Stellen von Stadt und Kanton, die zusammen massgeschneiderte Beratungen anbieten können.

Was geschieht nach Abschluss des Projekts «Wäsmeli»?
Die Erkenntnisse gehen unter anderem in ein Folgeprojekt, bei dem die Umsetzungsphase über einen Zeitraum von zwei Jahren begleitet wird. Das Bundesamt für Energie unterstützt solche «Living Labs» zur Umsetzung der Energiewende, und wir hoffen, dass dieses Projekt dazugehören wird. Ausserdem werden wir zuhanden der staatlichen und privaten Akteure Folgerungen für andere Quartiere und Gemeinden ziehen.

Interview Andréas Härry

 

Box: Zur Person
Professor Alex Willener ist seit 1999 Dozent und Projektleiter an der Hochschule Luzern, Soziale Arbeit, Kompetenzzentrum Regional- und Stadtentwicklung. In seinem Lebenslauf fällt ein Zeitraum aus lokaler Sicht besonders auf: Willener war in der 80er-Jahren Gründer und Präsident IG Arbeit Luzern sowie Mitgründer und Präsident Verein Gassenküche Luzern.

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