«Das Team ist sensationell»

Das Neue Luzerner Theater erhält aktuell viel Gegenwind. Die neue Stiftungsratspräsidentin Anja Meyer hat klare Rezepte, wie Akzeptanz für das Projekt generiert werden kann.

Anja Meyer tritt diesen Sommer die Nachfolge von Gabriela Christen an. Bild: zvg

Anja Meyer, was warIhr Highlight der Saison 2022/23 am Luzerner Theater?

«Bad Girls»! (Eine Rap-Oper, der zweite Teil des «Ring Dings», sehr frei nach den Werken von Richard Wagner, die Red.). Das kam so schräg und frech rüber. Diese Produktion steht auch für das, was wir zu realisieren versuchen: sowohl junge wie auch reifere Generationen abzuholen. Mit Spass, aber auch mit Hintergrund.

In dem Fall dürfte Ihnen auch die Open-AirOper «Revue des Folies» zugesagt haben?

Hat mir auch sehr gefallen. Wir waren an der Premiere, bei perfektem Wetter. Solche Produktionen machen Kultur nahbar, sind niederschwelliger, aber dennoch auf hohem Niveau angesiedelt. Ein Spagat, der wichtig ist, um gesellschaftlich zu berühren.

Wenn man sich im Publikum des LT umschaut, gehört man mit 59 Lebensjahren zu den jüngeren Gästen.

Wenn wir das Neue Luzerner Theater hinkriegen wollen, müssen wir breitere Schichten für uns gewinnen. Wir bauen kein neues Theaterfür unsere Generation, sondern für die Jungen. Mit dem aktuellen Haus haben wir Hürden. Es erscheint fast abweisend für Nichttheaterinteressierte, ist den ganzen Tag geschlossen, es «steht einfach da». In Zukunft soll man in das Haus ohne Verpflichtung begehen können, an der Kultur schnuppern, jederzeit ins Theaterrestaurant gehen können, sich mit Kulturschaffenden austauschen.

Das Luzerner Theater hat einen Leistungsauftrag, …

… der uns verpflichtet, ein Mehrspartenhaus zu betreiben, das überregional Publikum begeistert. Da haben verschiedene Formate darin Platz. Wir dürfen nicht ausschliesslich Kultur mit dem Mahnfinger betreiben, unserem Publikum ständig sagen, wie es zu denken hat.

Wo sollen Schwerpunkte gelegt werden?

Zum Beispiel beim Kinder- und Jugendtheater. Diese haben eine grosse Bedeutung bekommen mit der aktuellen Intendanz. Das soll sich noch verstärken – und das ist kein Lippenbekenntnis.

Grundsatzfrage: Braucht Luzern überhaupt ein «neues» Theater?

Die Gesellschaft entfernt sich zunehmend voneinander. Sollen wir Orte, wo seit mehreren hundert Jahren über Demokratie und unser Zusammenleben diskutiert wird, auflösen? Wir müssen die Diskussion ums neue Haus auch auf diese grundsätzliche Ebene bringen.

Warum ist noch keine Begeisterung ausgebrochen für das neue Theater?

Aktuell hört man vor allem diejenigen, die den Architekturwettbewerb verloren haben, und solche, die gar nie ins Theater gehen. Dazu kommt, und das haben wir damals auch beim KKL erlebt: Das neue Haus ist gross, es ist eine Veränderung an einem heiklen Ort, im Herzen von Luzern. Das trifft auf eine Stimmung mit viel Kultur-Bashing, das Geld dafür wird ständig in Zweifel gezogen. Es muss uns gelingen, der Bevölkerung die Chancen des neuen Hauses aufzuzeigen. Kultur muss Teil der Stadt werden. Das ist aktuell nicht unbedingt der Fall.

Weil Kulturin Luzern vor allem elitär daherkommt?

Das trifft teilweise zu, und das wollen wir rausnehmen im neuen Haus. Das Theater wird ein Ort der gesellschaftlichen Begegnung. Es gilt, die verschiedensten Szenen von Luzern zusammenzubringen. Das Neue Theater soll im Herzen der Luzerner Gesellschaft ankommen, so geschätzt werden wie das KKL.

Zu Ihnen persönlich: Wie wurden Sie vom Theatervirus infiziert?

Als Kind ging ich selbstverständlich mit der Schule ins Theater, was heute aus finanziellen Gründen nicht mehr stattfindet. Das müssen wir ändern… Aber zurück zu mir. Meine Eltern sind begeisterte Theatergänger. Sie besuchen weltweit die Bühnen. Wir Kinder wurden somit ständig mit dem Theater konfrontiert. Jahre später hörte ich natürlich mit, als mein Vater Kurt Meyer (Stiftungsratspräsident LT von 2007 bis 2015, die Red.) das Amt innehatte.

Sie waren fürs Amt prädestiniert ...

… ich habe es aber nie gesucht. Vor zwei Jahren führten wir bereits Gespräche. Ich musste wegen meines geschäftlichen Engagements abwinken (Anja Meyerist CEO von Smeyers Immobilien, die Red.). Dann kam der Rücktritt meiner Vorgängerin Gabriela Christen zu einem ungünstigen Moment. In der Zwischenzeit habe ich in meinem Unternehmen personell aufgestockt, so ist es mir möglich, dieses rund 30-Prozent-Mandatfürs Theater wahrzunehmen.

Was hat Sie zur Zusage bewogen?

Zwei Dinge. Erstens: Ich finde das Team rund um Ina Karr sensationell. Wir machen in Luzern richtig, richtig gutes Theater. Interessant, kreativ, zugänglich. Zweitens: Der neue Stiftungsrat ist eine Crew, die gewillt ist, sich stark zu engagieren. Alles Leute, die noch operativ im Berufsleben tätig sind.

Gibt sich der Stiftungsrat ein in programmatischen Fragen gegenüber der Intendanz?

Heikle Sache! Natürlich ist Theaterkompetenz vorhanden in unserem Gremium. Aber meine Meinung ist: Wir werden informiert. Sollten grosse Bedenken auftauchen, fragen wir nach. Der Stiftungsrat ist zuständig für Strategien, Kommunikation, das Schaffen von Kontakten, Hilfe beim Sponsoring, die Verhandlungen mit dem Zweckverband usw. Wir sind wie der Verwaltungsrat in einem Unternehmen. Ich würde intervenieren, wenn jemand aus dem Stiftungsrat sich zu stark zum Programm äussern würde.

Politische Kontakte sind auch Ihre Baustelle: Wie schwierig ist es für Sie, mit allen Lagern klarzukommen?

Da gehe ich unbeschwert rein. Ich habe nie ein politisches Amt auch nur ein bisschen angeschaut. Ich werde dies auch in Zukunft nicht tun. Ein Vorteil meiner Person: Ich stehe nicht unter dem Generalverdacht, «links» zu sein. Ich bin eine Wirtschaftsfrau. An welchem Datum wird das Neue Luzerner Theater eröffnet? (Zögert nur kurz ...) Spätestens im August 2029.

Und Sie halten die Eröffnungsrede?

(Lacht.) Gemeine Frage! Ja, hoffentlich halte ich sie!

Interview: Andréas Härry

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