Eine grosse Herzensangelegenheit
Miriam Böger (40) hat Anfang April das Chefbüro von Fritz Erni im Hotel Montana bezogen. Die Direktorin muss aktuell durch stürmisches Fahrwasser mit dem Haus, zu dem sie heimatliche Gefühle hegt.
Miriam Böger, was war Ihr erster Kontakt mit dem Hotel Montana?
Ich besuchte die Hotelfachschule (gleich unterhalb des Hotels, die Red.). Der damalige Praktikumsverantwortliche der Schule und heutige Hotelier Peter Durrer schickte mich zum Vorstellen hinauf, «damit du mal ein Bein in der Tür hast», meinte er. Das war 2004.
Danach waren Sie nur von 2010 bis 2013 dem Montana untreu.
Für mein Studium und eine Position in Zürich. Direktor Fritz Erni bot mir bald wieder Stellen an. Bei seinem zweiten Versuch hat’s geklappt.
Ihr Vorgänger Fritz Erni hinterlässt grosse Fussstapfen.
Ich gehe das mit sportlichem Ehrgeiz an. Jahrelang war ich an der Seite von Fritz tätig. Niemand ist erschrocken, als ich als Nachfolgerin genannt wurde (lacht). Ich glaube, alle hier waren froh, dass jemand aus dem Haus das Ruder übernimmt. Bei mir weiss man, was man hat. Trotzdem würde ich meinen Management-Stil als anders bezeichnen.
Was wird sich unter Ihrer Leitung ändern?
Das «Montana 2020» ist genau so positioniert, wie wir es in der Geschäftsleitung haben wollen, da braucht es keine Änderungen. Das Hotel ist nicht das Erni-Haus, wie es vielfach von aussen gesehen wurde, dafür arbeitet das aktuelle Management-Team zu lange zusammen. Wir alle prägen das Haus. Natürlich müssen wir innovativ bleiben, die Nase zuvorderst haben, aber unsere Erfolgsgeschichte bedarf keiner grundsätzlichen Korrektur.
Was sind Eigenschaften Ihres Vorgängers, die Sie am meisten schätzen?
Seine Flexibilität, alles ist möglich, ein Nein wird nicht akzeptiert. Projekte, die ich anfangs kritisch beurteilte, brachten wir zum Fliegen, wurden Erfolgsgeschichten. Seine Ideenflut war beeindruckend.
Ständig neue Ideen, das ist nicht immer einfach ...
... zum Teil sogar nervig! (lacht) Oft ging ich mit einem Stapel Unterlagen zu Fritz, um Dinge abzugeben. Nach einer Stunde verliess ich den Raum mit einem doppelt so hohen Stapel – und fand das sogar super! Fritz Erni wusste Begeisterung zu wecken, immer den positiven Blickwinkel zu sehen. Er hat überall dreingeredet, überliess uns aber schliesslich einen grossen Handlungsspielraum.
Ihr Vorgänger sitzt jetzt im Verwaltungsrat, wie viele Male pro Tag ruft er Sie an oder umgekehrt?
Wir lassen uns in Ruhe. Wir haben ein freundschaftlich-kameradschaftliches Verhältnis, das wir natürlich mit regelmässigen Kontakten pflegen. Es ist toll, im VR jemand zu haben, der weiss, wie der Hase läuft. Die aktuell gehäuften Sitzungen des Verwaltungsrates haben mit Covid-19 zu tun.
Das Stichwort ist gefallen. Inwiefern sehen Sie Lichtblicke für Ihr Haus in dieser schwierigen Zeit?
40 Prozent unserer Gäste stammen in normalen Jahren aus der Schweiz. Das ist sehr viel für Luzern. Das zahlt sich jetzt aus. In Zukunft könnte dieser Prozentsatz noch weiter wachsen. Aktuell haben wir Westschweizer in grosser Anzahl hier. Allgemein stellen wir fest, dass bei allen Schweizer Gästen die grossen Zimmer seeseitig am beliebtesten sind. Woran wir arbeiten müssen, ist die Aufenthaltsdauer der Gäste von aktuell 1,5 Nächten im Schnitt. Vier wären schön.
