«Die Bilder von Picasso sind eigentlich meine Kinder»

50 Jahre nach dem Tod von Pablo Picasso wird in dem Museum Sammlung Rosengart an mehreren Veranstaltungen des Jahrhundertkünstlers gedacht. Angela Rosengart war mit Picasso befreundet. Im Interview spricht sie über den Menschen hinter den Bildern.

Angela Rosengart (91) ist eine der letzten noch lebenden Personen, die Picasso persönlich gekannt hatte. Bild: PD

Angela Rosengart, wenn Sie auf Pablo Picasso angesprochen werden, denken Sie dann zuerst an den Menschen Picasso oder an seine Bilder?

Schon an den Menschen. Die Besuche bei ihm waren so spannend und aufregend, das bleibt bei mir immer im Vordergrund. Aber die Bilder sind natürlich ein Teil davon und von grösster Wichtigkeit für mich.

Er war ja bereits zu Lebzeiten berühmt. Hat man das gespürt, wenn man mit ihm zusammen war?

Er war ja eigentlich schon sehr rasch berühmt, ich habe ihn erst 1949 kennen gelernt und werde immer wieder gefragt, wie war er denn? Dann sage ich jeweils: Er war alles. Er hatte so viele verschiedene Persönlichkeiten. Es war immer spannend und aufregend bei ihm, man wusste nie, wie er auf etwas reagiert. Er war immer sehr jugendlich und spontan.

Aber hat er einem zu spüren gegeben, dass er weltberühmt ist?

Man hat es gespürt, aber er hat sich nie aufgespielt, seine Persönlichkeit war einfach überwältigend. Wenn man in einem Raum voller Leute war, hat man trotzdem nur ihn gesehen, er hatte eine unglaubliche Ausstrahlung.

Wenn Sie sagen, man wusste nie, wie er auf etwas reagiert, war er denn launisch?

Nein, nicht launisch, er hatte einfach viele verschiedene Charaktere, das eine Mal kam der eine zum Ausdruck, das nächste Mal ein anderer.

Wie ist es überhaupt zu dieser Freundschaft gekommen?

Mein Vater hat ihn bereits 1914 kennen gelernt (Siegfried Rosengart war Kunsthändler und Sammler, Anm. d. Red.). Als er ihn nach dem Zweiten Weltkrieg einmal in Paris besuchte, nahm er mich mit.

Picasso hat Sie ja fünfmal gezeichnet. Wie kam es dazu?

Wir sind Picasso auf einem Spaziergang in Vallauris (Frankreich, Anm. d. Red.) begegnet, und mein Vater hat sich mit ihm unterhalten. Plötzlich hat sich Picasso an mich gewendet und gesagt: «Kommen Sie morgen, ich mache ein Porträt von Ihnen.» Irgendetwas an mir hatte sein Interesse geweckt.

Sie haben mal gesagt, es sei sehr anstrengend gewesen, seinen Blick auszuhalten. Er hat sie ja fünfmal gezeichnet. Hat sich dieses Gefühl verändert?

Vielleicht wurde die Anspannung etwas milder, aber es war doch immer sehr aufregend zu wissen: Jetzt macht der berühmteste Künstler des 20. Jahrhunderts ein Porträt von mir.

Sie haben es zuvor angesprochen: Sie werden oft gefragt, wie er denn gewesen sei. Gibt es etwas, was über ihn gesagt wird, bei dem Sie sagen: «Nein, das war anders»?

Das falsche Bild kann man von ihm gar nicht haben, es gibt so viele Zeitzeugen.

Wie wichtig ist für Sie selbst diese Aufmerksamkeit, die dem 50. Todestag geschenkt wird?

Es ist ein wichtiger Gedenktag, aber für mich sind eigentlich jedes Jahr und diese Verbindung zu ihm wichtig. Ich erinnere mich an so viele Gegebenheiten mit ihm – all das ist sehr präsent. Da habe ich manchmal Mühe, zu glauben, dass er schon 50 Jahre tot ist. Er ist noch immer sehr präsent. Gerade wenn ich seine letzten Bilder anschaue, spüre ich seine unglaubliche Präsenz. Ich denke, wenn er nicht das Pech gehabt hätte, an einer Grippe zu erkranken, dann wäre er 100 Jahre alt geworden. Aber eine Grippe in diesem Alter ist halt immer gefährlich.

Also war er im Freundeskreis nicht ein anderer, als man ihn in der Öffentlichkeit kannte?

Nein, er war immer er selbst, egal, ob er mit einem Minister oder mit der Putzfrau redete.

Seine Tochter Maya war ja fast gleich alt wie Sie selbst. Bestand da auch eine Freundschaft?

Nicht wirklich. Wir kannten uns zwar, aber mit seiner zweiten Frau war ich wirlich sehr befreundet. Mit den Kindern hatte ich eher weniger Kontakt.

Sie besitzen zahlreiche Bilder von ihm bereits seit vielen Jahren. Entdecken Sie da auch immer wieder etwas Neues?

Nein, neue Dinge eigentlich nicht. Sie sind mir natürlich sehr vertraut, ich habe ewig mit diesen Bildern gelebt, die hingen ja früher bei mir zu Hause. Ich sage immer, das seien eigentlich meine Kinder. Sie sind für mich immer noch so spannend wie am ersten Tag.

Haben Sie denn auch Ihr Lieblingsbild?

Ich habe keinen Favoriten. Jedes einzelne Werk haben mein Vater und ich mit dem Herzen ausgesucht, das ist eigentlich geblieben. Vielleicht betrachte ich ein Bild an einem Tag etwas mehr als ein anderes, aber sie sind wohl alle ein Stück von mir.

Bei Kunst wird ja oft viel interpretiert. Ist dies bei seinen Bildern auch so?

Ja, aber das schadet ja den Bildern nicht. Bei Theaterstücken beispielsweise kann immer wieder sehr viel verändert werden. Das Schöne bei Bildern ist: Die sind fertig, denen kann man nichts mehr «antun».

Haben Sie mit Picasso auch über seine Bilder diskutiert?

Nein, er wollte nicht über seine Werke sprechen. Er wollte, dass man sie sich ansieht. Ein Besucher hat ihm mal bei jedem Bild gesagt, wie schön er es fände. Als er gangen war, sagte Picasso: «Ich will nicht hören, ob man meine Bilder gut findet oder nicht, ich liebe sie alle, ich habe sie ja gemacht.»

Interview: Marcel Habegger

 

Box: Veranstaltungshinweise

Datum: Montag, 3. April
Kunst zu Mittag
Zeit: 12.15 bis 12.45 Uhr
«Tisch vor Fenster», 1919 – zum 50. Todestag von Picasso, mit dem Gitarristen Raphael Ophaus und Dr. Kerstin Bitar

Datum: Donnerstag, 15. Juni, Vortrag: 19 bis 20.30 Uhr
«Eigentlich wollte ich nur Maler werden. Nun bin ich Picasso geworden»: Vortrag von Prof. Dr. Dirk Boll. Vorstand für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts bei Christie’s in London. (Um Anmeldung unter info@rosengart.ch wird gebeten.)

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