Expert:innen: «Eine ganze Überdachung ist unnötig»

Wie soll das Gebiet zwischen zukünftigem Bypass und Tunnel Schlund in Kriens einst aussehen? Drei Projektteams präsentierten Ideen. Überraschungen blieben aus.

Johanna Joecker: «Es darf lauter zu- und hergehen»: der Autobahn-Deckel des Teams KCAP auf der Höhe Musikhochschule. Bild: ahy

Was Initianten und Kreative rund ums neue Luzerner Theater verpasst haben, demonstrieren die Instanzen rund um die Autobahn A2: Sie involvieren frühzeitig die Bevölkerung. Am letzten Samstag prä­sen­tierten drei Expertengruppierungen Ideen zu einer möglichen zukünftigen Gestaltung des südlichen Stadtraums im Anschluss an den geplanten Bypass.

Die Projektteams arbeiteten inter­diszi­plinär, sowohl bauliche, architektonische und soziale Disziplinen wurden in der Arbeit berücksichtigt. So viel vorab: Grossartig verschieden sind die Ansätze nicht, Provokatives wurde nicht präsentiert. Schlussendlich geht es in allen drei Expert:innenteams um eine Kernfrage: Wie viel Autobahn soll überdeckt werden? Sei es mit einer kompletten Umhausung oder in Form einer breiten Brückenlösung. Das einzig Erstaunliche der Präsentationen war die gemeinsame Einsicht aller Teams, dass ein komplettes «Einpacken» der Autobahn bis in den Schlund gar nicht nötig sei.

Das widerspricht der vorherrschenden politischen Meinung in Kriens und dem gefühlten Wunsch der Bevölkerung. Die Erklärung der Expert:innen dazu: Die Autobahn sei ja zuerst da gewesen, die Bebauung rundherum habe von Anfang an auf diese Tatsache Rücksicht genommen, eigentlich «störe» die Strasse nicht im Übermass. «Die Autobahn ist ein mentales Problem», nannte es Ute Schneider vom Team KCAP, «eine Barriere.» Diese gilt es zu überwinden, und dazu blasen die Teams alle ins gleiche grundsätzliche Horn, in verschiedenen Spielvarianten. Die vor­geschlagenen Querverbindungen werden von Expert:innen im Gebiet Allmend/Kaserne – Südpol gesehen. Unterschiede finden sich in der Grösse dieser Querungen und in deren Nutzung. Nur das Team S2L bringt als Option eine Absenkung der Autobahn um 5 bis 8 Meter ins Spiel mit der pragmatischen Zusatzbemerkung, dass dies wohl «ein sehr grosser Eingriff» sei. Die Politik und das Geld dürften da Hindernisse aufbauen. Intelligent aber der Ansatz desselben Teams, die Entwicklung des Gebietes «etappiert» zu betrachten. «Wir müssen in 20 Jahren aus eventuell gemachten Fehlern lernen können», so Teammitglied Daia Stutz.

Genug Grünflächen

Bemerkenswert auch die Aussage von Johanna Joecker vom Team KCAP: «In Kriens und den angrenzenden Gebieten gibt es genug grüne Erholungsflächen.» Der entstehende Raum über der Auto­bahn dürfe somit «städtisch» genutzt werden. «Da darf es durchaus auch lauter zu und her gehen.» Bei den anderen Teams geht die Nutzung mehr in Richtung Erholung, mit Freiräumen für soziale Begegnungen und Kulturelles. Die wichtigste Aufgabe der Querung ist unabhängig von der schlussendlichen Nutzung des «Deckels», der grossen Brücke. Die Gebiete Allmend und Arsenal müssen schwellenfrei mit Kriens verbunden werden. Dasselbe gilt für das heftig wachsende Quartier Mattenhof. Deshalb wird von allen Teams eine Neuführung der Horwerstrasse ange­strebt, ein Team schlägt zudem eine Trennung von Langsam- und Autoverkehr vor. Velofahrende werden in allen drei Konzepten natürlich generös mit neuen Möglichkeiten bedacht. Das «Freigleis» wird weiter aufgewertet und verlängert. Schmunzeln generierte der Input eines Quartierbewohners, der bemerkte, dass die neuen Velofahrwege über den geplanten Deckeln «so viele Kurven» aufweisen. «Mit dem Velo will man möglichst geradeaus unterwegs sein.» Ästhetische Spielereien sind da unerwünscht.

Autos verschwinden

Über Autos wurde auffallend wenig gesprochen in den Präsentationen, was ein Quartierbewohner denn auch monierte. «Die Autos verschwinden nicht einfach.» Insbesondere, wenn man vernimmt, dass in dieser Boomregion Luzern-Süd 50 000 bis 70 000 mehr Leute in wenigen Jahren leben und arbeiten sollen. Ob die allesamt Velo fahren und den ÖV benutzen werden? In der Feedbackrunde mit den anwesenden Besucher:innen kam den Ideen der Expertengruppen aber viel Wohlwollen entgegen. Ein Gast liess sich sogar von den Argumenten der Fachkräfte überzeugen, dass eine vollständige Tunnellösung für die Autobahn gar nicht nötig sei. Ein Kompliment somit an die Organisator:innen dieser Infor­mations­veranstaltung, die begriffen haben, dass ein Projekt dieser eingreifenden Dimension vor einem Entscheid dem Dialog mit der Bevölkerung ausgesetzt werden muss. Die Stadt Luzern darf sich in diesem Vorgehen von Kriens etwas inspirieren lassen.

Andréas Härry

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