«Es wird mit den Preisen nicht weiter so steil bergauf gehen»

Die Bevölkerung im Kanton Luzern wird weiterwachsen, der Bedarf an Wohnflächen somit auch. Ist das realisierbar? Im Gespräch mit Dr. Stefan Jönsson, Immobilienexperte der Luzerner Kantonalbank AG (LUKB).

Dr. Stefan Jönsson. Bild: PD

Nicht nur die Bevölkerung, sondern auch der Platzbedarf pro Kopf wächst. So gibt es immer mehr Singlehaushalte. Oder ältere Menschen wohnen länger in eigenen vier Wänden. Vor rund zehn Jahren lebten kantonsweit im Schnitt rund 2,39 Personen pro Haushalt – heute sind es weniger als 2,27 Personen. Dies führt dazu, dass die Anzahl Wohnungen in den nächsten zehn Jahren um rund 15 Prozent und damit stärker als die Bevölkerung wachsen müsste. Stefan Jönsson, haben wir im Kanton Luzern noch genügend Landreserven für ein solches Wachstum?
Ja und nein. Regionen wie das Entlebuch oder Willisau haben gemäss heutigem Stand noch Reserven für die nächste Dekade. Aber in den besonders beliebten Wohnregionen wie der Agglomeration Luzern oder der Region Sempachersee dürfte es mit dem aktuell prognostizierten Bevölkerungswachstum tatsächlich knapp werden. 

Die Baulandreserven sind nicht dort, wo die Leute grossmehrheitlich wohnen wollen. Die Stadt Luzern, Kriens, Emmen und andere Agglo-Orte sind mehr oder weniger «fertig gebaut».
Auch die dicht besiedelten Gebiete sind nicht «fertig gebaut». Das heisst, es gibt auch hier durchaus Reserven. Wir versuchen, in unseren Studien aufzuzeigen, wie viele zusätzliche Wohnungen für das erwartete Bevölkerungswachstum erstellt werden müssen. Daraus ergibt sich dann die Frage, wie viele Gebäude es für diese Wohnungen braucht. Je dichter, das heisst vor allem, je höher gebaut wird, umso weniger Baulandreserven werden gebraucht. Bestehende Gebäude können aufgestockt werden.

Verdichten, höher bauen: Wo sehen Sie weiteres Potenzial?
Ohne Verdichtung auch nach innen wird es kaum möglich sein, die sich abzeichnende Wohnungsknappheit abzufedern. Zur Veranschaulichung: Die in der letzten Dekade erstellten Wohngebäude beherbergen im Schnitt rund 4,31 Wohnungen. Bei den Gebäuden, welche zwischen 1981 und 2010 erstellt wurden, waren es im Schnitt lediglich 2,59 Wohnungen. Dies ist sogar tiefer als der Gesamtschnitt über alle bestehenden Liegenschaften, der bei 2,95 Wohnungen liegt. Positiv: Man kann bei solchen Liegenschaften im Rahmen von grosszyklischen Erneuerungen zusätzliche Wohnungen mittels Aufstockungen oder Anbauten realisieren. Die angepasste Gesetzgebung unterstützt verdichtetes Bauen. Das heisst auch, dass Ersatzneubauten vermehrt wirtschaftlich interessant sein werden. 

Wir haben also viele Möglichkeiten, Wohnraum zu schaffen für die kommende Entwicklung. Was läuft falsch, dass man das Gefühl hat, der Wohnungsmarkt hinke ständig der Nachfrage hinterher? Bewusstes Preistreiben der Branche?
Von der Planung über die Baueingabe bis hin zu Rekursen vergeht sehr viel Zeit. Seit kurzem verursachen Lieferschwierigkeiten bei Baumaterialien weitere Verzögerungen. All das führt dazu, dass die Bautätigkeit der Nachfrage hinterherhinkt. Von Preistreiberei würde ich somit nicht sprechen.

Muss der Gesetzgeber vorschreiben, wie viele Wohnungen pro Flächeneinheit in Zukunft gebaut werden müssen?
Ich wäre da vorsichtig mit generellen Vorschriften, wie Menschen leben dürfen und sollen. Wichtig ist, dass sich alle Parteien dessen bewusst sind, dass sie einen Beitrag für eine nachhaltige Lösung leisten können. Die Gesellschaft muss sich fragen, wie sie künftig wohnen möchte, was dies für den Platzbedarf bedeutet. Die Immobilienwirtschaft muss diese Nachfrage aufnehmen und entsprechende Angebote bauen. Und die Politik muss die Rahmenbedingungen setzen, damit die richtigen Angebote am korrekten Ort realisiert werden können.

Bereits erwähnt haben Sie den Trend zur sinkenden Anzahl Bewohner:innen pro Wohnung. Das wird sich kaum ändern. 
Es ist sicherlich schwierig, den Trend zu Kleinhaushalten umzukehren. Für den haushälterischen Umgang mit dem Boden muss somit die Verdichtung sorgen. Die Herausforderung besteht folglich darin, räumliche Strukturen so zu gestalten, dass viele Menschen auf engem Raum leben und gleichzeitig attraktive Wohn- und Lebensräume geniessen können.

Der Preisanstieg von Immobilien wurde durch die Zinssituation etwas abgeflacht. Aber eigentlich kann die Angebot-Nachfrage-Schere in kommenden Jahren nur etwas bedeuten: Es geht steil weiter bergauf.
Die Nachfrage nach Wohneigentum ist immer noch höher als das vorhandene Angebot. Zuletzt haben aber beispielsweise die Baubewilligungen für Eigentumswohnungen wieder merklich zugenommen. Gleichzeitig hat die aktuelle Zinssituation eine bremsende Wirkung. Wir beobachten, dass sich die sehr hohe Preisdynamik abgeschwächt hat. Darum glaube ich nicht, dass es bei den Preisen für Wohneigentum weiterhin so steil bergauf gehen wird wie in den letzten zwei Jahren. 

Zum Schluss noch Ihr Geheimtipp: In welcher Gemeinde kann man sich den Traum vom Eigenheim zu vorteilhaften Konditionen noch erfüllen?
(lacht) Nennen Sie mir Ihr Budget ... 

Interview Andréas Härry

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