Ein besonderer Stellenwert

Die Luzernerin zählt zu den erfolgreichsten Rennrollstuhlathletinnen der Welt. Trotz eindrucksvoller Karriere ist sie bescheiden geblieben. Und misst dem Luzerner Sportpreis eine besondere Bedeutung bei.

Der Umstand, dass sie sich beim Sportlerpreis gegen nichtbehinderte Sportlerinnen und Sportler durchsetzte, macht den Preis für Manuela Schär besonders. Bild: PD

Sie ist das grosse Aushängeschild des Schweizer Rollstuhlsports. Manuela Schär hat fast alles gewonnen, was man sich erträumen kann: Als zweifache Weltmeisterin im Marathon, mehrfache Schweizer- und Europameisterin sowie Weltrekordhalterin hat sie eine Bilderbuchkarriere hingelegt. Ihr bislang grösster Erfolg verbuchte die 35-Jährige an der Abott World Marathon Major Serie 2018 und 2019. «Da konnte ich alle sechs Major Marathons für mich entscheiden. Es war für mich einfach unglaublich, die gesamte Serie zu gewinnen», erinnert sich Manuela Schär. «Es waren sechs ganz unterschiedliche Streckenprofile. Dadurch konnte ich meine Konstanz unter Beweis stellen und zeigen, dass man mit mir rechnen kann. Ich hatte so viel Glück in diesem Jahr. Das ist nicht selbstverständlich.»
Wie ein grosses Puzzle
Das Talent, das es neben Wettkampfglück für eine so erfolgreiche Sportkarriere braucht, zeigte sich bei Manuela Schär bereits in Kindesjahren. Nachdem sie als Neunjährige einen Unfall erlitt und in Folge querschnittgelähmt war, verbrachte sie im Paraplegiker-Zentrum in Nottwil ein halbes Jahr in Rehabilitation. «In dieser Zeit habe ich den Rollstuhlsport für mich entdeckt. Da ich bereits vor meinem Unfall viel Sport gemacht habe, reizte es mich, den Rennrollstuhl auszuprobieren. Es war für mich eine Möglichkeit, mit den Funktionen, die ich noch hatte, an meine körperlichen Grenzen zu gehen.» Neben Kraft und Ausdauer erfordert der Sport auch Taktik und Technikaffinität. «Es ist wie ein grosses Puzzle, das man zusammensetzen muss, um die Perfektion zu erlangen. Das hat mich von Beginn an fasziniert.»


Trainieren, trainieren und nochmals trainieren


Als Manuela Schärs Talent entdeckt wurde, folgten auf die ersten Fahrversuche ein regelmässiges Training und schliesslich mehr und mehr Wettkämpfe. «Obwohl es für mich im Sport bergauf- ging, wollte ich eine normale Ausbildung abschliessen und machte nebenbei eine KV-Lehre.» Diese Bodenständigkeit hat sich Manuela Schär bis heute erhalten. Neben ihrer Karriere als Profisportlerin arbeitet sie in einem 20-Prozent-Pensum in einem Reisebüro. Die Arbeit teilt sie sich so auf, dass sie an sechs Tagen in der Woche bis zu jeweils zwei Einheiten trainieren kann. «Es gibt kein Geheimrezept für meinen Erfolg. Wichtig ist trainieren, trainieren und nochmals trainieren», sagt die Luzernerin. «Du darfst dich nicht davor scheuen, an deinen Schwächen zu arbeiten.» Dadurch ist es Manuela Schär gelungen, eine ihrer härtesten Konkurrentinnen zu schlagen. «Tatyana McFadden ist extrem stark bei Steigungen und ist mir bei diesen Stellen immer davongefahren. Also habe ich so lange daran trainiert, bis es mir gelang, solche kleinen Momente für mich zu entscheiden und ein Rennen gegen sie zu gewinnen.»
Neben ihren grossen Erfolgen musste Manuela Schär auch einige Tiefschläge einstecken. «Die Paralympics in London waren eine absolute Katastrophe. Durch diesen Misserfolg ist bei mir aber ein wichtiger Knopf aufgegangen. Ab 2013 konnte ich meine Leistungen nochmals wesentlich steigern.» Bei den Paralympics in Rio 2016 wollte es mit einer Medaille aber dennoch nicht klappen. «Ich trat damals gegen jeweils drei Amerikanerinnen und Chinesinnen an, die taktisch so gut zusammengespielt haben, dass es für mich alleine schwierig war, gegen zwei Teams anzukommen. Auch körperlich war ich noch nicht fit genug», erinnert sich Manuela Schär. Um nach solchen Strapazen wieder Energie zu tanken, sucht die Athletin die Erholung in der Natur. «Seit zwei Jahren habe ich einen Hund. Ich liebe es, mit ihm unterwegs zu sein und die schöne Luzerner See- und Berglandschaft zu geniessen. Das wirkt auf mich sehr entschleunigend.»


Die Goldmedaille im Blick


Eine grosse Entschleunigung erlebt Manuela Schär auch in der aktuellen Corona-Zeit. «Wettkampftechnisch ist dieses Jahr bislang eine absolute Nullnummer für mich. Besonders schade ist natürlich, dass die Paralympics in Tokio auf nächstes Jahr verschoben wurden. Aber ich will mich nicht beschweren: Ich bin sehr froh, dass es in meinem Sport trotzdem gut möglich ist, weiterhin zu trainieren.» Und leer an Preisen geht Manuela Schär dieses Jahr trotzdem nicht aus. Anfang Juli durfte sie den Luzerner Sportpreis 2019 entgegennehmen. «Dieser Preis bedeutet mir sehr viel. Es ist die einzige Verleihung, die ich kenne, die paralympische Sportarten nicht als separate Kategorie führt. Das ist nicht selbstverständlich und ein riesiges Zeichen der Wertschätzung für uns.»
Auch wenn sich Manuela Schär dieses Jahr wohl mit kleineren Wettkämpfen im nationalen Rahmen zufriedengeben muss, bleibt sie motiviert beim Training. Denn ein noch unerreichtes Ziel behält sie fest vor Augen: die paralympische Goldmedaille.

Anna Meier

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