Fasnacht Luzern: Durchführen, was zulässig ist
Pascal Lüthi (45) ist der neue Präsident der Maskenliebhaber-Gesellschaft. Der leitende Staatsanwalt für Wirtschaftskriminalität hinterfragt verstaubte Traditionen und sieht in den wenigen Anlässen, die aktuell stattfinden können, eine wichtige soziale Aufgabe.
Die Galli-Zunft hatte ihren neuen Gallivater Mitte Oktober bekannt gegeben. Seit letzter Woche hat nun auch die Maskenliebhaber-Gesellschaft der Stadt Luzern (MLG) ein neues Oberhaupt. Sie hat den 45-jährigen Pascal Lüthi zum neuen Präsidenten gewählt. Sein Vorteil: Der MLG-Präsident steht jeweils zwei Jahre im Amt. Für ihn besteht also die Chance auf eine normale Fasnacht. «Ich gehe die aussergewöhnliche Situation in diesem Jahr positiv an», sagt der leitende Staatsanwalt. «Unsere Maskenbrüder, von denen die Gesellschaft vor 201 Jahren gegründet wurde, haben sich auch in einer unsicheren und stürmischen Zeit zusammengetan. Sie haben der Situation mit Eigeninitiative getrotzt und Positives wie Maskenbälle mit Wohltätigkeit geschaffen, genauso werde ich dies mit dem Vorstand und den Maskenbrüdern auch tun», verspricht er.
Nicht alle Türen schliessen
Bei der Maskenliebhaber-Gesellschaft bedeutet dies konkret: die Kameradschaft trotz allem zu pflegen und auch die Wohltätigkeit weiterzuführen. «Ich glaube, alles, was im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen möglich ist, sollte man versuchen durchzuführen», sagt Lüthi. Er erinnert dabei auch an die gelungenen Maskenkurse des Lozärner Fasnachtskomitees in den vergangenen Wochen. «Die Hingabe, mit der die Teilnehmenden die Grinde gebastelt haben, war wunderschön zu beobachten. Dies, obwohl sie wissen, dass es wohl eher ein Reservegrind für das Jahr 2022 werden wird.» Alle 40 Teilnehmenden arbeiteten mit Maske und Handschuhen an Einzeltischen. «Es ist aktuell zentral, dass wir uns noch das rausnehmen, was machbar und zulässig ist. Wenn wir jetzt alle Türen schliessen und uns für die nächsten zwei Jahre verabschieden, erwartet uns eine sehr schwierige Zeit», ist Lüthi überzeugt.
Die MLG führt am 2. November beispielsweise die alljährliche Totenehrung für die in diesem Jahr verstorbenen Maskenbrüder durch. «Wir sind auch in der Planung für einen Weihnachtsanlass mit den Maskenschwestern», erklärt Lüthi. Wie der Samichlausanlass stattfinden wird, ist noch unklar. Die Veranstaltung im Maskenliebhaberhaus ist jeweils sehr gut besucht. «Der Anlass ist deshalb in gewohnter Form nicht verantwortbar», meint Lüthi.
Man diskutiert über mögliche Alternativen. Die Stubete an der Fasnacht 2021 ist allerdings bereits abgesagt. «Es gibt Stimmen, die auf eine kurzfristige Fasnacht hoffen, falls die Fallzahlen im Februar tiefer sein sollten. Aktuell bin ich relativ pessimistisch, dass dies der Fall sein wird.»
Als Primarschüler war Pascal Lüthi bereits als «Sünneli» oder Dominostein an der Bieler Fasnacht unterwegs. Als er später nach Luzern zog, war für ihn klar, dass er auch in der Zentralschweiz an der Fasnacht mittun würde. «Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals unverkleidet an der Fasnacht war.» Seit 2010 ist er Mitglied der MLG und lief seither auch immer den Umzug mit. Auch seine Frau und die drei Kinder sind jedes Jahr verkleidet mit von der Partie.
«Auch Juristen können lustig sein»
Zur MLG kam Pascal Lüthi eher zufällig. Er kannte bei den Maskenliebhabern bereits einige Leute, was ihm der Zugang erleichterte. Zudem entsprachen ihm die liberale Weltanschauung, die Tatsache, dass alle Neumitglieder ab der Aufnahme vollwertige Maskenbrüder sind, und die Vielseitigkeit der Mitglieder. «Wegen des Studiums war ich fast nur noch mit Juristen unterwegs. Entgegen der landläufigen Meinung können auch die sehr lustig sein, aber Leute aus verschiedenen Berufsgattungen zu erleben, ist für mich etwas sehr Schönes.»
«Noch ist nichts eingestürzt»
Während der ersten sechs Jahre sind die Maskenbrüder im Wagenbau und Grindebasteln aktiv – auch der leitende Staatsanwalt für Wirtschaftskriminalität, Pascal Lüthi. Ein Staatsanwalt mit Hammer und Bohrmaschine? «Ich bin nicht jeden Tag handwerklich tätig, trotzdem war das für mich eine schöne Zeit», erinnert er sich und ergänzt: «Ob ich wirklich tauglich war, müsste man meine Maskenbrüder fragen», so Lüthi, der allerdings auch zu Hause einige handwerkliche Arbeiten selbst erledigt. «Bisher ist noch nichts eingestürzt oder explodiert, ausser es war Absicht», sagt er mit einem Schmunzeln.
Der neue MLG-Präsident ist einer, der Traditionen schätzt, sich aber auch nicht sträubt, nicht mehr Zeitgemässes zu überdenken – so geschehen etwa mit der Stubete, die in diesem Jahr den «Goldig Grind» ablöste. «Wir sind sowohl mit dem Fasnachtstheater wie mit der Stubete auf ein sehr positives Echo gestossen. Mit diesen Neuheiten konnten wir eigentlich bereits wieder neue Traditionen schaffen.»
Traditionell ist man bisher beim Geschlecht geblieben. Die Maskenschwestern, die Partnerinnen der Maskenbrüder, sind wohl bei vielen Veranstaltungen dabei, die Mitgliedschaft ist aber den Männern vorbehalten. «Wie das in einigen Jahren aussieht, wird sich weisen. Im Grundsatz ist es nicht abwegig, dass irgendwann auch Frauen Mitglied sein können.»
Spannender, als es wirken mag
Die MLG bildet einen Kontrast zu seiner Arbeit als leitender Staatsanwalt für Wirtschaftskriminalität. Strafrecht und Strafverfolgung hätten ihn bereits während des Studiums sehr interessiert, erzählt der Krienser. «Die Wirtschaftskriminalität ist genauso interessant wie andere Bereiche, auch wenn sie vielleicht gegen aussen nicht so wirkt», sagt Lüthi. «Es sind viele Aspekte des alltäglichen Lebens betroffen, bis hin zu internationalen Verflechtungen, das macht den Alltag sehr spannend», lässt er in seine Arbeit blicken. «Mir bereitet die Arbeit grosse Freude. Sollte das irgendwann nicht mehr so sein, würde mir auch ein gutes Glas Wein in einer ‹Wirtschaft› ohne Kriminalität, dafür mit Freunden und Maskenbrüdern ausreichen.»
Marcel Habegger