Ein Verbot, für das ihr die Macht fehlt

Gemäss der Klima- und Energiestrategie sollen in der Stadt Luzern ab dem Jahr 2040 keine fossil angetriebenen Autos mehr immatrikuliert sein dürfen. Ein Verbot, das die Stadt Luzern nicht selbst durchsetzen kann und ein unnötiger Stolperstein sein könnte.

Um das Ziel von Netto-Null zu erreichen, will der Stadtrat und das Parlament ab 2040 nur noch Registrierungen von fossilfreien Autos in der Stadt Luzern zulassen. Bild: Pius Amrein/Luzerner Zeitung

Bei der Einhaltung seiner Aussage, die Määs könne auch bei einem Ja der Initiative «Lebendiges Inseli statt Blechlawine» auf dem Inseli bleiben, stolperte der Luzerner Stadtrat bei der Umsetzung seines Versprechens gemäss seiner Aussage über die Machbarkeit beziehungsweise veränderte Gegebenheiten. Stimmt das Volk im September über die Klima- und Energiestrategie ab, könnte es dieses Mal sein, dass das Gesetz es nicht zulässt, dass er eine Vorlage einhält.

Würde das Volk die Variante, welche der Stadtrat vorgeschlagen und das Parlament angenommen hat, annehmen, dürften ab 2040 keine Autos mit fossilen Brennstoffen mehr in der Stadt Luzern immatrikuliert sein. Aktuell sind 32 109 Personenwagen in der Stadt Luzern immatrikuliert.

Gegenüber SRF hatte Stadtrat Adrian Borgula bereits vor einem halben Jahr gesagt: «Es ist noch nicht ganz sicher, ob das rechtlich geht.» Und: «Uns war es wichtig, in gewissen Fragen an die Grenze zu gehen von dem, was heute möglich ist.» Die Stadtregierung wolle bewusst weiterdenken und neue Wege vorbereiten.

 

Stadtrat fehlt Befugnis zu Verboten

Gemäss Markus Schreiber, Jurist und wissenschaftlicher Oberassistent an der Universität Luzern, geht der Wortlaut hier aber nicht an die Grenzen, sondern darüber hinaus. «Die Zulassung von Fahrzeugen ist bundesrechtlich geregelt», erklärt er. «Unter dem verkehrsrechtlichen Aspekt wäre dies daher für die Stadt schwierig durchzusetzen.» Man könnte aber auch argumentieren, dies sei eine Energieverbrauchsregelung. Auch hier ist aber gemäss Schreiber der Bund bezüglich Regelung des Energieverbrauches von Fahrzeugen zuständig. «Hier ist kaum Spielraum für Kantone und Gemeinden vorhanden», präzisiert er, stellt aber zur Frage, ob der Stadtrat überhaupt ein solch hartes Verbot beabsichtigt. Adrian Borgula sagt dazu: «Wenn wir das Ziel verfolgen – und der Grosse Stadtrat ist diesem gefolgt –, netto null bis 2040 zu erreichen in der Stadt, ist es logisch und einleuchtend, dass auch die Mobilität CO2-neutral erfolgen muss, das heisst konkret mit fossilfreien Antrieben», so der Umwelt- und Mobilitätsdirektor. «Dafür gibt es vorab zwei Möglichkeiten», so der Stadtrat weiter, «eine Umweltzone mit Fahrverbot für fossil betriebene Fahrzeuge oder als mildere Variante, zu untersagen, dass fossil betriebene Fahrzeuge in der Stadt immatrikuliert werden. Letztere haben wir gewählt, in erster Linie als Zielsetzung im Artikel zu den Absenkpfaden im Energiereglement.» Beide Varianten seien vermutlich rechtlich derzeit noch nicht umsetzbar, aber das Ziel bleibe klar und eindeutig. «Es bleiben also 18 Jahre Zeit, in denen sich die rechtlichen Voraussetzungen mit Sicherheit noch verändern werden. Im günstigen Fall ist ein solches Verbot im Jahr 2040 gar nicht mehr nötig, oder es gibt andere Wege, es zu erreichen», so Borgula weiter. Verstärkt dies aber nicht die Gefahr, dass der Stadtrat bei einer Annahme am Ende, ähnlich wie beim Inseli, hinstehen muss und sagen muss: «ist so nicht umsetzbar»? «Nein, weil das gemeinsame Ziel bleibt, netto null bis 2040 zu erreichen. Netto null heisst folgerichtig: fossilfreie Mobilität bis 2040. Das ist auch der Auftrag des Parlaments, inklusive der Parteien, die das konstruktive Referendum ergriffen haben», so Borgula.

