Die Reichen reicher, die Armen ärmer
Eine Langzeitfolge von Corona ist bereits heute klar: Die ärmeren Schichten wurden ärmer, die Reichen noch reicher. Eine traurige Bilanz für eine moderne, hoch entwickelte Gesellschaft. Es stimmt mich traurig. Der eigentliche Skandal aber daran ist nicht mal die Tatsache an sich, sondern skandalös finde ich, dass dieser Umstand völlig gelassen zur Kenntnis genommen wird. Es ist nicht so, dass die Politik sich überlegen würde, wie diese Entwicklung gestoppt werden könnte, sondern die Ungleichheit wurde sogar in der Corona-Zeit aktiv forciert: Ein Beispiel gefällig? Tausende von KMU sind am Boden zerstört. Seit zwei Monaten dürfen sie keine Kundschaft mehr empfangen. Die Mieten jedoch laufen weiter. Die jahrelang mit viel Schweiss aufgebauten Reserven schwinden dahin wie Schnee an der Sonne, gut eingearbeitete Mitarbeiter müssen entlassen werden. Existenzängste und Aussichtslosigkeit plagen die Menschen.
National- und Ständeräte aber schlagen sich mehrheitlich ohne Gewissensbisse auf die Seite des Grosskapitals. Wohlwissend, dass das Anlagekapital allein der Pensionskassen, die sich stark im Immobilienhandel engagieren, sich auf über 1000 Milliarden Franken beläuft. Ein Polster also, das nicht so schnell für Existenzängste sorgt. Und ebenfalls wohlwissend, dass die Besitzenden dank Tiefstzinsen seit Jahren an der Mieterschaft meist gut verdient haben.
Salopp äusserten sich bürgerliche Politiker im Parlament wie beispielsweise Thomas Minder, dass viele Vermieter «clever genug» seien, ihren Mietern freiwillige Mieterlasse zu geben.
Wo sind denn diese «cleveren» Vermieter? Ich habe selber einige Mietverhältnisse für mein KMU. Gemeldet hat sich niemand. Welcher Vermieter hatte in der zweiten Welle – eben ohne Covid-Gesetz, – noch einen Anreiz, sich freiwillig zu melden? Auch wenn ich persönlich dank der Velobranche gut durch die Krise gekommen bin, so beelendet mich das unsolidarische Verhalten der Parlamentsmehrheit dennoch. In den Ohren all jener, die es hart getroffen hat, klingt es doch wie Hohn, wenn sich gerade jene Parteien, die in den Wahlen als KMU-freundlich auf Stimmenfang gehen, in einer solchen Situation gegen uns KMU-ler entscheiden. Und dies mit dem lapidaren Hinweis: Man solle sich privatwirtschaftlich einigen. Wie denn, wenn man als Parlament gerade eine Gesetzesgrundlage versenkt hat? Sogar der Gewerbeverband, dem ich jährlich meinen Beitrag leiste, hat sich auf die Seite des Grosskapitals geschlagen und scheint vergessen zu haben, für wen er eigentlich arbeitet. Und wer mir jetzt zurufen möchte, dass die Härtefalllösung die KMU ja retten werde, der überlege sich bitte, wer dann die Härtefallgelder am Ende finanziert: Bund und Kanton? Nein: der Steuerzahler. Und wen trifft dies am härtesten? Jene, die keine Reserven haben. Eben.
Cyrill Wiget