Einer der grössten Vereine

Der Familiengärtnerverein musste die letzten 100 Jahre immer wieder um seine Plätze kämpfen. Die Pflanzer haben aber auch heute noch eine Mitgliederzahl, von der andere Vereine nur träumen.

Gründungsmitglied Albert Beck und Zentralpräsident Alfred Hermann an einer Versammlung im Jahre 1970. Bilder: PD

Gründungsmitglied Albert Beck und Zentralpräsident Alfred Hermann an einer Versammlung im Jahre 1970. Bilder: PD

Die Geschäftsleitung des Zentralvorstandes 2020 (v. l.): Kassier Paul Bernet, Vizepräsident und Bauchef Mario Martino, Präsidentin Angela Orpi, Beisitzer Fredy Doser und Aktuarin Brigitte Torre.

Die Geschäftsleitung des Zentralvorstandes 2020 (v. l.): Kassier Paul Bernet, Vizepräsident und Bauchef Mario Martino, Präsidentin Angela Orpi, Beisitzer Fredy Doser und Aktuarin Brigitte Torre.

Der heutige Familiengärtnerverein blickte im aktuellen Jahr auf seine 100-jährige Geschichte mit vielen Hochs und Tiefs zurück. Während des Ersten Weltkrieges verpachtete die Stadt Luzern den Pflanzern alle brachliegenden Anbauflächen zum Gemüsebau. Nach dem Krieg ging die Nachfrage allerdings wieder zurück, da das Gemüse wieder importiert werden konnte.

Aus wirtschaftlichen Gründen gab die Stadt die Führung dieser Pflanzungen auf. Die damaligen Pflanzer schlossen sich in loser Form in einer Art Pflanzergenossenschaft zusammen. Schnell erkannte man jedoch, dass die gemeinsamen Anliegen schlagkräftiger vertreten werden müssen. Am 13. September 1920 wurde die städtische Pflanzer-Genossenschaft gegründet. Danach wurde ein Pachtvertrag mit der Stadt Luzern unterschrieben, und es konnten im Laufe des Jahres 1921 700 Mitglieder gewonnen werden.

 

Jeder wollte ein Stück Land haben

Bedauerlicherweise konnten die Pachtverträge mit der Stadt jeweils nur für kurze Zeit abgeschlossen werden. 1937 teilte der Verein auf Wunsch des Stadtrates arbeitslosen Menschen Pflanzland zu. Als 1939 infolge des Zweiten Weltkriegs Hunderttausende Soldaten einberufen wurden, erlahmte das Vereinsleben. 1940 zählte die Gemeinschaft noch 500 Mitglieder. Rationalisierungen von Lebensmitteln und Textilien bewirkten dann aber, dass ein Pflanzgarten für viele Menschen plötzlich wieder erstrebenswert wurde. Mitte Januar 1941 mussten 21 neue Areale, darunter Sportplätze, öffentliche Anlagen und Bauplätze, von der Stadt übernommen werden. Jetzt bewarb sich jeder um ein Stück Land. 

Für die immense Arbeit der Errichtung, die Pflege und den Unterhalt der Areale gewährte die Stadt Kredite. 1943 wurden 360 000   m² Fläche in 46 Arealen von 1974 Mitgliedern bepflanzt. Der Preis betrug zwischen 3 und 11 Rappen pro m². Dank der mit eiserner Energie geplanten Anbauschlacht war es gelungen, 60 Prozent des Schweizer Volkes mit Schweizer Gemüse zu versorgen. Die Luzerner Mitglieder trugen mit ihrer Ernte einen wesentlichen Teil dazu bei.

 

Erneute Baisse nach dem Krieg

Nach dem Krieg im Jahr 1946 folgten rasante bauliche Entwicklungen. Der Verein verlor innert kurzer Zeit mehrere Areale. Der Bestand sank auf 1280 Mitglieder, und die bebaute Fläche reduzierte sich auf 287 000 m². 

1959 wurde der Verein in Familiengärtnerverein Luzern umbenannt. Immer wieder mussten Areale wegen geplanter Bauvorhaben weichen. Dank unermüdlichem Drängen des Zentralvorstandes stellte die Stadt 1960 die Liegenschaft Grabenhof für eine Pachtdauer von 15 Jahren bedingungslos zur Verfügung. Das Areal konnte in mehreren Teilschritten erweitert werden. 1962 wurde das neue Areal Rütihof in der Gemeinde Ebikon mit einer festen Vertragsdauer von 25 Jahren übernommen. Biologischer Land- und Gartenbau stiess ab 1969 bei den Gärtnern immer mehr auf Interesse. Zum 50-Jahr-Jubiläum wurde noch rund die Hälfte des Landes von 626 Aktivmitgliedern bewirtschaftet. 

Ab 1984 wurden laufend grosse Bauvorhaben geplant und realisiert. Dies kostete den Verein weitere Gärten und Mitglieder. Auch die Industriestrasse Kriens-Horw war ein grosser Einschnitt. 

 

Nur noch 600 Gartenparzellen

Verschärfte Umweltgesetze veranlassten den Kanton Luzern, die alten Abfalldeponien zu überprüfen. Vor rund zehn Jahren wurden bei insgesamt 111 Gärten im Friedental Giftstoffe entdeckt. An der Generalversammlung im Jahr 2010 stellte die ehemalige Stadträtin Ursula Stämmer das Leitbild der städtischen Familiengartenstrategie 2020 vor. In diesem war vorgesehen, dass nur noch etwa 600 Gartenparzellen von den damals aktuell 950 Parzellen zur Verfügung gestellt werden.

Im Jahr 2014 schafften es die Luzerner Gärtner aber erneut ins Fernsehen. Kurt Aeschbacher moderierte im Sommer 2014 für die SRF-Sendung «Durch die Blume» aus den Familiengärten auf der Allmend. Im Frühling 2016 wurde die Sanierung der verseuchten Erde im Friedental in Angriff genommen und mit der Eröffnung des Landschaftsparks im Juni 2018 beendet.

Bis ins Jahr 2020 wurden viele Strassen-, Bahn- und Bauvorhaben in Luzern-Süd realisiert. Der Verein verlor eine grosse Anzahl an Mitgliedern und Gärten. Momentan zählt der Verein noch 596 Aktivmitglieder, die 126 308 m² Land in elf Arealen bepflanzen. 

 

Erstmals eine Frau an der Spitze

Im Jubiläumsjahr 2020 wurde mit Angela Orpi erstmals eine Frau zur Präsidentin gewählt. «Unsere modernen Familiengärten sind ein Teil des urbanen Lifestyles», ist die neue Präsidentin überzeugt. «Sie ermöglichen soziale Kontakte zwischen verschiedenen Generationen, Nationalitäten und Gesellschaftsschichten. Kinder erleben die Natur hautnah und erlernen den respektvollen Umgang mit Tieren und Pflanzen. Wir erachten das naturnahe Gärtnern als gesunde und wirksame Massnahme gegen den Klimawandel», sagt Angela Orpi. Die Jubiläumsveranstaltung fiel wie viele andere Veranstaltungen dem Coronavirus zum Opfer.

PD

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