«Die Ausbildung lässt sich nicht mehr vergleichen»

Die Rektorin der Pädagogischen Hochschule Luzern, Kathrin Krammer, spricht im Interview über die veränderten Rahmenbedingungen, den Lehrer:innen-Mangel und Quereinsteiger:innen.

Kathrin Krammer ist seit drei Jahren Rektorin der PH Luzern.Bild: PD
Kathrin Krammer ist seit drei Jahren Rektorin der PH Luzern. Bild: PD

Kathrin Krammer, Sie sind selbst ausgebildete Lehrerin. Wo sehen Sie zwischen Ihnen selbst und dem ausgebildeten Lehrpersonal von heute den grössten Unterschied?

Die Ausbildung vor 30 Jahren lässt sich nicht direkt mit der Ausbildung von heute vergleichen, die Gesellschaft und damit auch die Ansprüche an die Schule und die Lehrpersonen haben sich stark verändert. Unter anderem sind die Lehrpersonen heute stärker gefordert, ihre Entscheidungen wissenschaftlich fundiert zu begründen. Ein weiterer grosser Unterschied ist, dass es heute mehr Wahlmöglichkeiten und Entwicklungsperspektiven gibt, da die Ausbildung in das Hochschulsystem integriert ist und vielfältigere Weiterbildungsangebote bestehen.

Was hätten Sie auch gerne so gehabt während Ihrer Ausbildung?

Die Ausbildung zeichnet sich heute durch einen wissenschaftlich fundierten Praxisbezug aus, um Situationen zu verstehen und begründet zu handeln. Sie umfasst mehr Praktika, und diese werden stärker verknüpft mit den Ausbildungsinhalten. Das hätte mir sehr entsprochen. Auf der Suche nach Begründungswissen habe ich nach vier Jahren Unterrichtstätigkeit das Pädagogikstudium begonnen. Zudem beinhaltet die Ausbildung deutlich mehr Fachdidaktik und bereitet damit direkter auf das Unterrichten vor. Die seminaristische Ausbildung hatte einen grossen Anteil Allgemeinbildung, diese wird heute für das Studium an der PH vorausgesetzt.

Sie haben in Ihrem Jubiläumsinterview mit der PH die Bereiche Umgang mit Diversität, die digitale Transformation oder Nachhaltigkeit als aktuell spezielle Herausforderung genannt. Was machen diese Bereiche so speziell als Herausforderung?

Die Entwicklung in unserer Gesellschaft ist höchst dynamisch, laufend entstehen neue Möglichkeiten, aber auch neue Fragen, bedingt durch die technologische Entwicklung wie beispielsweise im Bereich der künstlichen Intelligenz, die grosse Unterschiedlichkeit der Lernenden und die gesellschaftlichen Herausforderungen bezüglich der Zukunft unserer Umwelt. Aufgrund der hohen Dynamik und Komplexität dieser Themen gilt es, sich laufend zu informieren, neue Möglichkeiten und Risiken zu prüfen und den Unterricht weiterzuentwickeln.

Noch nie waren an der PH Luzern so viele Studierende eingeschrieben wie 2022, nämlich 2568 (Vergleichszahl 2021: 2512). Weshalb ist der Lehrer:innen-Mangel dennoch so hoch?

Die Anzahl Studierender ist hoch, auch an anderen pädagogischen Hochschulen. Das weist darauf hin, dass der Lehrberuf attraktiv ist und als sinnstiftender Beruf wahrgenommen wird. Die Hauptgründe für den Lehrpersonenmangel sind die ­Zunahme der Anzahl Schülerinnen und Schüler und die hohe Anzahl Pensionierungen, zudem arbeiten viele Lehrpersonen Teilzeit.

Die Anzahl Abbrüche ist, wie die PH im Frühsommer kommuniziert hat, relativ tief. Blieben viele dem Beruf nicht treu, ist dies das Problem?

Im Gegenteil, die Befragungen der Absolventinnen und Absolventen zeigen, dass die Berufseintrittsquote und die Verbleibquote im Beruf sehr hoch sind. Dies bestätigt auch eine nationale Studie des Bundesamtes für Statistik: Nach fünf Jahren sind mehr als 90 Prozent noch in der Schule tätig, zum Teil in einer neuen Funktion, beispielsweise als Schulleiterin oder schulischer Heilpädagoge.

Lehrer:in ist ja der ideale Beruf, egal ob als Frau oder Mann, Teilzeit zu arbeiten. Widerspiegelt sich in diesem Punkt auch eine spezielle Herausforderung? Sie bilden die Studierenden zu 100 Prozent aus, es entstehen 100 Prozent Kosten, der Output ist dann aber oftmals eben nicht 100 Prozent, sondern 40 oder 60 Prozent ...

Die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit macht den Beruf attraktiv, insbesondere für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zugleich macht die Teilzeitarbeit die Stellenbesetzung herausfordernder, und es ist wichtig, dass Anreize für höhere Pensen und Angebote im Bereich der familienergänzenden Betreuung bestehen.

Was halten Sie denn von Quereinsteiger:innen? Kommen Ihnen diese ganz recht, oder sind ­Ihnen die jungen Studierenden doch ­lieber?

Wesentliche Voraussetzungen für das Studium zum Lehrberuf sind das Interesse für Kinder und Jugendliche und ihre Lebenswelt sowie die Fachkenntnisse für die Unterrichtsinhalte, unabhängig vom Zugangsweg. Der Quereinstieg bildet einen wichtigen Zugang zum Beruf, rund ein Drittel unserer Studierenden in den Studiengängen für die Volksschule haben einen anderen Beruf oder ein anderes Studium als Vorbildung. Sie bringen Erfahrungen mit, welche Studium und Lehrberuf bereichern. Diversität stellt eine wertvolle Ressource dar.

Interview: Marcel Habegger

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