Der beste Verkäufer tritt ab
Luzern Süd, das Gebiet zwischen Eichhof und Horwer Seebucht, ist die «Boom-Town» der Region. Eine Erfolgsgeschichte, mitgeschrieben Thomas Glatthard. Nach zehn Jahren als Gebietsmanager geht der umtriebige Raumplaner in Pension.
Glühen für die Aufgabe»: Diese Redensart kommt einem unweigerlich in den Sinn, wenn man mit Thomas Glatthard ein Gespräch führt. «Ich habe die Aufgabe, dieses Gebiet zu entwickeln», erklärt der Raumplanungsfachmann mit Berner Wurzeln und immer mitschwingender Begeisterung in der Stimme. Er kennt in dem von ihm betreuten Rayon, von der Obergrundstrasse bis ins Zentrum von Horw, quasi alles und jeden.
Vor genau einer Dekade startete er in dieser Aufgabe, ein Mandat, vergeben vom Gemeindeverband Luzern Plus. In einer der allerersten Sitzungen sassen ihm die Initianten einer neuen Sport- und Eventhalle im Krienser Süden gegenüber. Ein Leuchtturmprojekt, aber im Projektierungsvorgehen symptomatisch für die generellen Aufgaben des Gebietsmanagers. «Ich koordiniere die Bedürfnisse und die Wünsche aller Involvierten.» Das sind vorab die Gemeinden und die Parlamente von Luzern, Kriens und Horw, die Quartiervereine, die Grundeigentümer, Bauherrschaften sowie verschiedene Steuerungs- und Planungsgremien. «Ich habe so viele Personen in den letzten zehn Jahren kennengelernt, die mir ans Herz gewachsen sind», sagt Glatthard. Gebietsmanagement funktioniere vor allem auf der Basis persönlicher Kontakte. «Das A und O für einen Konsens, auch wenn man nicht immer allen Wünschen gerecht werden kann.» Offenheit bezeichnet Glatthard als wichtigste Charaktereigenschaft für den Job, der als 50-Prozent-Pensum angelegt ist.
Funktionierendes Quartier
Der Weg hin zu dieser Aufgabe startete im Ingenieurstudium mit Vertiefung Raumplanung. Nach Festanstellungen ging’s vor 30 Jahren in die Selbstständigkeit. Lehraufträge und journalistische Mandate in den Bereichen Umwelt, Raumplanung und Geoinformation betreute er. Beim regionalen und kantonalen Richtplan von Luzern arbeitete Glatthard in der Kommunikation. Vor 15 Jahren bekam er das Mandat als Geschäftsführer des Quartierentwicklungsprojektes Basel- und Bernstrasse (BaBeL), welches weitere 30 Prozent seiner aktuellen Tätigkeiten ausmacht.
«Die grösste», sagt Thomas Glatthard auf die Frage, welche Flasche er am Abend des 29. November 2020 aufgemacht habe, als klar war, dass die Pilatus-Arena in der Abstimmung ein Volksmehr erlangt hatte. «Wachstumsskeptiker gibt es in grosser Zahl auch in Kriens», weiss der Gebietsmanager. Warum ist das von ihm sehr engagiert begleitete Projekt dennoch durchgekommen, die gleichzeitig zur Abstimmung stehende Wohnüberbauung Weinhalde aber gescheitert? «Die Arena bietet Zusatznutzen im Bereich Sport und Events», meint er.
So haben Sportkreise und Vereine für entscheidende Ja-Stimmen gesorgt, die der Weinhalde vorenthalten wurden. Gegenwind bekam die Arena aus dem Quartier Kuonimatt, dem – so spürt man im Gespräch – hin und wieder aufmuckenden Sorgenkind des Gebietsmanagers. «Es war immer klar, dass wir die Kuonimatt als gut funktionierendes Quartier nicht in die Transformation rundherum integrieren werden.» Dennoch wurden kleine Entwicklungsschritte geplant, wie die Süd-Allee, die Verbindungsroute vom Eichhof nach Horw mit quartierweise angepasster Funktion. In der Kuonimatt formierte sich Widerstand gegen den vermeintlichen Mehrverkehr. Im August 2018 musste der damalige Krienser Bauvorsteher Matthias Senn verkünden: «In diesem Teil ist die Süd-Allee weitgehend gestorben.» – «Wir haben anfangs nicht optimal kommuniziert, fanden dann aber gemeinsame Lösungen», sagt Thomas Glatthard heute.
Pulsierendes Zentrum
Es ist sein einziger Wermutstropfen. Ansonsten darf der Gebietsmanager nur Gelungenes aufzählen. So den Musikcampus an der Arsenalstrasse mit dem Südpol, dem Sinfonieorchester und der Musikhochschule. «Letztere mussten wir vor zehn Jahren noch vom Standort ausserhalb der Stadt überzeugen, heute sehen sie begeistert ein, dass sie mittendrin sind.» Das «Freigleis», die Velo- und Fussgängerroute auf dem ehemaligen Trassee der Zentralbahn, «sehe ich auch weit oben in meiner Projekt-Hitliste», sagt Glatthard.
Auf dem Podest seiner Lieblingsprojekte ist das Gebiet rund um den Bahnhof Mattenhof. Dieser sah vor zehn Jahren aus wie eine einsam verlassene Haltestelle im Wilden Westen. Jetzt ist er das pulsierende Zentrum eines gemischt genutzten Areals mit Wohnungen, Gewerbe, dem Hotel und Restaurants. Bald kommt die Pilatus-Arena dazu. «Bis anhin zirkulierten rund 1000 Personen pro Tag über den Bahnhof Mattenhof, bald werden es 10 000 sein», sagt Glatthard. Vier Buslinien werden über den grossen Bahnhofplatz geführt. Der Mattenhof bekommt ein Pendant weiter südlich, das sogenannte Horw Mitte. Auch hier ist der Bahnhof bereits ausgebaut, der Bahnhofplatz und umliegende geplante Gebäude harren wegen Einsprachen und Planungsverfahren ihrer Aufrichtung. Dennoch ist Glatthard überzeugt: «Hier entsteht ein weiteres, urbanes Filetstück.»
Der Gebietsmanager zählt weitere Projekte auf, nennt die Vorteile aller Baugrundstücke inklusive deren Erschliessung und des Fahrplans des ÖV sowie des bewusst stark regulierten Individualverkehrs. Das Autothema und die einem Projekt zugestandene Anzahl Parkplätze sorgen immer wieder für Debatten mit potenziellen Bauherren. «Nur so funktioniert Urbanität. Wer sich daran stört, gehört nicht in dieses Gebiet», sagt Glatthard bestimmt und überzeugend. Der Raumplaner ist eigentlich nicht nur Gebietsmanager, sondern auch der beste Verkäufer seines Rayons. Ende Februar geht Thomas Glatthard in Pension. Luzern Süd und all seine Protagonisten werden ihn vermissen, den «glühenden» Gebietsmanager.
Andréas Härry