Der Bypass rückt in den Fokus
Nachdem die ursprüngliche Variante der Spange Nord begraben ist, richten die Gegner des motorisierten Individualverkehrs (MIV)ihren Fokus auf den Bypass. Am Montag hat sich ein neu gebildetes Komitee erstmals zu Wort gemeldet.
Es klang lange so, als würde sich niemand wirklich um den Bypass scheren, die Spange Nord war für viele Stadtluzernerinnen und Luzerner der Feind, den es die letzten Jahre zu bekämpfen galt.
Nachdem sich auch der Kanton im März 2021 von der eigentlichen Variante abgewendet hatte und sich aktuell auch mit dem Basisausbau zufriedengeben würde, können sich die Gegner des Individualverkehrs dem nächsten Strassenprojekt zuwenden, dem Bypass. Die Kosten des Nationalstrassenprojekts würden vom Bund alleine getragen. Beim Projekt für 1,7 Milliarden Franken sind zwei Röhren und je zwei Fahrstreifen zwischen den Gebieten Ibach in Luzern Nord und Grosshof in Kriens geplant. Baustart soll im Jahr 2030 sein.
Am Montag hat sich nun das 15 Organisationen starke Komitee «Bypass Nein» erstmals zu Wort gemeldet. Sie sagen: «Nutzlos, schädlich, unzumutbar» und fordern Bund und Kanton auf, das Projekt zu stoppen. Statt zusätzliche Autobahnen zu bauen, sollen gemäss den Mitgliedern (siehe Box) Massnahmen zur Verkehrsvermeidung und -umlagerung geprüft werden, wie zum Beispiel Mobility pricing oder Sharing-Angebote. Und es sollen der Fuss-, Velo- und öffentliche Verkehr stärker gefördert werden.
Neben zahlreichen Umweltverbänden kämpft auch die Gegenbewegung Spange Nord mit dem Komitee gegen den Bypass. «Auf dem Hintergrund der sehr deutlichen Annahme der städtischen Initiative ‹Spange Nord stoppen – Lebenswerte Quartiere statt Stadtautobahn› im Herbst 2020, engagiert sich die Gegenbewegung Spange Nord heute für die Entwicklung und den Ausbau der Wohn- und Lebensqualität in allen Luzerner Quartieren und für eine nachhaltige, gesunde Stadt der Zukunft», erklärt Felix Kaufmann, Sekretär der Gegenbewegung. Deshalb wehrt sich der Verein nun auch gegen den Bypass, er vertritt in diesem Komitee die Interessen der Quartierbevölkerung.
Mehr oder weniger Verkehr?
Der Kanton schreibt auf seinem Faktenblatt zum Nutzen des Bypasses: Der Verkehr von und nach Luzern habe in den letzten zehn Jahren um rund 20 Prozent zugenommen. Täglich würden durchschnittlich rund 102 000 Fahrzeuge (2019) den Reussporttunnel passieren, bis 2030 dürften es 111 000 Fahrzeuge pro Tag sein und 2040 sogar 124 000 Fahrzeuge, was mit der heutigen Infrastruktur nicht zu bewältigen sei. Der Engpass rund um Luzern werde mit dem Bypass-Tunnel und zusätzlichen Fahrspuren behoben. «Im Klimabericht des Kantons steht, die grösste Wirkung hinsichtlich Reduktion der Treibhausgasemissionen kann im Bereich des Strassenverkehrs bei Personenwagen erreicht werden; im besten Fall durch die Reduktion des MIV-Aufkommens», sagt Dominik Hertach, Geschäftsleiter VCS Luzern und Vorsteher des Komitees «Bypass Nein». «Mit dem geplanten Autobahnausbau Bypass Luzern bewirken Bund und Kanton genau das Gegenteil, denn erst der Ausbau lässt das prognostizierte Verkehrswachstum zu.»
«Der Bypass führt zu einer massiven Reduzierung des Verkehrs in und um Luzern und steuert daher einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Verkehrsberuhigung, der Innenstadt von Luzern und der Zentren der Agglomerationsgemeinden bei», hält Peter Schilliger, Luzerner Nationalrat, Präsident der TCS-Sektion Waldstätte und Befürworter des Bypasses, auf Anfrage fest. «Der Bypass hilft zudem, den ÖV noch zuverlässiger zu machen und die Flächeneffizienz massiv zu steigern», ergänzt er. Dominik Hertach, Geschäftsleiter VCS Luzern, sah dies am Montag natürlich anders: «Täglich zusätzliche 32 000 Autos auf der Autobahn als ‹Entlastung› zu bezeichnen, ist absurd. Entgegen den Versprechungen werden Stadt und Agglomeration nicht vom Autoverkehr entlastet, und weitere Busspuren werden so verunmöglicht, wie man im technischen Bericht des Bypass wörtlich nachlesen kann.»