 

Autos müssten nicht ersetzt werden

Sebastian Heselhaus, Rechtsprofessor an der Universität Luzern, ergänzt weiter,  dass Fahrzeuge nicht von der Stadt, sondern vom Kanton immatrikuliert werden. Auch müssten die vor dem Jahr 2040 immatrikulierten Fahrzeuge 2040 nicht einfach verschwinden, solange der Bund nicht die Zulassungsregelungen verändert.  

Für Heselhaus stellt sich aber noch eine andere Frage: nämlich, ob die Stadt, wenn sie keine Kompetenz für ein solches Verbot hat, zumindest eine entsprechende politische Zielsetzung vorgeben darf.

In der Schweiz gibt es eine ähnliche Situation in der kritischen Haltung in der Kantonsverfassung von Basel-Stadt gegenüber der Kernenergie, für die der Bund die Rechtsetzungskompetenz besitzt. «Die Stadt Luzern kann zu jeder Zeit als Zielvorstellung sagen, dass sie sich im Rahmen ihrer Kompetenzen anstrengen will, möglichst im Jahr 2040 nur noch elektrifizierte Autos immatrikuliert zu haben. Insofern ist die Norm in der Klima- und Energiestrategie missverständlich formuliert, sie liest sich, als hätte die Stadt die Kompetenz zu einem Verbot», sagt er. Und Sebastian Heselhaus stellt nochmals klar: «Die Stadt Luzern hat nach unserer Beurteilung keine Kompetenz, eine solche Verbotsregelung durchzusetzen, die sie da dem Wortlaut nach gemacht hat.»

 

Verbot gefährdet Vorlage

FDP und Die Mitte haben, weil sie im Parlament den Linken unterlegen sind, ein konstruktives Referendum ergriffen und eine leicht abgeänderte Version der Strategie erstellt, die dem Volk im September ebenfalls zur Auswahl stehen wird. 

Die Grünen hatten der FDP nach Erstellung des Referendums in einer Mitteilung vorgeworfen, «sich mit einer künstlichen Verzögerung gegen eine möglichst rasche Umsetzung von klimawirksamen Massnahmen in Richtung netto null CO2 einzusetzen», doch gefährden sie mit einer Vorlage, die rechtlich nicht durchgesetzt werden kann und auch viele Automobilisten verärgern wird, nicht selbst die schnelle Umsetzung einer Klima- und Energiestrategie? «Es ist in der Tat so, dass einige in der Klima- und Energiestrategie des Stadtrates vorgesehene Massnahmen eine Kooperation des Kantons voraussetzen», weiss auch Elias Steiner, Co-Präsident der Grünen. «Wenn allerdings netto null erreicht werden soll, so muss dies auch für den Verkehr gelten», führt er weiter aus.

 

Unnötig für Gegenwind gesorgt

Ohnehin gehen der Stadtrat und die Linken mit dieser Vorlage ein Risiko ein, das wohl nicht einmal nötig wäre. VW, die 2021 erneut am meisten verkaufte Automarke in der Schweiz, liess im letzten Jahr verlauten, dass die Firma VW in Europa Mitte 2030 aus dem Geschäft mit Verbrennermotoren aussteigen wolle. Mercedes-Benz, die Nummer 2 im letzten Jahr in der Schweiz, plante den Ausstieg ursprünglich 2039, hat aber nun angedeutet, dass es bereits fünf bis acht Jahre früher der Fall sein könnte. Mit Audi (ab 2035), Hyundai (2035), Fiat (2030), Volvo (2030) und anderen Automobilherstellern kehren ohnehin zahlreiche Marken fossilen Antrieben den Rücken. 

Stand jetzt könnte es gut sein, dass das Verbot 2040 nicht mehr viel Nutzen haben wird. Der Luzerner Stadtrat und das Parlament könnten ihre Vorlage, die neben dem Verbot auch sonst strengere Massnahmen als die Vorlage der FDP und Der Mitte beinhaltet, unnötig ins Wanken bringen.

Marcel Habegger

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