Wie wollen Sie das hinkriegen?
Sagen Sie es mir! (lacht) Alle Hotels hier in Luzern wären für den Geheimtipp dankbar. Die Auslastung unseres Hauses betrug im Juni 40 Prozent, gegenüber 90 Prozent in einem normalen Jahr, da kommen einem die Tränen. Insbesondere nach dem Rekordjahr 2019. Da mussten wir nur die Tür öffnen, und die Gäste kamen rein, vor allem auch amerikanische Einzeltouristen.
Harmloser dürfte die Krise das Restaurant treffen, wo Sie vorwiegend lokal denken.
80 Prozent der Gäste stammen aus der Region. Das ist das Resultat einer langen Aufbauarbeit. Wir haben die Schwellenangst vor einem Hotel-Restaurant abgebaut. Bei uns wird enorm viel gefeiert, Hochzeiten, Geburtstage, Taufen. Ja, wir sind mit der Auslastung des Restaurants zufrieden, was wiederum aufs Hotel ausstrahlt. Da wo die Einheimischen sind, da ist es gut, das sieht auch der Hotelgast so. Rund 30 Prozent beträgt der Corona-Einbruch in diesem Bereich, wobei das À-la-carte-Geschäft überraschend gut läuft. Es fehlen einfach Bankette, Hochzeiten und die Frühstücke der Hotelgäste. Ein schöner Moment war, als eine halbe Stunde nach der Öffnung des Hotels nach dem Lockdown die ersten Gäste in der Louis Bar beim Apéro sassen.
.
Was bedeutet die Krise für den Personalbestand?
Wir sind aktuell 20 Personen weniger, als wir zu dieser Jahreszeit sein sollten. Es kam aber zu keiner Kündigung, wir konnten alles durch Nichtbesetzung von Abgängen und dem Nichtaufstocken des Personals vor der Sommersaison auffangen. Dazu kam natürlich Kurzarbeit.
Macht Ihnen die nähere Zukunft Angst?
Sie flösst Respekt ein. Im Winter kommen Schweizer Gäste kaum den Luzerner Nebel anschauen. Zudem sind die meisten Stammkunden im Seminar- und Firmengeschäft immer noch im Homeoffice-Modus, Schulungen werden kaum stattfinden, internationale Treffen sowieso nicht. Was uns zugute kommt, ist die Eigentümerschaft des Hauses, die Hotel & Gastro Union und unser Verwaltungsrat. Natürlich legen auch sie den Finger auf die Zahlen, aber das Wohl der Mitarbeiter steht auch immer im Fokus.
Blicken wir optimistisch nach vorn: Wo ist das Hotel Montana in fünf Jahren?
Wir bleiben ein sympathisches Boutique-Hotel an beeindruckender Lage, das auf Schweizer Kundschaft setzt. Dazu hoffe ich, dass wir den Mut aufbringen, weiterhin zu investieren. Wir möchten unbedingt den vierten Stock renovieren. Da haben wir Ideen, die nochmals Punkte setzen können in Luzern. Und auch ein Facelift für das Restaurant wäre schön.
Nach all dem bereits Erlebten: Was für eine Bedeutung hat das «Montana» für Sie?
Das Haus ist eine grosse Herzensangelegenheit und gibt mir ein heimatliches Gefühl. Ich kann mir nicht vorstellen, in einem anderen Luzerner Hotel zu arbeiten, das wäre schon fast Verrat. Ich bin immer irgendwie in Gedanken im «Montana». Somit bin ich kein Fan der Work-Life-Balance. «Work» nimmt einen so grossen Teil meines Lebens ein, dass ich es auch als «Life» wahrnehme.
Interview: Andréas Härry