Statt einer Senkung eine Zunahme
Auch der Regierungsrat des Kantons Luzern steht hinter dem Bundesprojekt «Bypass». «Der Durchgangsbahnhof und der Bypass sind Schlüsselprojekte für die künftige Mobilität auf Strasse und Schiene in der Region Luzern, in der Zentralschweiz, aber auch von nationaler Bedeutung im Nord-Süd-Verkehr», sagt Regierungsrat Fabian Peter.
«Rund einen Drittel des CO2-Ausstosses geht auf das Konto des Autoverkehrs. Der Sektor Verkehr verpasst dabei die Klimaziele des Bundes regelmässig; wie das Bundesamt für Umwelt festhält; statt einer CO2-Senkung von 10 Prozent bis 2020 hat der Ausstoss um 1 Prozent zugenommen», hält Dominik Hertach dagegen. Regierungsrat Fabian Peter betont aber auf Anfrage: «Auch mit dem Projekt ‹Bypass› will und muss sich der Kanton Luzern für Treibhausgasreduktionen im Bereich des Strassenverkehrs einsetzen, um das erklärte Ziel der Klimaneutralität 2050 zu erreichen.»
Der Klima-Planungsbericht geht davon aus, dass der Verkehr im Jahr 2050 klimaneutral abgewickelt werden kann. «Es werden jedoch weiterhin Strassen benötigt, um Güter und Menschen zu transportieren. Deshalb braucht es Investitionen in die Strasseninfrastruktur, insbesondere wenn es darum geht, Durchgangsverkehr auf übergeordnete Strassen zu verlagern», argumentiert Fabian Peter weiter. Auch da ist das Komitee anderer Meinung: «80 Prozent des Autobahnverkehrs ist nicht Durchgangs-, sondern regionaler Verkehr, das ist keine Behauptung von uns, sondern gemäss dem Astra so», sagt Dominik Hertach.
Kriens will eine Optimierung
Im alten Krienser Stadtrat hatte man sich noch die Spange gewünscht, damit der Verkehr des Bypasses Kriens weniger belastet. Der ehemalige Stadtrat hatte es noch in Erwägung gezogen, dass sich Kriens vom Bypass abwenden könnte, wenn die Spange nicht kommen würde. Die neue Stadtpräsidentin Christine Kaufmann-Wolf stellt nun klar: «Die Stadt Kriens kämpft nicht gegen den Bypass, sondern für eine Optimierung am Bypass. Mit der Spange Nord wäre eine durchgehende Busspur von Kriens bis Luzernerhof ermöglicht worden. Diese durchgehende Busspur fällt nun leider voraussichtlich weg.» Für die Stadt Kriens sei vor allem die Einhausung sehr wichtig, sagt Kaufmann-Wolf. Diese steht für Lärmschutz, für eine Stadtreparatur und soll Grünflächen schaffen. Um die Totalüberdachung zwischen Sonnenbergtunnel und Tunnel Schlund durchzusetzen, hat Kriens beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) Einsprache eingelegt. Ein Zeichen setzen und dem Bund aufzeigen, was passieren könnte, wenn die gesamte Überdachung abgelehnt würde, will der Stadtrat nicht, weshalb er beim Komitee nicht dabei ist. «Das erwähnte Komitee ist grundsätzlich gegen den Bypass. Die Stadt Kriens ist jedoch nicht gegen den Bypass, sondern fordert eine verträgliche Lösung sowie eine Stadtreparatur. Das bedeutet im Fall von Luzern Süd das Schliessen einer alten Wunde, welche die Autobahn einst aufgerissen hat. Diese kann mit der Einhausung erreicht werden», stellt die Krienser Stadtpräsidentin klar.
Marcel Habegger
Box: Das Komitee «Bypass Nein»
VCS Luzern, VCS OW/NW, WWF Luzern, Ärzte für Umweltschutz (Sektion Pilatus), Pro Natura Luzern, Klimastreik Zentralschweiz, Klimagrosseltern Zentralschweiz, Pro Velo Luzern, Gegenbewegung Spange Nord, Klimagruppe Bruchquartier, IG Reussport Nein, IG Hochbühl-Untergütsch gegen den Bypass-Lüftungsschacht im Gütschwald, Eltern für das Klima Luzern, Psychologists for Future und die IG Stadtentwicklung.